Bill Saxton, NRAO/AUI/NSF

Über die Suche nach den Planeten anderer Sterne habe ich schon oft geschrieben. Hier im Blog und anderswo; ich hab sogar ein ganzes Buch* darüber geschrieben und weil sich dieses Jahr die Entdeckung des ersten Planeten eines anderen Sterns zum 25. Mal jährt, läuft bei Radio FM4 gerade eine Science-Busters-Sonderserie zum Thema. Worüber ich auch immer wieder geschrieben habe, sind die vielen verschiedenen Methoden mit denen man solche Planeten finden kann. Sie einfach direkt zu sehen ist schwierig. Dafür sind sie zu weit weg und geben im Vergleich zum Stern zu wenig Licht ab. Aber indirekt geht es. Zum Beispiel wenn ein Planet von uns aus gesehen vor seinem Stern vorüber zieht und dabei in periodischen Abständen ein wenig von dessen Licht blockiert. Dieses “Blinken” können wir beobachten. Ebenso wie ein “Wackeln”. Und nun hat man das erste Mal einen extrasolaren Planeten durch eine ganz spezielle Art von Wackelei entdeckt. Oder vielleicht auch zum zweiten Mal – aber dazu später mehr.

Die Wackelei von Sternen steht ganz zu Beginn der Suche nach extrasolaren Planeten. Ich will nicht die komplette Geschichte wieder aufrollen, die ich schon so oft anderswo erzählt habe. Aber wir waren bei der Suche nach extrasolaren Planeten immer schon darauf angewiesen, das Unsichtbare aus dem Sichtbaren abzuleiten. Das klassische Beispiel ist Neptun, der zwar kein extrasolarer Planet ist, aber die Sache dennoch gut demonstriert. Im 19. Jahrhundert wusste niemand dass es Neptun gibt. Er war auch nirgendwo zu sehen. Was man sehen konnte, war Uranus. Und der hat sich nicht so bewegt, wie er eigentlich sollte. Daraus schloss man: Es muss etwas geben, das die Bewegung von Uranus beeinflusst – einen noch unbekannten Planeten. Mit etwas Mathematik und etwas Glück fand man diesen unbekannten Planeten und nannte ihn “Neptun”. Wichtig an der Episode ist: Das Sichtbare – die unregelmäßige Bewegung von Uranus – hat uns das Unsichtbare – den Planeten Neptun – gezeigt.

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hat man genau dieses Prinzip verwendet, um Planeten anderer Sterne zu finden. Die Idee: Wenn ein Planet einen Stern umkreist, dann bringt der Planet mit seiner Gravitationskraft auch den Stern ein klein wenig zum Wackeln. Man muss also nur die Position eines Sterns am Himmel extrem genau vermessen. Und schauen, ob er regelmäßig wackelt; also quasi einen kleinen Kreis am Himmel beschreibt. Was eine sehr gute Idee war, aber leider weit außerhalb der damaligen technischen Möglichkeiten lag. Es wurde zwar immer wieder verkündet, man hätte mit dieser Methode Planeten entdeckt. Aber ebenso immer wieder hat sich die Entdeckung als Fehlalarm herausgestellt.

Erfolgreich war man erst, als man nach einer anderen Art der Wackelei gesucht hat. Man kann von der durch den Planeten ausgelösten Bewegung des Sterns auch nur den Teil betrachten, der entlang der Sichtlinien zwischen Stern und Erde stattfindet. Das klingt ein wenig abstrakt, heißt aber nix anderes, dass so ein Stern der einen Kreis am Himmel beschreibt, dabei ja auch immer wieder ein winziges Stück auf uns zu kommt und sich dann wieder ein winziges Stück entfernt (ausgenommen in sehr speziellen geometrischen Situationen auf die ich jetzt aber nicht näher eingehen will). Dieser Anteil der Bewegung ist die “Radialgeschwindigkeit” und die kann man auch messen, selbst wenn man die eigentliche Bewegung des Sterns nicht sehen kann. Die Radialgeschwindigkeit eines Sterns verrät sich in Veränderungen seines Lichts und mit dieser Methode wurde 1995 der erste Exoplanet entdeckt – wofür es 2019 dann auch zu Recht einen Nobelpreis gab.

Aber jetzt soll es ja gerade nicht um die Radialgeschwindigkeit gehen. Sondern um die “ursprüngliche” Suche nach dem “echten” Wackeln des Sterns. Die astronomische Disziplin die sich mit der exakten Messung von Sternpositionen beschäftigt, heißt “Astrometrie” und mit der “astrometrischen Methode” wurde nun tatsächlich ein extrasolare Planet entdeckt. Und zwar von Salvador Curiel von der Universidad Nacional Autónoma de México und seinen Kollegen (“An astrometric planetary companion candidate to the M9 Dwarf TVLM 513-46546”). Sie haben einen “Ultracool Dwarf” beobachtet, als einen extremen Zwergstern, der nicht deswegen ultracool ist, weil er von einem Planet umkreist wird (obwohl das auch cool ist), sondern weil er gerade noch so heiß ist, dass er als noch als Stern durchgeht. Solche Sterne haben typischerweise um die 2500 Grad Celsius Oberflächentemperatur; nur die Hälfte von dem was unsere Sonne schafft.

Der Zwergstern den die Forscherinnen und Forscher beobachtet haben, trägt die Bezeichnung TVLM 513-46546 und man hat ihn im Radiolicht betrachtet. Was praktisch war, denn dabei konnte man eine spezielle Methode in der Astronomie verwenden bei der man viele einzelnen Teleskope zu einem enorm großen Teleskop kombiniert was die Beobachtungsgenauigkeit extrem erhöht. Wie das funktioniert habe ich früher schon mal genau erklärt. In diesem Fall hat es ausgereicht, den Stern tatsächlich wackeln zu sehen und zwar genau so wie es der Fall sein muss, wenn er von einem Planeten mit ungefähr einem Drittel bis knapp die Hälfte der Masse des Jupiters umkreist wird; in einem Abstand der ungefähr dem Abstand des Merkur von der Sonne entspricht. Oder anders gesagt: Der Zwergstern wird von einem Saturnähnlichen Planeten in enger Umlaufbahn umkreist.

Was überraschend ist! Denn bisher ging man davon aus, dass so große Planeten vergleichbar mit Jupiter oder Saturn bei massearmen Sternen eher selten zu finden sind. Abgesehen davon kann man Planeten mit der Astrometrie-Methode leichter nachweisen, wenn es massereiche Planeten sind, die den Stern in großem Abstand umkreisen. Wenn man nun also ein Ding wie das bei TVLM 513-46546 findet, dann ist das etwas, das durch die bisherigen Modelle der Planetenentstehung noch nicht vernünftig erklärt werden kann. Vielleicht ist es ja auch nur Zufall; ein statistischer Ausreißer. Aber wenn gleich der erste Planet der mit der Astrometrie-Methode gefunden wird so ein “Ausreißer” ist, ist das schon ein Anlass, darüber nachzudenken…

Mich persönlich hat nachdenklich gemacht, was Curiel und seine Kollegen am Ende ihres Fachartikels geschrieben haben. Nämlich: “[T]o our knowledge, this is the second exoplanet found using astrometry and the first exoplanet found using absolute astrometry. In addition, this is also the first exoplanet found using radio astrometric observations.” Wenn ich über das Thema gesprochen habe, dann habe ich bisher immer erzählt, dass die Astrometriemethode bis jetzt noch nicht erfolgreich war. Leider gibt es keine Quellenangabe dazu, was denn der erste der nun zwei mit Astrometrie entdeckten Planeten gewesen sein soll. Wenn ich im “NASA Exoplanet Archive” nachsehe, finde ich dort nur einen Planeten bei dem “Astrometrie” als Entdeckungsmethode angegeben ist. Dass Ding hat aber fast die 30fache Masse des Jupiters, womit man es eigentlich als “braunen Zwerg” (also ein Zwischending aus Stern und Planet) klassifizieren müsste; ein “echter” Planet, also ein Himmelskörper mit einer so geringen Masse dass dort keine Kernfusion stattfinden kann, muss ein Masse haben die geringer als die circa 13fache Jupitermasse ist.

Vielleicht haben Curiel und seine Kollegen ja nicht so genau nachgesehen bzw. schmeißen Planeten und braune Zwerge als “substellare Objekte” in einen Topf (wie es manchmal gemacht wird). Oder ich habe es tatsächlich übersehen, als die Astrometriemethode zur Entdeckung von Planeten das erste Mal erfolgreich war. Auf jeden Fall ist der extrasolare Saturn des ultracoolen Zwergs eine ultracoole Entdeckung. Egal ob sie die erste oder zweite war. Und vielleicht liest hier ja jemand mit und hat ausreichend viel Ahnung vom Thema, um die Sache aufklären zu können!

*Affiliate-Links

Kommentare (13)

  1. #2 Karl-Heinz
    17. August 2020

    Aber in den Weiten des Weltraums gibt es noch viel größere Kaventsmänner – zum Beispiel DENIS-P J082303.1-491201 b, ein gewaltiger Gasplanet, fast 30 Mal so schwer wie Jupiter. Es ist sogar umstritten, ob es sich bei ihm nicht schon um einen schwachen Stern handelt, einen sogenannten braunen Zwerg. Dieser Sterntypus ist zwar nicht massereich genug, um Wasserstoff in seinem Inneren zu Helium zu fusionieren (wie es unsere Sonne und alle anderen Sterne machen). Allerdings brodeln in braunen Zwergen andere Fusionsreaktionen, die bereits bei niedrigeren Temperaturen ablaufen.
    Bevor das abschließend geklärt ist, ist DENIS-P J082303.1-491201 b jedoch der schwerste bisher entdeckte Planet.

  2. #4 Karl-Heinz
    18. August 2020
  3. #5 Karl-Heinz
    18. August 2020

    @Florian

    Abgesehen davon kann man Planeten mit der Astrometrie-Methode leichter nachweisen, wenn es massereiche Planeten sind, die den Stern in großem Abstand umkreisen.

    UMLAUFZEIT (Beispiele)
    88 Tage Merkur
    225 Tage Venus
    365 Tage Erde
    687 Tage Mars
    12 Jahre Jupiter
    29 Jahre Saturn
    84 Jahre Uranus
    165 Jahre Neptun

    Bis zu welcher Umlaufzeit ist es sinnvoll die Astrometrische Methode anzuwenden?

  4. #6 Karl-Heinz
    Graz
    18. August 2020

    Der Begleiter b von TVLM 513-46546 benötigt 221 +|- 5 Tage für einen Umlauf. 🙂

  5. #7 Karl-Heinz
    18. August 2020

    Zudem sei die astrometrische Technik am erfolgreichsten beim Nachweis jupiterähnlicher Planeten in ausgedehnten Umlaufbahnen. „Wir waren daher überrascht, einen masseärmeren Planeten von Saturngröße in einer relativ nahen Umlaufbahn um TVLM 513-46546 zu finden.“

    Mag ja durchaus stimmen. Aber muss man bei der astrometrische Methode nicht länger auf das Messergebnis wegen der Umlaufzeit warten, je weiter der Exoplanet vom Zentralgestirn weg ist?

  6. #8 Florian Freistetter
    18. August 2020

    @Karl-Heinz: “Bevor das abschließend geklärt ist, ist DENIS-P J082303.1-491201 b jedoch der schwerste bisher entdeckte Planet”

    Wer behauptet das? Wenn man sich darauf einigt, dass ein Planet ein Himmelskörper in dem keine Fusion stattfindet, dann ist DENIS-P kein Planet. Ein brauner Zwerg kann Deuterium fusionieren; allerdings keinen Wasserstoff und das auch nur für kurze Zeit. Echte Sterne sind Himmelskörper die für Millionen bis Milliarden Jahre Wasserstoff fusionieren können. Für Deuterium-Fusion braucht man ~13 Jupitermassen; für Wasserstofffusion ~70 Jupitermassen. Ich wüsste nicht, dass sich der Konsens in der Astronomie kürzlich dazu geändert hat, dass braune Zwerge als Planeten bezeichnet werden. Die Obergrenze für Planeten lag immer schon bei 13 Jupitermassen.

  7. #9 Karl-Heinz
    18. August 2020

    @Florian Freistetter

    Sorry ich habe da was übernommen und wie du richtig anmerkst so nicht ganz stimmt.

    https://www.n-tv.de/wissen/Die-extremsten-Planeten-im-Weltall-article19890097.html

  8. #11 Karl-Heinz
    18. August 2020

    First extrasolar planet discovered by astrometric observations HD 176051 b

  9. #12 Karl-Heinz
    18. August 2020
  10. #13 Karl-Heinz
    18. August 2020

    @Florian

    Oder ich habe es tatsächlich übersehen, als die Astrometriemethode zur Entdeckung von Planeten das erste Mal erfolgreich war.

    Ja du hast. 🙂

    HD 176051 b