Nach Betteridges Gesetz der Schlagzeilen lässt sich die Frage aus der Überschrift mit einem klaren “Nein!” beantworten. Aber der Meister der Science-Fiction-Wissenschaft, der theoretische Physiker Abraham Loeb, ist da anderer Meinung. Loeb hat im Laufe der Zeit ja jede Menge sehr schräge Theorien aufgestellt. Die nicht unbedingt weniger schräg sind, nur weil er sie wissenschaftlich korrekt untersucht hat (und bevor mich wer fragt: Nein, sein neues Buch*, in dem er behauptet der Asteroid ‘Oumuaua wäre ein außerirdisches Raumschiff, habe ich noch nicht gelesen und kann es daher auch nicht kommentieren). Aber zumindest liefert er immer wieder jede Menge Stoff über den man nachdenken kann. Ich habe im Jahr 2014 schon über eine Arbeit von ihm berichtet, in der es um eine “habitable Epoche im frühen Universum” ging. Gemeinsam mit Manasvi Lingam hat Loeb nun kürzlich einen weiteren Artikel zu diesem Thema veröffentlich (“The Extended Habitable Epoch of the Universe for Liquids Other than Water”).
Die Grundidee ist recht simpel: Nach dem Urknall war das Universum voll mit Strahlung. Diese kosmische Hintergrundstrahlung gibt es auch heute noch. Aber weil sich das Universum in den vergangenen knapp 14 Milliarden Jahren ausgedehnt hat, hat sich auch diese Strahlung “verdünnt”. Heute hat sie eine Temperatur von circa 3 Kelvin, also nur wenig über dem absoluten Nullpunkt. Was auch der Grund ist, warum es im Weltraum im Allgemeinen eher kalt ist. Aber früher war die Hintergrundstrahlung deutlich wärmer. In der Vergangenheit – und zwar 15 Millionen Jahre nach dem Urknall – lag die Temperatur der Hintergrundstrahlung für ein paar Millionen Jahren zwischen 0 und 30 Grad Celsius. Das heißt: Überall im Universum war es warm genug, dass Wasser flüssig sein und Leben entstehen konnte. Natürlich nicht im leeren Weltraum, es braucht schon einen passenden Planeten. Aber es war damals eben egal, welchen Stern so ein Planet in welchem Abstand umkreist. Die Temperaturen waren überall lebensfreundlich. Das Problem an der Sache: Es braucht Zeit, damit Planeten entstehen können. Es braucht Zeit, damit überhaupt erst einmal im Inneren der Sterne durch Kernfusion die ganzen chemischen Elemente entstehen können, aus denen sich später Planeten bilden. In der Arbeit von 2014 hat Loeb noch behauptet, dass sich Sterne und Planeten ausreichend früh nach dem Urknall bilden konnten (was ich damals durchaus ein wenig bezweifelt habe). In der neuen Arbeit mit Manasvi Lingam sieht die Sache schon ein wenig anders aus.
Da gehen Loeb und Lingam davon aus, dass es doch ein wenig länger dauert, bis sich Sterne und Planeten bilden. Da war es schon längst zu kalt als dass die Hintergrundstrahlung Wasser flüssig halten könnte. Aber sie lassen sich davon nicht beirren, und schauen sich einfach an, ob das mit dem Leben nicht irgendwie anders funktionieren könnte. Etwa mit Ammoniak, das (bei normalem Druck) zwischen -33 und -77 Grad Celsius flüssig ist. Oder Schwefelwasserstoff; flüssig zwischen -85 und -60 Grad. Ethan ist noch besser und flüssig zwischen -180 und -88 Grad Celsius. Loeb und Lingam haben noch ein paar andere Stoffe identifiziert und berechnet, wann das Universum die richtige Temperatur hatte, damit sie flüssig sind. Das fängt bei ein paar Millionen Jahre nach dem Urknall an (Ammoniak) und reicht bis knapp 100 Millionen Jahre nach dem Urknall (den sehr obskuren Fall von überkritischem flüssigen Wasserstoff ignoriere ich jetzt einmal):
Dann machen sich Lingam und Loeb noch ein paar Gedanken über die Zeit, die es braucht damit Leben entstehen kann (und stellen dabei fest, dass man das nicht sehr genau sagen kann), ab wann die ersten Sterne genug schwere Elemente produziert haben, berücksichtigen noch ein paar andere Faktoren und kommen zu dem Schluss, dass Ethan der beste Kandidat wäre, um Leben in der “habitablen” Epoche des Univerums hervorzubringen. 30,8 Millionen Jahre nach dem Urknall war Ethan, sofern vorhanden, flüssig, 90,7 Millionen Jahre nach dem Urknall war es damit wieder vorbei. Es gab also eine Phase von knapp 60 Millionen Jahren, in denen Leben auf Ethan-Basis überall im Kosmos habitable Bedingungen vorfand. Das ist schön zu wissen – aber doch sehr spekulativ, um es vorsichtig zu sagen. Die sehr kurze Arbeit von Lingam und Loeb macht nicht viel mehr, als zu berechnen, wann die diversen Stoff im frühen Universum flüssig sein konnten. Und ein paar Quellen zusammenzutragen, die darüber mutmaßen, dass Leben eventuell auch mit solchen anderen Stoffen funktionieren könnte und nicht nur mit Wasser. Was – wie schon gesagt – spannender Stoff zum Nachdenken ist. Aber solange wir keine konkreten Daten, Beobachtungen oder andere Hinweise haben die uns zeigen, dass es so ein alternatives Leben auch wirklich gibt, bleiben diese Gedanken zwangsläufig nur Science-Fiction. Bei Ethan wissen wir ja immerhin, dass es auf dem Saturnmond Titan in großen Mengen flüssig vorkommt. Dort gibt es Seen und Flüsse aus Methan und Ethan. Spuren von Leben hat man aber dort nicht entdeckt und solange wir keine Raumsonde dort hin schicken um das ausführlich zu erforschen, wird sich an diesem Befund nicht viel ändern.
Zu sagen, dass wir nicht viel über die Bedingungen im frühen Universum wissen, wäre übertrieben. Wir wissen eigentlich gar nichts; wir haben noch keinen einzigen Stern dieser ersten Generation entdeckt; wir haben keine Ahnung, ob und welche Planeten sich dort bilden konnten und was da sonst noch so abgegangen ist. Darüber zu spekulieren, auf welchen alternativen biochemischen Grundlagen damals Leben existieren hätte können, scheint ein wenig übertrieben. Ist es vermutlich auch. Aber es schadet auch nicht, wenn man sich Gedanken darüber macht. Wer weiß, zu welchen – wesentlich plausibleren Ideen – das noch führen wird.
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