Heute ist Yuri’s Night. Am 12. April 1961, also heute vor 60 Jahren, flog mit Yuri Gagarin der erste Mensch ins Weltall. Und heute vor 40 Jahren flog mit Columbia das erste Space-Shuttle in den Weltraum. Aber eigentlich ist der Flug von Yuri Gagarin das eigentlich historische Ereignis; meiner Meinung nach eines der wichtigsten historischen Ereignisse in der Geschichte der Menschheit. Auf jeden Fall aber ein Anlass, um über die Raumfahrt nachzudenken – was ich an diesem Tag immer wieder mal mache. Vor fünf Jahren habe ich darüber geschrieben, wie langsam wir bei unserem “Aufbruch” ins All sind. Und dass es durchaus auch schneller gehen könnte, wenn wir wollen. Dabei habe ich vor allem an politische und gesellschaftliche Entscheidungen gedacht und nicht an neue Technologie. Aber auch die wird in Zukunft eine Rolle spielen. Wir werden aber definitiv nicht so wie in den Science-Fiction-Filmen mit Überlichtgeschwindigkeit durch den Weltraum sausen. Das lassen die Naturgesetze nicht zu. Und auch der sogenannte “EmDrive” wird uns nicht dabei helfen, schneller ins All aufzubrechen.

Im August 2014 tauchten die ersten Berichte über ein “unmögliches” Antriebssystem auf, das von der NASA entwickelt worden sei. Es braucht keinen Treibstoff, sondern besteht – vereinfacht gesagt – aus einem geschlossenen Hohlraum, in dem Mikrowellen gefangen sind. Und während die Wellen im Hohlraum hin und her reflektiert werden, soll eine Antriebskraft entstehen. Das klingt unmöglich und das ist auch unmöglich. Zumindest würde es den bekannten Naturgesetzen fundamental widersprechen. Zum Beispiel der Impulserhaltung – und das wäre doch sehr überraschend. Aber auch sehr spektakulär, weswegen das Thema immer wieder in den Medien aufgetaucht ist. 2016 wurde dann sogar ein “offizieller” Fachartikel über das Experiment mit dem EmDrive veröffentlicht. Im Gegensatz zu dem was damals oft behauptet wurde, ist das natürlich kein Beweis dafür, dass das Ding tatsächlich funktioniert. Aber die nötige Grundlage, um das Konzept des antriebslosen Antriebs wissenschaftlich vernünftig zu prüfen.

Genau das haben Forscher:innen um Martin Tajmar von der TU Dresden getan und ihre Resultate kürzlich im Rahmen einer Konferenz veröffentlicht. Insgesamt sind es drei Artikel ([1], [2], [3]), in denen drei unterschiedliche Varianten der “unmöglichen” Antriebe untersucht worden sind. Das ist nicht so einfach, wie man denken möchte. Man kann nicht einfach so ein Ding zusammenschrauben, den Einschaltknopf drücken und schauen, ob es durch die Gegend saust oder nicht. Die Kräfte, die angeblich gemessen wurden, sind minimal. So klein, dass man sehr, sehr gut aufpassen muss, dass man bei den Messungen auch wirklich das misst, von dem man glaubt, dass es gemessen wird. Und nicht irgendwelche Störungen, was so gut wie immer die viel wahrscheinlichere Variante ist, denn Störungen gibt es immer.

Ursprüngliches Experiment zum EmDrive (Bild: gemeinfrei)

Ein kniffliger und potenziell sehr fehleranfälliger Versuchsaufbau auf der einen Seite und ein Resultat, das allen bekannten Naturgesetzen widerspricht auf der anderen… keine sehr vielversprechende Ausgangslage für revolutionäre Entdeckungen. Aber anschauen muss und kann man sich die Sache trotzdem; vor allem weil das hier mit vergleichsweise einfachen Methoden möglich ist. Man braucht keine gigantischen Teilchenbeschleuniger, keine Weltraumteleskope – sondern nur ein gut ausgestattetes Labor, Genauigkeit und kreative Experimente. In Dresden war das alles vorhanden. Man hat das Experiment dort zum Beispiel auf eine an unterschiedlichen Punkten aufhängbare “Messwaage” gestellt um möglichst viel Kontrolle über das zu haben, was passiert. Man muss etwa berücksichtigen, dass sich der EmDrive aufwärmt. Das führt dazu, dass sich die Materialien ausdehnen, mit denen er an den Messgeräten befestigt ist. Minimal, aber es findet statt und genau das muss man untersuchen. Tajmar und sein Team konnten nun zeigen, dass genau dieser Effekt dafür verantwortlich ist, ob man einen “Schub” misst oder nicht. Je nachdem, wie sie das Experiment befestigten, konnten sie die ursprünglichen Ergebnisse entweder reproduzieren oder aber die angebliche Schubkraft komplett zum Verschwinden bringen. Ein Resultat, dass sich ein paar Jahre vorher bei anderen Experimenten angedeutet hat

Auch bei den anderen angeblich revolutionären Antriebsvarianten zeigte sich: Wenn man wirklich sorgfältig experimentiert und alle möglichen Störquellen berücksichtigt, dann verschwinden alle Antriebskräfte. Das Fazit: Der unmögliche Antrieb ist tatsächlich unmöglich. Wir müssen uns – Überraschung! – weiterhin an die Naturgesetze halten, wenn wir den Weltraum bereisen wollen.

Kommentare (20)

  1. #1 Harald
    12. April 2021

    Ein geschichtsträchtiger Tag! Außerdem hat die gute Natalie Grams heute Geburtstag – sie wird 43, und das ist eine Primzahl!!! Zufall? Glaube ich nicht 😉

  2. #2 hwied
    12. April 2021

    Frage, wie kommen die Mikrowellen in den geschlossenen Hohlraum? Der Hohlraum sollte doch feldfrei sein.

  3. #3 Rob
    Oberland
    12. April 2021

    Das erinnert an die kalte Fusion, die in den Achzigern mal entdeckt wurde. Wobei der Hype damals noch wesentlich größer war.

  4. #4 Peter L
    12. April 2021
  5. #5 Adam
    Berlin
    12. April 2021

    @Rob

    Mwn verstösst die kalte Fusion aber nicht gegen elementare Prinzipien wie der EM-Drive. Nicht nur Temperatur und Druck spielen bei der Verschmelzung eine Rolle, sondern auch Quantentunneleffekte. Inwieweit das machbar ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt.

  6. #6 hwied
    12. April 2021

    Peter L,
    Danke für den Link. Der Artikel ist trotzdem ein guter Artikel , weil man sich generell Gedanken über einen Antrieb macht. Alle funktionieren ja mit Rückstoß, actio = reactio. Mir fällt einfach keine andere Antriebsart ein.

  7. #7 Joachim
    12. April 2021

    @hwied: “Mir fällt einfach keine andere Antriebsart ein.”

    Da könnte ich vielleicht aushelfen: Osmose (übersetzt: Antrieb). Ich schätze jedes Ungleichgewicht kann potentiell als Antrieb werden.

  8. #8 hwied
    12. April 2021

    Joachim,
    Genial, nur bei der Osmose kann ich die Richtung der Kraft nicht verändern.
    bei den Swing-by Manövern geht das, man braucht nur Energie für den Richtungswechsel.

  9. #9 Florian Freistetter
    12. April 2021

    @Rob: Kalte Fusion kann prinzipiell funktionieren. Hat sie auch schon. Nur nicht in dem Ausmaß, das nötig wäre wenn man sinnvoll Energie produzieren will: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2019/08/30/sternengeschichten-folge-353-kalte-fusion/

  10. #10 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    12. April 2021

    Bei der Abbildung musste ich sofort an
    https://de.wikibooks.org/wiki/Liederbuch/_Ein_Loch_ist_im_Eimer
    denken.

  11. #11 Folke Kelm
    Schweden, und schon wieder Schnee
    13. April 2021

    Nur zur Info wegen des Forschers, hier in Schweden sind Krankenschwestern, sjuksköterska (ihr könnt euch ja mal an der Aussprache versuchen) durchaus auch männlich! Ebenso wie die Kindergärtnerin, das dagisfröken (Kindergartenfräulein).
    Wenn meine kids vom Kindergarten gekommen sind und ich gefragt hab wer denn heute das fröken war konnte als Antwort durchaus der Name Daniel kommen

  12. #12 HelmutK
    13. April 2021

    Selbst wenn das EMDrive funktioniert hätte wäre es für die Raumfahrt mit einem Energie/Schubverh. von c völlig nutzlos. Vergleichbares kann jeder auch heute schon an jeder Ecke für ein paar Euro kaufen.

  13. #13 Captain E.
    13. April 2021

    Mich hat der EMDrive nie wirklich vom Hocker gehauen. An eine “neue Physik” habe ich niemals glauben können. Ein wie auch immer gearteter Schub hätte also auf den bekannten physikalischen Gesetzen beruht. Und da sah es doch eigentlich immer so aus: Man steckt eine ganze Menge Energie hinein, die man erst einmal in ein hypothetisches Raumfahrzeug hätte hinein quetschen müssen, und bekommt dafür einen minimalen Schub heraus. Was genau hätte man damit anstellen sollen?

  14. #14 Rob
    Oberland
    13. April 2021

    Bei der kalten Fusion ging es mir hauptsächlich um das zu-schön-um-wahr-zu-sein. Alle Probleme auf einmal lösen. Wie die Corona-Impfung, ab 15. Dezember sollten alle Impfzentren bereit sein und das Personal hat noch Überstunden geschoben um alles aufzubauen. in der Praxis sieht es dann eben doch anders aus.

  15. #15 Hmm...
    13. April 2021

    Hatte gar nicht gewusst, dass sich wirklich jemand mit dem Eimer beschäftigt, aber wie FF schon sagt: wenn man das nicht überprüfte, kämen wieder Leute an, die meinen, das Ding würde generell schlecht geredet werden und Wissenschaftler seien doof etc. pp. Mittlerweile sind solche Leute ja echt eine Seuche. Sorry, vielleicht sind das nicht die richtigen Worte, aber immer höflich nervt auch irgendwann.

  16. #16 René
    13. April 2021

    Kann man sowas nicht eigentlich sofort mathematisch ausschließen? Wenn die Impulserhaltung verletzt wäre, würde das Experiment doch an anderen Orten andere Ergebnisse liefern. Es wäre doch dann nach Noether nicht mehr kontinuierlich Raumsymetrisch. Da das für einen Antrieb aber keinen Sinn ergäbe, ist es doch schon mathematisch nicht möglich, dass der Antrieb funktioniert.

  17. #17 Till
    13. April 2021

    @Rene: genau deswegen hat ja auch niemand ernsthaft daran geglaubt.

    Immerhin war die Energieerhaltung nicht verletzt, da die Mikrowellen ja Energie benötigten.
    Soweit ich das verstanden habe, ging es hauptsächlich darum, dass man bei dem Antrieb – wenn er denn funktionierte – keine Reaktionsmasse benötigt hätte.

  18. #19 Cliff
    19. April 2021

    zum EM-Drive: Schade einerseits, aber war ja zu erwarten. Bin gespannt ob die Widerlegung auch so ein großes Medienecho auf diversen “Alternative-Fakten-Seiten” hervorruft wie die ursprüngliche Behauptung.

  19. […] Zunächst handelt es sich genauergesagt um einen ehemaligen NASA-Ingenieur, der diese Behauptung aufgestellt hat. Es ist Harold „Sonny“ White, der bereits in der Vergangenheit mit spektakulären, jedoch unbelegten Behauptungen von sich hat reden machen, die später widerlegt wurden. […]