Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 459: Ist das Universum ein schwarzes Loch?
Leben wir in einem schwarzen Loch? Doofe Frage, könnte man meinen. Aber tatsächlich ist das eine Frage, die sehr oft gestellt wird. Es ist eine Frage, mit der sich auch die Wissenschaft beschäftigt. Es ist also auch eine Frage für die Sternengeschichten! Wir müssen aber zuerst einmal klären, was wir meinen, wenn wir fragen, ob das Universum ein schwarzes Loch ist.
Nehmen wir die Sache zuerst einmal wörtlich. Und fangen wir noch einmal kurz mit den schwarzen Löchern an. Darüber habe ich in den Folge 40 und 41 in der Sternengeschichten schon ausführlich gesprochen. Ganz simpel und in so wenig Worten wie möglich ist ein schwarzes Loch eine Region in der Raumzeit, in der ausreichend viel Masse auf ausreichend kleinem Raum konzentriert ist. So ausreichend, dass die Krümmung der Raumzeit so stark wird, dass nichts mehr aus dieser Region rauskommt. Um den Einflussbereich einer Masse zu verlassen, muss man ausreichend schnell sein. Je stärker die Raumkrümmung, desto größer die Gravitationskraft, desto schneller muss man sein. Und wenn die Raumkrümmung stark genug ist, wird diese Fluchtgeschwindigkeit irgendwann größer als die Lichtgeschwindigkeit. Nichts kann schneller als das Licht sein, also kommt aus so einer Region auch nichts mehr raus. Eine wichtige Größe die man hier kennen muss, ist der “Ereignishorizont”. Das ist genau das Ausmaß der Region mit ausreichend starker Raumkrümmung. Was ein schwarzes Loch “wirklich” ist, interessiert uns vorerst nicht. Masse wird konzentriert, und irgendwann ist es dadurch möglich, dieser Masse so nahe zu kommen, dass man eine Gravitationskraft spürt, die einen nicht mehr entkommen lässt. Der Abstand zur Masse, bei dem das der Fall ist, ist der Ereignishorizont.
Die Details des Ereignishorizonts sind kompliziert; in erster Näherung kann man aber sagen, dass er nur von der Masse des schwarzen Lochs abhängt. Und von der Gravitationskonstante und dem Wert der Lichtgeschwindigkeit. Als Näherungsformel kann man annehmen, dass der Ereignishorizont gleich der Masse, multipliziert mit 1,485 mal 10 hoch minus 27 Meter pro Kilogramm ist. Setzt man die Masse der Sonne – 2 mal 10 hoch 30 Kilogramm ein, kommt man auf einen Wert von 2970 Meter. Das bedeutet, dass man die Masse der Sonne in eine Kugel mit einem Radius von 2970 Meter quetschen muss, damit ein schwarzes Loch entsteht.
Jetzt machen wir mal etwas anderes. Wir nehmen die geschätzte Masse des beobachtbaren Universums. Und berechnen, wie groß der Ereignishorizont hier wäre. Tut man das, dann kommt man auf ein Ergebnis, das ungefähr dem “Hubble-Radius” entspricht. Wir wissen ja, dass sich das Universum ausdehnt. Darüber habe ich ja erst in der letzten Folge gesprochen. Alle fernen Galaxien die wir beobachten, entfernen sich von uns. Und zwar um so schneller, je weiter sie entfernt sind. Das ist keine ECHTE Bewegung der Galaxien DURCH den Raum. Sondern etwas, was wir als sich bewegende Galaxien wahrnehmen, weil der Raum ZWISCHEN den Galaxien immer größer wird. Irgendwo, weit, weit, weit entfernt wird es also Galaxien geben, die sich so schnell von uns entfernen, dass das Licht es nicht mehr schafft, uns zu erreichen. Der Raum entfernt sich genau so schnell in die eine Richtung, wie sich das Licht in die andere Richtung ausbreitet. Oder anders gesagt: Die Galaxie entfernt sich mit Lichtgeschwindigkeit von uns. Nochmal: Die Galaxie bewegt sich nicht mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum. Das verbieten die Naturgesetze. Zwischen uns und dieser fernen Galaxien wird der Raum einfach so schnell so viel größer, dass wir eine Bewegung mit dieser Geschwindigkeit beobachten. Jemand an einem anderen Beobachtungsort, zum Beispiel zwischen uns und dieser fernen Galaxie, würde NICHT sehen, wie sich die Galaxie mit Lichtgeschwindigkeit entfernt. Dieser Beobachter ist ja näher dran; es ist weniger Raum dazwischen und deswegen läuft die Expansion von dieser Warte aus langsamer ab. Das ist verwirrend, man muss ein wenig darüber nachdenken bis man es verstanden hat. Aber darum geht es eigentlich auch gar nicht in dieser Folge. Es geht darum, dass wir eine Entfernung definieren können, in der sich Objekte von uns aus gesehen mit Lichtgeschwindigkeit zu entfernen scheinen. Diese Entfernung nennen wir den “Hubble-Radius” und man kann sie als den Radius des Universums betrachten. Es gibt gute Gründe, das NICHT zu tun. Wir wissen, dass das gesamte Universum viel größer ist als der Hubble-Radius. Sein muss, weil der Hubble-Radius ja vom Beobachtungsstandpunkt abhängt. Andere Beobachter anderswo im Universum würden den gleichen Wert für den Hubble-Radius berechnen, ihre “Hubble-Sphäre”, also das, was innerhalb des Hubble-Radius liegt, würde aber einen ganz anderen Bereich umfassen als unsere.
Das, worauf es ankommt, ist folgendes: Die Masse des Universums, die innerhalb seines Hubble-Radius liegt, ist mehr oder weniger so groß wie die Masse, die ein schwarzes Loch mit gleichem Radius haben müsste. Folgt daraus als, dass das Universum ein schwarzes Loch ist? Nein! Das hat mehrere Gründe. Zuerst der komplizierte Grund: Der Ereignishorizont eines schwarzen Lochs ist kein fixes Ding; kein physikalisches Objekt. Da ist nicht wirklich _irgendwas_ im All, auf das man stößt, mit dem man zusammenprallt, oder so. Würde man sich auf ein schwarzes Loch zubewegen, würde man nicht merken, dass da ein Ereignishorizont ist. Den sieht man nur von außen, wenn man sich nicht bewegt. Das ganze kann man verstehen, wenn man die mathematischen Gleichung der Allgemeinen Relativitätstheorie betrachtet. Was wir jetzt aber nicht tun wollen. Es geht nur darum, dass die Lage des Ereignishorizonts eines schwarzen Lochs von der Position und Geschwindigkeit des Beobachters abhängt. Man kann also nicht einfach sagen: Aus der Menge an Masse im Universum errechnet sich ein Ereignishorizont von X und der ist so groß wie der Hubble-Radius, deswegen ist das Universum ein schwarzes Loch. So einfach ist das mit dem Ereignishorizont nicht. Vor allem, weil die Masse im Universum extrem gleichmäßig verteilt ist. Das wäre in einem schwarzen Loch NICHT der Fall. Hier muss die Masse extrem stark konzentriert sein; ohne Leerräume dazwischen. Sonst kriegt man die nötige Raumkrümmung nicht zustande, die ein schwarzes Loch ausmacht.
Also: Das Universum sieht nicht wie ein schwarzes Loch aus. Aber was ist mit der Rechnung? Es kann doch kein Zufall sein, dass der Hubble-Radius dem Ereignishorizont eines schwarzen Lochs mit gleicher Masse so ähnlich ist? Ist es auch nicht. Ich will auch hier nicht in die mathematischen Details gehen. Aber sowohl der Berechnung des Ereignishorizonts als auch der Berechnung der Massendichte im Universum liegen die selben Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie zugrunde. In beiden Formeln muss man grundlegende Naturkonstanten wie die Gravitationskonstante oder die Lichtgeschwindigkeit miteinander verknüpfen und das kann man nicht auf beliebig viele Arten tun. Will man aus diesen Konstanten und einer Masse, eine Längenskala bestimmen, hat man eigentlich nur eine Wahl und die führt dann eben in beiden Rechnungen auf das annähernd gleiche Ergebnis.
Das Universum ist kein schwarzes Loch; was man ja auch daran merkt, dass es _expandiert_. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Masse in einem echten schwarzen Loch machen würde; da würde alles auf das Zentrum zu fallen. Und – wie ich in der letzten Folge sehr ausführlich erklärt habe – ein Zentrum hat das Universum ja auch nicht.
Das Universum in dem wir leben, ist großartig und faszinierend. Das gilt auch für schwarze Löcher. Dass wir IN einem schwarzen Loch leben, ist aber trotzdem enorm unwahrscheinlich. Wenn, dann sollten wir uns in dem Zusammenhang den Urknall anschauen. Vielleicht war der Urknall ein schwarzes Loch? Aber das ist eine ganz andere Geschichte, mit der wir uns ein anderes Mal beschäftigen müssen.
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