Wir Menschen sind seit Jahrtausenden auf der Suche nach außerirdischen Lebewesen (darüber habe ich ja sehr ausführlich in meinem Buch “Eine Neuentdeckung des Himmels”* geschrieben). Die meiste Zeit über hatten wir aber keine Chance, etwaiges außerirdisches Leben auch zu entdecken. Jetzt sind wir das erste Mal in der Lage, diese Suche ernsthaft anzugehen. Zumindest wenn es um “Leben” ganz allgemein geht; also die Suche nach Bakterien, Mikroorganismen, Algen, Pflanzen oder anderen Arten von Zeug, das nicht auf der Erde existiert sondern anderswo. Mit den Teleskopen der nächsten Generation haben wir eine echte Chance, die Existenz dieser Art von Leben außerhalb der Erde aufzuspüren. Aber wenn in der Öffentlichkeit von außerirdischem Leben gesprochen wird, dann ist damit so gut wie immer “intelligentes Leben” gemeint. Und das ist eine ganz andere Geschichte.
Das Problem ist das, was wir nicht wissen. Wir haben keine Ahnung, warum das Leben auf der Erde intelligent geworden ist. Milliarden von Jahren gab es nur Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere. Erst vor kurzer Zeit sind ein paar dieser Tiere schlau genug geworden, um als “intelligent” bezeichnet zu werden. Warum das passiert ist, wissen wir nicht. Deswegen können wir auch nicht einmal ansatzweise abschätzen, wie häufig so ein Prozess anderswo vorkommt (vorausgesetzt anderswo gibt es überhaupt Leben, das intelligent werden kann). Wir können nicht einmal vernünftig definieren, was “Intelligenz” ausmacht. Und ob intelligentes Leben außerhalb der Erde dem intelligenten Leben auf der Erde auch nur irgendwie ähnlich sein würde. Deswegen können wir auch nur sehr eingeschränkt darüber nachdenken, wie sich die Anwesenheit von intelligenten Leben auf einem anderen Planeten äußern würde. Wir können eigentlich nur uns selbst nehmen, und von da an weiterdenken.
Wir Menschen etwa mögen keine Dunkelheit. Deswegen haben wir die Nacht immer schon durch künstliche Lichter erhellt. Zuerst durch Feuer, dann durch elektrische Beleuchtung. Heute kann man die Lichter der Menschheit sogar aus dem Weltall sehen. Und beim Blick in den dank dieser Lichtverschmutzung immer schlechter zu sehenden Nachthimmel können wir uns fragen: Leuchten auf einem anderen Planeten vielleicht auch irgendwelche künstlichen Lichter?
Diese Frage ist nicht neu; ich habe früher schon mal über die Suche nach außerirdischer Lichtverschmutzung geschrieben und über die “Technosignaturen” außerirdischer Lebewesen kann man stundenlang reden.
Jetzt haben sich Elisa Tabor von der Stanford University und Abraham Loeb aus Harvard diese Frage noch einmal ganz konkret gestellt (“Detectability of Artificial Lights from Proxima b”). Angenommen, der uns nächstgelegene Stern hat einen Planeten auf dem Leben existieren könnte. Angenommen, auf diesem Planeten existiert auch Leben. Angenommen, dieses Leben ist intelligent und erhellt die Nacht durch künstliche Lichter. Hätten wir dann eine Chance, das von der Erde aus zu detektieren?
Die erste Annahme können wir auf jeden Fall schon mal bestätigen. Der uns nächstgelegene Stern – Proxima Centauri – wird von einem Planet umkreist. Auf dem könnte theoretisch Leben existieren, ob das aber auch so ist, wissen wir nicht und es eher zweifelhaft. Aber tun wir mal so, als würden da intelligente Aliens in beleuchteten Städten wohnen: Könnten wir das sehen?
Natürlich nicht direkt. Wir können auch mit den besten Teleskopen kein BILD des Planeten machen. Was wir machen können: Messen, wie viel Licht von Proxima Centauri der Planet reflektiert. Diese Menge können wir in gewissen Grenzen vorhersagen und wenn diese Vorhersagen nicht mit den Messungen übereinstimmen, könnte eine Ursache dafür das zusätzliche künstliche Licht der potenziellen Aliens sein. Tabor und Loeb haben untersucht, wie gut das demnächst ins All fliegende James Webb Space Telescope (JWST) diesen Effekt beobachten könnte. Das Ergebnis: Wenn dort die gleiche Art von LEDs verwendet werden wie bei uns, dann müsste die nächtliche Beleuchtung bei Proxima Centauri 500 mal stärker sein als bei uns, um eine Chance auf einen Nachweis zu haben. Wenn die Beleuchtungsstärke vergleichbar mit der auf der Erde ist, dann muss das Alien-Licht über einen dramatisch viel engeren Frequenzbereich verteilt sein als bei uns, damit wir die Chance auf eine Entdeckung haben.
Nun ja. Wie so oft bei dieser Art der Forschung kann man zuerst einmal festhalten, dass es gut ist, dass wir das jetzt wissen. Aber man muss sich bewusst sein, was daraus folgt und was nicht. Das JWST könnte die Lichter außerirdischen Lebens nachweisen. Unter sehr speziellen Bedingungen und vor allem nur dann, wenn da künstliches Licht ist, das man nachweisen kann. Und das hängt von sehr vielen Unbekannten ab. Der Planet von Proxima Centauri muss lebensfreundlich sein. Es muss sich dort Leben entwickelt haben. Dieses Leben muss intelligent geworden sein. Das intelligente Leben muss in der Lage sein, künstliches Licht zu erzeugen und es muss dieses Licht dann auch tatsächlich verwenden.
Das sind viele Konjunktive; vor allem der letzte ist interessant. Wir haben im Laufe der Evolution Augen entwickelt die sichtbares Sonnenlicht wahrnehmen können und damit ebenso dessen Abwesenheit in der Nacht. Das ist durchaus sinnvoll. Aber wer weiß, wie die Evolution anderswo läuft. Proxima Centauri ist ein roter Zwerg, der viel schwächer und in anderen Farben leuchtet als die Sonne. Der Planet hat – wenn überhaupt – vielleicht eine Atmosphäre, die ganz anders ist als die der Erde und andere Wellenlänge des Lichts blockiert oder durchlässt. Die Evolution hat vielleicht ganz anderes Leben hervorgebracht. Vielleicht ist es Leben, das gar keinen Sinn für elektromagnetische Wellenlängen im sichtbaren Licht hat. Oder vielleicht gar nichts, was einem Sehsinn nahekommt. Vielleicht verlässt man sich dort auf Schallwellen oder irgendwas ganz anderes. Dann gibt es auch keinen Grund für künstliche Lichter in der Nacht. Wir wissen es eben schlicht und einfach nicht. Und daran wird sich vermutlich so schnell auch nichts ändern.
Kommentare (61)