Die Idee der “Panspermie” ist über 100 Jahre alt. Vereinfacht ausgedrückt besagt sie, dass das Leben aus dem Weltall auf die Erde gekommen ist. Es ist irgendwo anders im Universum entstanden, durch den Weltraum gereist und vor ein paar Milliarden Jahren auf unserem Planeten gelandet. Und damit sind KEINE intelligenten Aliens gemeint, die mit Raumschiffen durch die Galaxie fliegen. Es geht um mikrobiologisches Leben, um Bakterien oder andere Mikroorganismen. Die haben sich irgendwo auf einem anderen Planeten entwickelt. Dort sind Asteroiden eingeschlagen und haben Trümmer aus der Kruste dieses Planeten ins All hinaus geschleudert. Eingeschlossen im Gestein waren die Mikroorganismen und mit den Gesteinsbrocken sind sie durch den interstellaren Raum bis zur Erde gelangt. Dort sind sie eingeschlagen und die Alienbakterien haben sich zu dem weiterentwickelt, was wir heute an Leben auf der Erde sehen.
Das klingt nach Science Fiction. Ist aber nicht so weit hergeholt, wie es vielleicht aussehen mag. Was also spricht für die Panspermie?
- Asteroiden und andere Himmelskörper schlagen immer wieder auf Planeten ein. Das können wir ganz konkret beobachten; hier auf der Erde und bei anderen Planeten.
- Wir wissen, dass bei solchen Einschlägen Bruchstücke der Planeten ins All geschleudert werden. Diese Trümmer können auf anderen Planeten landen. Auch das wissen wir, weil wir genau solche Trümmer gefunden haben. Auf der Erde haben wir Stücke vom Mars gefunden, ebenso wie Stücke der Erde auf dem Mond.
- Wir wissen, dass Asteroiden und Kometen von anderen Sternensystems bis ins Sonnensystem gelangen können. Wir haben in den letzten Jahren zwei dieser interstellaren Asteroiden gefunden.
- Wir wissen, dass manche Mikroorganismen auf der Erde tief im Gestein leben können. Wir wissen, dass manche Mikroorganismen extreme Bedingungen aushalten und auch überleben können, wenn sie dem luftleeren, lebensfeindlichen Weltraum ausgesetzt sind. Wir wissen, dass sie auch die enormen Beschleunigungskräfte überleben können, die bei einem Einschlag auftreten.
Wir wissen also, dass die einzelnen Schritte der Panspermie prinzipiell möglich sind. Wir wissen nicht, ob sie auch tatsächlich alle hintereinander stattfinden, um so Leben von einem Planeten zum anderen übertragen können. Wie man herausfinden könnte, ob Panspermie stattgefunden hat oder nicht, haben sich kürzlich Claudio Grimaldi von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne und seine Kollegen angesehen (“Feasibility of Detecting Interstellar Panspermia in Astrophysical Environments”. Obwohl “herausfinden” hier eher theoretisch zu verstehen ist: Was man in dieser Arbeit getan hat, hat eher mit Statistik zu tun, als mit konkreten Beobachtungen.
Die Forscher haben sich überlegt, wie sich die Entwicklung von Leben rein statistisch äußern würde; je nachdem ob man davon ausgeht, dass es immer nur einzeln auf den jeweiligen Planeten entsteht oder ob es von einem Planeten auf andere übertragen wird. Dazu haben sie ein Konzept entwickelt, das sie “Lebenssphäre” genannt haben (und sie haben tatsächlich das deutsche Wort verwendet, was ein klein wenig beunruhigend klingt…). In Abhängigkeit der Verteilung der Geschwindigkeiten, die von einem Planeten ins All fliegende Bruchstücke haben und der Überlebensdauer von darin eventuell enthaltenen Mikroorganismen, haben sie einen Radius berechnet, in dem ein Planet sein Leben theoretisch exportieren kann. Nimmt man zum Beispiel an, dass ein Mikroorganismus 1 Million Jahre überleben kann, dann kommt man auf eine Lebenssphäre mit einem Durchmesser von 50 bis 100 Lichtjahren. So eine Sphäre um die Sonne herum würde ein paar hundert Sterne enthalten; also genug potenzielle Empfänger.
Dann folgt in der Arbeit noch jede Menge mehr Statistik, die ich aber nicht im Detail erklären will, sondern lieber auf diese Grafik verweise:
Das Diagramm zeigt eine Verteilung von Planeten auf denen Leben existiert mit ihren jeweiligen Lebenssphären. Links sieht man, wie es aussehen würde, wenn das Leben auf jedem Planeten unabhängig entsteht. Rechts die Verteilung von “belebten” Planeten im Fall von stattfindender Panspermie. Die mathematische Funktion g(r) neben der Verteilung ist ein Maß dafür, wie die Zentren der Lebenssphären verteilt sind bzw. zusammenhängen. Die Details sind jetzt nicht so wichtig, aber man sieht deutlich einen Unterschied (der sich eben auch mathematisch exakt ausdrücken lässt).
Was folgt jetzt daraus? Nicht viel, vorerst. Wir haben nirgendwo anders im Universum Leben gefunden, nur hier auf der Erde. Um eine statistische Analyse zur Prüfung der Panspermie-Hypothese durchführen zu können, bräuchten wir mindestens 20 bis 30 Planeten, auf denen Leben existiert. Ganz unnötig ist die Arbeit von Grimaldi und seinen Kollegen aber nicht. Am “einfachsten” wäre es ja, wenn wir außerirdisches Leben nicht nur entdecken, sondern auch im Labor analysieren könnten. Dann könnten wir uns die DNA anschauen und eine mögliche Verwandtschaft durch genetische Untersuchungen einwandfrei nachweisen (oder widerlegen). Das wird so schnell aber nicht passieren. Dazu müssten wir Mikroorganismen in Asteroiden oder Meteoriten finden; oder auf dem Mars. Das ist zwar nicht unmöglich, aber sehr unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist es, das wir irgendwann in der Zukunft indirekte Spuren von Leben auf den Planeten anderer Sterne finden. Zum Beispiel, wenn wir eindeutige Hinweise auf “Biomarker” entdecken; also den Einfluss, den Leben auf die Zusammensetzung der Atmosphäre eines Planeten hat, nachweisen können. Auch das wird nicht so einfach sein, aber mit den Teleskopen der nächsten Generation könnten wir das vielleicht schaffen. Dann wüssten wir, dass da irgendwo anders zumindest mikrobiologisches Leben existiert; könnten es aber nicht genetisch untersuchen. Das einzige was wir in Sachen Panspermie dann machen könnten, wäre eine statistische Analyse wie in der Arbeit von Grimaldi und seinen Kollegen vorgeschlagen.
Ob die Panspermie stattgefunden hat oder nicht, werden wir also so schnell nicht herausfinden. Dazu müssen wir vor allem auch die Mikroorganismen besser verstehen. Aus astronomischer Sicht ist die Sache recht klar; wir wissen, dass Planeten und Planetensysteme Material austauschen. Wir wissen aber nicht, wie lange Mikroorganismen wirklich überleben können. Bacillus Permians soll zwar 250 Millionen Jahre überleben können; die entsprechenden Forschungsergebnisse sind aber – vorsichtig ausgedrückt – umstritten. Vielleicht gibt es Mikroorganismen die die vergleichsweisen kurzen Zeiträume einer interplanetaren Reise überleben können; dann könnten wir irdisches Leben auf dem Mars entdecken (oder umgekehrt). Ob Leben aber auch interstellar (oder gar intergalaktisch?) Reisen überleben kann, ist eine ganz andere Frage…
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