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Sternengeschichten Folge 491: Das Steady-State-Universum
Vor 13,8 Milliarden Jahren gab es den Urknall. Was in diesem Moment genau abgelaufen ist und vor allem warum: Das wissen wir nicht. Dafür aber ziemlich gut, was alles nach dem Urknall passiert ist, wie ich ja schon in Folge 99 erklärt habe. Das Universum dehnt sich seitdem aus; es expandiert. Wie das alles im Detail abläuft wird durch das sogenannte “Lambda-CDM-Modell” beschrieben, das kosmologische Modell mit wir heute erklären, wie sich unser Universum entwickelt hat und entwickeln wird. Dieses Modell passt sehr gut zu dem, was wir auch tatsächlich beobachten. Aber darum soll es heute nicht gehen, sondern um ein anderes kosmologisches Modell und zwar die “Steady-State-Theorie”.
Dazu gehen wir zurück in die 1940er Jahre. Die Kosmologie als exakte Naturwissenschaft gab es damals noch nicht; zumindest nicht in heutiger Form. Damals hatte man noch kaum konkrete Beobachtungsdaten mit denen man arbeiten konnte und auch keine Möglichkeit sie zu kriegen. Über Satelliten, Weltraumteleskope und so hatte man zwar schon nachgedacht, aber die einzigen Raketen die damals in die Luft geflogen sind waren Waffen im zweiten Weltkrieg. Der erste Satellit sollte erst 1957 ins All fliegen und auch dann war es noch ein weiter Weg bis zu brauchbaren kosmologischen Daten. Aber dazu kommen wir noch; bleiben wir vorerst in den 1940er Jahren.
Was man damals hatte waren vor allem zwei Dinge: Die Relativitätstheorie von Albert Einstein und die Beobachtungen von Edwin Hubble und seinen Kollegen. Hubble beobachtete ab den 1920er Jahren andere Galaxien und hat dabei festgestellt, dass sie sich alle von uns entfernen. Und Einstein hat in seiner allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben, wie sich das Universum als ganzes verhält und dabei entdeckt, dass es sich ausdehnen muss. Aus beiden Phänomenen kann man eine Schlussfolgerung ziehen: Wenn die Galaxien sich alle von uns entfernen, dann müssen sie früher näher bei uns gewesen sein. Und noch früher noch näher. Und irgendwann müssen alle Galaxien quasi am gleichen Ort gewesen sein. Und wenn die Relativitätstheorie ebenfalls vorhersagt, dass sich das Universum ausdehnt, dann kann daraus eigentlich nur folgen, dass es in der Vergangenheit einen Zeitpunkt gegegen hat, in dem unser gesamter Kosmos in einem einzigen Punkt konzentriert war, von dem aus es dann begonnen hat zu expandieren. Oder anders gesagt: Unser Universum hat einen Anfang in der Zeit. Es hat NICHT immer schon existiert, ohne Anfang, wie man vor Hubble und Einstein gedacht hat.
Als diese Theorie eines expandierenden Universums mit Anfang das erste Mal geäußert wurde, waren viele nicht sonderlich glücklich damit. Den meisten Forscherinnen und Forschern erschien ein statisches Universum ohne Anfang und ohne Ende irgendwie eleganter. Und vor allem: Wenn das Universum einen Anfang hat, quasi einen “Schöpfungsmoment”, dann rückt die Wissenschaft irgendwie ja auch wieder in die Nähe der Religion. Aber in dieser Folge soll es auch nicht um Wissenschaft gegen Religion gehen. Die Sache ist viel komplexer und diejenigen, die das Urknallmodell abgelehnt haben, haben das durchaus auch aus wissenschaftlichen Gründen getan und nicht nur wegen religiöser Assoziationen.
Womit wir jetzt bei Fred Hoyle sind. Von diesem britischen Astronom habe ich ja in Folge 22 schon ein bisschen mehr erzählt. Er war einer der bedeutensten Astronomen des 20. Jahrhunderts, wenn nicht sogar DER bedeutendste Astronom. Er hat jede Menge wichtige Dinge herausgefunden, unter anderem wie im Inneren der Sterne durch kernphysikalische Prozesse die chemischen Elemente entstehen. Er hat aber auch jede Menge kontroverse Theorien aufgestellt und einige, die man kaum anders als kompletten Quatsch bezeichnen kann. Wir bleiben aber bei denen die kontrovers sind, aber immerhin noch wissenschaftlich.
1948 sind in der Fachzeitschrift “Monthly Notices of the Royal Astronomical Society” zwei Artikel erschienen. Einer von Fred Hoyle und einer von Hermann Bondi und Thomas Gold. Alle drei waren Kollegen und haben gemeinsam an dem gearbeitet, was sie da vorgestellt haben. Der Titel von Hoyles Aufsatz war “A new model of the expanding univers” und der von Bondi und Gold hieß “The Steady-State Theory of the Expanding Universe”. Es ging also um eine neue Theorie mit der man ein expandierendes Universum beschreiben kann und zwar die “Steady State”-Theorie. Das wird oft mal verwechselt: Hoyle, Bondi und Gold ging es nicht darum, das alte statische Modell des Universums wiederzubeleben in dem es keine Expansion gibt. Dafür waren auch in den 1940er Jahren die Beobachtungsdaten schon gut genug. Das Universum expandiert; die Galaxien bewegen sich voneinander fort; daran konnte man vernünftigerweise nicht mehr zweifeln. Die drei Astronomen wollten ein Universum beschreiben, dass expandiert, sich dabei aber – vereinfacht gesagt – trotzdem nicht verändert. Das klingt ein wenig komisch; noch komischer ist es, wenn man berücksichtigt, dass sie die Idee davon aus dem Horrorfilm “Dead of Night” aus dem Jahr 1945 hatten. Darin geht es um einen Architekten, der zu einem gruseligen Haus auf dem Land fährt, dort jede Menge grusliges Zeug erlebt das er zuvor schon in seinem Alpträumen erlebt hat und alles endet damit, dass er aufwacht, weils doch nur ein Traum war und seine Frau ihm vorschlägt, zur Erholung ein Wochenende auf dem Land zu verbringen und am Ende des Films fährt der Architekt dann zu einem Haus auf dem Land, womit man gleichzeitig auch wieder am Anfang angelangt ist.
“Dead of Night” gilt als Horrorfilm-Klassiker, mit Kosmologie hat er aber nix zu tun. Aber die zirkuläre Handlung, ohne Anfang und Ende hat Thomas Gold, und mit ihm Bondi und Hoyle dazu inspiriert über ein Universum nachzudenken, dass zwar expandiert, aber trotzdem keinen Anfang und kein Ende hat.
Das Resultat war die Steady-State-Theorie. In ihr wird das Universum im Laufe der Zeit immer größer und größer. Aber egal zu welchem Zeitpunkt man es betrachtet, es schaut trotzdem immer gleich aus. Galaxien bewegen sich zwar voneinander fort. Aber ZWISCHEN den Galaxien entsteht ständig neue Materie aus der dann neue Sterne und neue Galaxien entstehen. Das heißt die Abstände zwischen Galaxien bleiben mehr oder weniger immer gleich. Das Universum erscheint immer gleich. Es expandiert, aber es hatte keinen Anfang und kein Ende und zu jedem Zeitpunkt erscheint es so wie zu jedem anderen Zeitpunkt.
Der Hauptunterschied zum Urknall-Modell ist die Art und Weise wie die Materie entsteht. Beim Urknall-Modell ist sämtliche Materie des Kosmos direkt zu beginn entstanden und seitdem dehnt sich das Universum aus und die Materie verdünnt sich quasi immer weiter. Wenn man lange genug wartet, dann erscheint es unterschiedlich; in fernster Zukunft würden wir hier von der Erde (die es dann schon längst nicht mehr gibt) keine anderen Galaxien mehr am Himmel sehen, weil sie sich alle so weit von uns entfernt haben. Im Steady-State-Modell entsteht Materie ständig und überall im Universum. Und auch in ferner Zukunft würden wir einen Himmel voll Galaxien beobachten, weil neue entstanden sind und den Platz derjenigen eingenommen haben die sich entfernt haben.
Aus damaliger Sicht war das jetzt keine völlig blöde Idee. Wenn man behaupten kann, dass Materie beim Urknall aus dem Nichts entstehen kann, dann kann man auch behaupten, dass sie nach dem Urknall aus dem Nichts entstehen kann. Gut, es wäre vielleicht eleganter, wenn man nur EIN Ereignis braucht, bei dem die ganze Materie entsteht und nicht viele “Mini-Urknälle” die ständig überall stattfinden. Aber das ist Ansichtssache. Aus damaliger Sicht war das Steady-State-Modell eine durchaus seriöse Alternative zum Urknallmodell. Das hat sich dann aber sehr bald geändert.
In den 1950er und 1960er Jahren hat die Radioastronomie so richtig Fahrt aufgenommen und man hat die “Quasare” entdeckt. Das sind die aktiven Zentren weit entfernter Galaxien und eben WEIT ENTFERNTER Galaxien. Wir wissen heute, warum das so ist; das hat mit der Entwicklungsgeschichte von Galaxien zu tun und aus deren Zentralregion kommt nur dann enorm viel Radiostrahlung, wenn sie noch sehr jung sind. Alte Galaxien wie unsere Milchstraße tun das nicht mehr. Und in der Astronomie schaut man ja immer in die Vergangenheit, wenn man in die Ferne schaut. Das Licht der fernen Galaxien braucht Milliarden Jahre bis zu uns und wir sehen sie so, wie sie waren, als sie noch jung waren. Es ist also nicht überraschend, dass wir Quasare nur weit entfernt sehen aber nicht in unserer Nähe. Es ist aber SEHR überraschend, wenn man von einem Steady-State-Universum ausgeht. Denn das sagt ja, dass das Universum früher genau so ausgesehen haben muss wie heute. Und dass man Quasare auch in unserer Nähe sehen sollte. Dann kam das Jahr 1964 und der Nachweis der kosmischen Hintergrundstrahlung. Die kann man eigentlich nur mit dem Urknallmodell erklären. Als das Universum jung und klein war, war es auch sehr heiß und dicht; so dicht, dass das Licht sich nicht ausbreiten konnte. Erst als das Universum sich ausreichend weit ausgedehnt hat und kühl geworden ist war, vereinfacht gesagt, Platz für das Licht um sich in alle Richtungen ausbreiten zu können. Dass man auch heute noch diese Strahlung beobachten können sollte war eine Vorhersage der Urknalltheorie die 1964 bestätigt worden ist. Und von dem Zeitpunkt an war sich die Wissenschaft im Wesentlich einig, dass man die Steady-State-Theorie verwerfen kann.
Sie ist nicht geeignet, die Beobachtungsdaten zu beschreiben und mittlerweile sind jede Menge andere Daten dazu gekommen die alle das Urknallmodell bestätigen aber nicht zum Steady-State-Modell passen. Hoyle und seine Kollegen haben zwar immer wieder probiert ihr Modell anzupassen, aber jedesmal wenn es neue kosmologischen Daten gab, hat es wieder nicht gepasst. Trotzdem hat Hoyle bis zu seinem Tod nicht aufgehört daran zu arbeiten und war davon überzeugt, dass er recht hat. Tja. Aber immerhin kann er sich damit trösten, dass er verantwortlich für das Wort “Urknall” ist. In einer BBC-Radiosendung hat er von seiner Theorie erzählt und um die Konkurrenztheorie des Universums mit Anfang lächerlich zu machen, hat er sie als “Big Bang” bezeichnet. Und deswegen gibt es die “Big Bang Theory”, das Urknallmodell der Kosmologie.
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