Im letzen Monat habe ich ja noch gehofft, dass ich im Oktober erstens mehr Zeit haben werde um die Buchempfehlungen zu schreiben und zweitens mehr Zeit gehabt habe, um mehr Bücher zu lesen, die ich vorstellen kann. Nun – beide Hoffnungen haben sich als falsch herausgestellt. Deswegen gibt es auch diesmal nur kurze Besprechungen von nur drei Bücher. Kann man nix machen.
Wie man einen Stern baut
Das Buch “The Star Builders: Nuclear Fusion and the Race to Power the Planet” von Arthur Turrell war schon längst überfällig. Das Thema “Kernfusion” ist zwar höchst präsent, vor allem im Kontext der Klimakrise. Aber abgesehen von dem Buch “Sun in a Bottle: The Strange History of Fusion and the Science of Wishful Thinking” von Charles Seife (das ich hier schon mal besprochen habe) gab es kein wirklich brauchbares allgemeinverständliches Werk zum Thema. Das Buch von Seife ist immer noch großartig; vor allem was die historische Entwicklung angeht. Aber die Wissenschaft schreitet voran und es gibt viel neues über die Kernfusion zu erzählen. Turrell bringt in seinem neuen Werk zwar auch ein wenig historische Geschichten, hält sich damit aber nicht allzu lange auf. Sein Fokus liegt auf der Gegenwart und der Zukunft und dort vor allem auf der Realisierung der Kernfusion als Energiequelle für uns.
Man erfährt auch in seinem Buch, wie die Fusion theoretisch funktioniert und wie man probiert sie praktisch nutzbar zu machen. Aber wo sich die üblichen Darstellungen nur auf Großprojekte wie JET oder ITER konzentrieren, geht Turrell sehr viel diverser vor. Er interessiert sich auch für die vielen privaten Firmen, die in den letzten Jahren gegründet worden sind und wo man mit mehr oder weniger unkonventionellen Methoden probiert, die wirtschaftlich sinnvolle Fusion schneller zu realisieren als es die staatlichen Großforschungsprojekte tun. Turrell kontrastiert die beiden Ansätze sehr gut; vor allem, weil er überall selbst vor Ort war. Das Buch ist eigentlich eine lange Reportage: Turrell besucht das NIF in den USA, wo man mit gigantischen Lasern die Kernfusion schaffen will; er reist zum JET-Reaktor nach England, der immer noch den Rekord für die Anlange hält, die am meisten Energie aus der Fusion rausgeholt hat. Und er geht zu all den kleinen Firmen und spricht mit den Leuten dort über ihre Visionen.
Das Buch liest sich flott, die Wissenschaft ist gut erklärt und die Reportagen machen alles sehr anschaulich. Zwei Dinge haben mich ein wenig gestört: Turrell nennt die Forscherinnen und Forscher, die an der Kernfusion arbeiten konsequent “Star Builder” und ihre Projekte die “Star Maschines”. Das ist zwar nachvollziehbar, wirkt aber auch ein wenig aufgesetzt (stört jetzt aber auch nicht so enorm). Und zweitens ist das alles ein wenig zu optimistisch und unkritisch für meinen Geschmack. Turrell, der früher selbst als Wissenschaftler an der Fusion geforscht hat, ist natürlich überzeugt, dass das die Energiequelle der Zukunft ist. Was die Fusion ja auch durchaus sein kann – aber so geradlinig wie es im Buch oft durchklingt, ist der Weg zum Erfolg vermutlich eher nicht.
So oder so: Wer sich über die aktuellen Fortschritte bei der Fusion informieren will, sollte dieses Buch auf jeden Fall lesen!
Wörterbuch statt Reiseführer
Das Buch “Around the World in 80 Words: A Journey Through the English Language” von Paul Anthony Jones ist absolut großartig; zumindest für alle, die sich gerne mit Sprache und Geografie beschäftigen. Jones hat sich ein wunderbares Konzept ausgedacht, um über Entwicklung der englischen Sprache zu schreiben: Er hat sich 80 Wörter ausgesucht, die ihren Ursprung in geografischen Bezeichnungen rund um die Welt haben. Und fördert dabei überraschende Geschichten zutage. Das simple Wort “turkey” (Truthahn) hat zum Beispiel sehr viel weniger mit der Türkei zu tun, als man denkt. Oder “Cardigan”, was ja auch in deutsch als Bezeichnung für eine Strickjacke verwendet wird. Die Geschichte dieses Wortes führt Jones zur berühmten Attacke der leichten Brigade im Krimkrieg und . Jones reist (virtuell) um die ganze Welt und am Ende hat man nicht nur sehr viel über die Sprache gelernt, sondern auch über die Geschichte Großbritanniens und der Welt. Hervorragend!
Klimawissenschaftsfiktion
“Fifty Degrees Below” von Kim Stanley Robinson ist der zweite Teil der “Science in the capital”-Reihe (von deren ersten Band ich schon letzten Monat berichtet habe). Ohne den ersten Teil gelesen zu haben macht die Lektüre von Teil 2 wenig Sinn. Aber es geht auf jeden Fall so weiter, wie es angefangen hat. Wieder steht die Wissenschaft im Mittelpunkt, repräsentiert von Anna und Frank, die beide für die National Science Foundation arbeiten, die große Wissenschaftsförderungsorganisation der USA. Das klingt eher dröge, ist es aber nicht. Robinson hat sich dem Thema der Klimakrise auf eine sehr ungewöhnliche Weise genähert und erzählt sie aus Sicht der Forschung und der Menschen, die in der Forschung arbeiten. Es ist eine völlig andere Art der “Hard Science Fiction”, aber eine, von der ich gern mehr lesen würde.
Und das wars auch wieder schon. Beziehungsweise: Das muss es gewesen sein, denn mir fehlt leider immer noch die Zeit, um mehr zu lesen oder mehr über das Gelesene zu schreiben. Aber vielleicht wollt ihr ja da weitermachen, wo mir die Zeit fehlt, und im Kommentarbereich ein bisschen über eure eigene Lektüre des letzten Monats berichten. Ich würde mich freuen!
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