Jetzt ist der Mai zu Ende und keiner weiß, wo diese 31 Tage hin verschwunden sind. In meiner Erinnerung lag vor ein paar Tagen noch Schnee… Naja, da kann man nix machen, außer das, was ich immer am Monatsende tue. Nämlich über die Bücher zu schreiben, die ich gelesen habe.

Autokorrektur

Falls ihr das Buch “Autokorrektur – Mobilität für eine lebenswerte Welt” von Katja Diehl noch nicht gelesen habt, dann tut das bitte sofort. Oder später. Aber lest es. Ihr müsst auch keine Sorge haben, dass ihr dort in einer Tour angegangen werdet, falls ihr ein Auto besitzen solltest. Es ist definitiv kein “Autohasser”-Buch. Aber Diehl legt sehr klar und deutlich und wissenschaftlich begründet dar, warum die Welt in der wir leben nicht so lebenswert ist, wie sie sein könnte. Und der Grund dafür ist die Tatsache, dass wir diese Welt in den letzten Jahrzehnten für die Bedürfnisse von Autos eingerichtet haben anstatt uns an dem zu orientieren, was uns Menschen gut tun würde.

Diehl legt ihr Buch rund um eine Frage an, die man sich selbst gerne einmal stellen kann: “Willst du Auto fahren? Oder musst du Auto fahren?”. Und sehr viele der Menschen, denen sie diese Frage gestellt hat, kommen erst bei der Suche nach einer Antwort darauf, dass sie vor allem deswegen ein Auto besitzen und fahren, weil sie es müssen und gerne darauf verzichten würden, wenn sie denn könnten. Genau das ist das zentrale Problem bei der “Autokorrektur”: Die Welt ist so eingerichtet, dass sie uns regelrecht zwingt, mit dem Auto zu fahren. Wir haben das so verinnerlicht, dass wir es gar nicht merken. Und nichts daran finden, wenn so viel Raum in unseren Städten den Autos gehört; Raum, den man sehr viel sinnvoller nutzen könnte. Wir finden nichts daran, dass Kinder nicht mehr unbeaufsichtigt draußen sein können, weil sie Gefahr laufen, von einem Auto überfahren zu werden. Wir finden nichts daran, Wege mit dem Auto zurück zu legen, die eigentlich nicht mit dem Auto zurück gelegt werden müssen. Und wir finden auch nichts daran, dass Menschen große Probleme kriegen, wenn sie aus irgendeinem Grund nicht mehr an der Automobilität teilhaben kann. Zumindest finden wir so lange nichts daran, bis wir selbst davon betroffen sind. Wenn wir alt werden zum Beispiel, nicht mehr autofahren können und dann zuhause festsitzen. Oder uns das Auto nicht mehr leisten können und die Öffis schon gar nicht (sofern sie vorhanden sind). Diehl stellt all diese Probleme sehr klar dar und liefert gleichzeitig auch Lösungsvorschläge und Visionen für Mobilität in einer Welt, die für Menschen eingerichtet ist. Nicht in dem alle Autos komplett verboten werden. Aber man kann durchaus dafür sorgen, dass die Menschen, die eigentlich gar nicht autofahren wollen, entsprechende Alternativen haben. Und man kann Menschen, die davon überzeugt sind, sie müssen und wollen Auto fahren, durch passende Angebote dazu motiveren, einen Blick in eine Welt ohne Autos zu werfen.

Der spannendste Teil des Buches sind die vielen Gespräche die Diehl mit den unterschiedlichsten Menschen führt. Anhand der konkreten Beispiele ihrer Lebenssituationen wird die ganze Misere der Automobiltät noch einmal ganz besonders deutlich klar. Ich kann dieses Buch wirklich empfehlen.

Ein Klimamanifest

Ein Buch zur Verbesserung der Welt haben auch Marcus Wadsak und Paula Dorten geschrieben. Es heißt: “Letzte Generation: Das Klimamanifest” und ist auch genau das: Ein Manifest und entsprechend schmal ist der Band auch. Die Ausgangssituation ist aber interessant. Wadsak ist Meteorologe und in Österreich mindestens so bekannt wie Sven Plöger oder Jörg Kachelmann. Paula Dorten ist 16, Aktivistin bei Fridays for Future und diversen anderen Gruppen die sich für Klima- und Umweltschutz einsetzen. Sie hat sich gegen den Bau einer neuen Stadtstraße und Autobahn in Wien eingesetzt (und tut das immer noch) und war 2021 direkt vom Brandanschlag auf das Camp der Gruppe betroffen.

Die Verteilung der Rollen im Buch ist klar: Wadsak erklärt in kurzen Abschnitten die Wissenschaft der Klimakrise; Dorten steuert die berechtigte Wut der Jugend, Hinweise auf den notwendigen sozialen Wandel und ihre persönliche Geschichten bei. Diese Teile des Buchs sind auch die interessantesten, denn über die Klimawissenschaft erfährt man nicht viel neues, wenn man sich mit dem Thema schon ein wenig beschäftigt hat (aber die wichtigsten Grundlagen, sollte das Klimamanifest der erste Kontakt mit dem Thema sein). Wie gesagt: Es ist ein kurzes Buch. Aber zu dem Thema sollte nicht geschwiegen werden, gerade in Österreich und in einer Zeit, wo die in Wien regierende SPÖ Wissenschaftler:innen diskreditiert und Aktivist:innen beschimpft, die der Ansicht sind, dass es keine wirklich zukunftsweisende Strategie ist, noch mehr große Straßen zu bauen und dafür Natur zuzubetonieren.

Monster aus der Parallelwelt

Themenwechsel: Die Bücher von Peter Clines habe ich schon 2016 gelesen. Und kürzlich ein weiteres Mal. Was gut war, denn damals habe ich irgendwie nicht gecheckt, dass “Der Raum” (im Original: “14”) und “Der Spalt” (im Original: “The Fold” Teil einer Serie sind! Ich habe mich über die inhaltlichen Parallelen gewundert und bin nicht ganz schlau daraus geworden. Bei der erneuten Lektüre ist es aber sonnenklar, dass das eine Buch quasi der zweite Teil des anderen ist (obwohl sie auch unabhängig funktionieren). Das tut auch der dritte Teil: “Dead Moon” (im Original: “Dead Moon”) mit einem etwas kruden Setting: In der nahe Zukunft führt ein Weltraumlift ins All und zum Mond ist es nur ein Katzensprung. Dort leben Menschen, dort gibt es Tourismus und dort gibt es vor allem einen gigantischen Friedhof. Millionen Menschen sind dort begraben (weil: irgendwas mit zu wenig Platz und klimafeindliche Abgase der Krematorien). Und wenn man weiß, dass Clines ein Faible für Lovecraft-Horror und Zombies hat, dann weiß man, was passieren muss, wenn auf dem Mond ein paar Millionen Tote rumliegen. Das Buch war ganz ok, aber für meinen Geschmack zu voll mit Kampf- und Flucht-Szenen.

Viel besser war dagegen Teil 4 der Serie: “Terminus” (im Original: “Terminus”), der die Handlung von Teil 1 und Teil 2 zu einem Abschluss bringt. Zur Erinnerung: Es geht um eine mysteriöse Maschine aus dem 19. Jahrhundert, die Nikola Tesla & Co gebaut haben, um die Welt vor gigantischen Gott-Monstern (siehe Lovecraft) aus einer Parallel-Dimension zu schützen. Aber wie das so ist mit solchen Maschinen: Die gehen kaputt und es gibt immer ein paar Typen, die den Weltuntergang gar nicht schnell genug kriegen können. Also müssen sich ein paar Wackere (Un)Freiwillige in den Kampf zur Rettung der Welt stürzen. Die Serie ist originell und unterhaltsam (und Teil 3 kann man ohne jeden Verständnisverlust einfach weglassen wenn man möchte).

Asimov und kein Ende

Seit Anfang des Jahres bin ich mit dem Werk von Isaac Asimov beschäftigt. Nachdem ich ja schon im Januar und Februar die ersten drei Bände seines Foundation-Zyklus gelesen habe, Teil 4 im März und den fünften Teil im April begonnen habe, bin ich nun einen Zyklus weiter. Zuerst aber noch kurz zu “Foundation and Earth” (auf deutsch: “Die Rückkehr zur Erde”. Der deutsche Titel ist ein Spoiler, aber andererseits: Wenn seit drei Bänden nach der Erde gesucht wird, wo sonst soll die Reihe dann enden? Im Gegensatz zu den eher komischen ersten 2,5 Bänden ist der Zyklus jetzt zu klassischer Sci-Fi mutiert. Mit einem Ende, das mich dann doch noch dazu bewogen hat, nun auch noch Asimovs Roboter-Bücher zu lesen, die ja ebenfalls im Foundation-Universum spielen. Angefangen habe ich mit der Kurzgeschichtensammlung “I, Robot (auf deutsch: Ich, der Roboter), die mir erstaunlich gut gefallen hat. Ausgehend vom späten 20. Jahrhundert erleben wir die Entwicklung der Roboter von kruden mechanischen Maschinen bis hin zu den übermenschlich intelligenten Weltbeherrschungsmaschinen mit. Und natürlich sind die berühmten Asimovschen Robotergesetze ein steter Teil der Handlung. (P.S. Der gleichnamige Film, den ich nicht gesehen habe, greift zwar diverse Motive aus Asimovs Buch auf, hat aber eine Handlung die mit keiner Geschichte dort irgendwas zu tun hat).

Das wars im Mai, bald kommt der Juni. Bis dann!

Kommentare (4)

  1. #1 Peer
    30. Mai 2022

    Danke, wie immer!
    Hattest Du schon Piranensi von Susasanna Clarke besprochen? Ich meine ja… Ist jedenfalls super, wenn man auf ungewöhnliche Plots steht. Erinnert mich an House of Leaves (eines meiner absoluten Lieblingsbūcher), ist aberziehe viel kūrzer. Grandios!

    Auch eine Empfehlung für How to take over the world, das neue von Ryan North. Der hat schon das genial How to invent everything geschrieben und das hier ist vielleicht noch besser. Ähnlich wie Randall Munroe in What if, geht er hier der Frage nach, wie und ob sich klassische Bösewichtpläne umsetzen lassen.Er schreibt sonst Comics und meint „realistische Plots sind mein Job“. Das ist unterhaltsam, aber auch extrem lehrreich und manchmal (z.B das Kapitel wie man Wahlen fälscht) etwas unheimlich.
    Beide Bücher empfehle ich gerne, die anderen, die ich im Mai las weniger…

  2. #2 Christian Pier
    2. Juni 2022

    Weil ich das gerade für mich nachgelesen habe, wen es interessiert:

    Peter Clines Buchreihe „The Threshold Universe“:

    1. 14
    Das erste Buch und chronologisch ebenfalls der (bisherige) Anfang der Geschichte.

    2. The Fold
    Das zweite Buch, welches auch nach „14“ spielt.

    3. Dead Moon
    Das dritte veröffentlichte Buch, welches nach „Terminus“ spielt.

    4. Terminus
    Das vierte Buch, welches nach „The Fold“ spielt.

  3. #3 Falk
    3. Juni 2022

    @Peer:
    Piranesi konnte mich nicht in der gleichen Weise erreichen wie Jonathan Strange & Mr Norell, was vielleicht auch an fehlenden Referenzpunkten aus Narnia liegt.

    Diesen Monat unter anderem:
    – “Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes” von Ted Chiang erneut gelesen, viel Neues entdeckt, noch mehr begeistert.
    – Weiterhin Gene Wolfes Epos “Das Buch der neuen Sonne” begonnen, außergewöhnliche, gute, wenngleich schwere Kost, die man sicher auch mehrmals verdauen muss.

  4. #4 Alex Jarosik
    Enns
    19. Juni 2022

    Ich nehme an, hier gibts auch einige ehemalige Josefson-Leser?