Vor 66 Millionen Jahren schlug ein circa 10 Kilometer großer Asteroid auf der Erde ein. Diese Katastrophe verursachte ein globales Massensterben, dessen prominenteste Opfer die Dinosaurier waren. Das ist keine neue Erkenntnis. Sie ist aber auch nicht allzu alt: Erste belastbare Indizien auf den großen Einschlag fand man in den 1970er Jahren und der Krater, den der Asteroid hinterlassen hat, wurde erst Anfang der 1990er Jahre entdeckt. Jetzt haben Forscherinnen und Forscher quasi das letzte Puzzleteil gefunden und das Massensterben eindeutig mit der kosmischen Kollision verknüpft (“Globally distributed iridium layer preserved within the Chicxulub impact structure”).
Wir wissen, dass vor 66 Millionen irgendetwas dramatisches passiert sein muss, weil man überall auf der Welt die sogenannte “Kreide-Paläogen-Grenzschicht (K-P-Grenze)” finden kann. Zwischen zwei klar unterscheidbaren geologischen Gesteinsschichten sitzt die sogenannte “Iridium-Anomalie”. Das chemische Element Iridium ist selten auf der Erde, sein Anteil an der Erdkruste beträgt nur 0,0000007 Prozent. In der K-P-Grenze ist der Wert aber bis zu zehnmal höher. Der Grund dafür muss außerirdisch sein, denn im Gestein von Asteroiden ist die Konzentration von Iridium deutlich höher. Es muss also Material aus dem Weltall auf die Erde gelangt sein und zwar auf eine Weise, die die Iridiumkonzentration global erhöht hat. Die Hypothese: Ein sehr großes Objekt ist eingeschlagen, dabei komplett pulverisiert worden und durch die Wucht des Impakts hat sich dieses Material über die gesamte Erde verteilt. Die Hypothese wurde zu annähernder Gewissheit, als man Anfang der 1990er-Jahre vor der Küste von Mexiko einen Einschlagskrater fand, dessen Alter und Größe zu genau so einem Ereigenis passten.
Die Wissenschaft nimmt es aber natürlich sehr genau. Und die Geologie ist zwar eine exakte Wissenschaft, aber auch eine, die mit sehr langen Zeiträumen zu tun hat. Nur weil man einen Krater findet, der ungefähr 66 Millionen Jahre alt ist und vor ebenfalls ungefähr 66 Millionen Jahren ein Massensterben stattfand, heißt das nicht absolut zwingend, dass das eine die Ursache des anderen war. Zeitlich ist da noch genug Spielraum für Alternativen. So ein Massensterben dauert ja seine Zeit und geologische Schichten werden nicht tagesaktuell abgelagert (bzw. auf jeden Fall nicht so datiert).
Um die Lücke zwischen Massensterben und Einschlag zu schließen, fand 2016 eine internationale Expedition statt. Man führte Bohrungen im Krater durch, was gar nicht so einfach war, da das Ding zum größten Teil unter der Meeresoberfläche liegt. Am Ende erhielt man aber einen durchgehenden Bohrkern, der die Gesteinsschichten zeigte, die zwischen 505 und 1334 Meter unter dem Meeresboden lagen. Und auch im Krater fanden sie die Schicht mit der Iridium-Anomalie. Das war nicht selbstverständlich, denn wie man sich vorstellen kann, war da beim und nach dem Einschlag jede Menge los: Erdbeben, Tsunamis, und so weiter. Aber die Schicht war da und sie konnte nun untersucht werden. Das Resultat: Ein Teil des Iridiums war in “Mikrokrystiten” eingeschlossen, der Rest war Teil einer Schicht aus feinem Staub. Die Mikrokrystite sind – vereinfacht gesagt – kleine Kügelchen aus Gestein, das beim Einschlag geschmolzen, in die Luft geschleudert und wieder fest geworden zur Erde gefallen ist. Das geht relativ schnell; diese Schicht hat sich ein paar Stunden oder Tage nach dem Einschlag gebildet. Die feine Staubschicht hat länger gebraucht um sich bilden. Dieses Material wurde hoch hinauf geschleudert und blieb für lange Zeit in der Atmosphäre. Es hat sich in den hohen Schichten um die ganze Erde verteilt und hat bis zu 20 Jahre gebraucht, um wieder vollständig auf die Erde zurückzufallen.
Mit dem Nachweis des Iridiums im Gestein des Kraters lässt sich nun die globale Iridium-Anomalie direkt mit dem Einschlag verknüpfen und zeitlich datieren. Was man auch analysieren konnte, waren die (Mikro)Fossilien in den Gesteinsschichten. Schon wenige Tage und Wochen nach dem Einschlag haben Algen und Einzeller sich dort wieder aufgehalten. Vermutlich sind sie von den Tsunamiwellen dorthin gebracht worden, zusammen mit jeder Menge Nährstoffen, die das Wasser vom Land ins Meer gespült hat. Außerdem hat man die fossilen Spuren von Bakterien gefunden und im Gegensatz zu Algen und Einzellern in wesentlich größerer Artenvielfalt. Es muss sich um Organismen gehandelt haben, die auch mit wenig Licht ausgekommen sind, denn der Staub des Einschlags hat die Erde für Jahre verdunkelt. Ihre Energie haben sie vermutlich auch von heißen Quellen am Meeresboden bekommen, die ja auch heute noch beliebte Lebensräume für Mikroorganismen sind.
Das Leben – zumindest der Teil davon der nicht ausgestorben ist – hat sich also schnell an die neuen Verhältnisse angepasst. Und, zumindest auf geologischen Zeitskalen gemessen, auch wieder halbwegs schnell vom gewaltigen Einschlag erholt. Was für die, die es nicht geschafft haben, kein großer Trost sein mag. Für das Leben an sich aber sehr schon. Man muss sich schon sehr anstrengen, wenn man auch noch den letzten Mikroorganismus auf der Erde ausrotten will. Und solange es noch Lebewesen auf dem Planeten gibt, hält die Evolution alle Türen für die Zukunft offen.
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