Der Februar hat mit einem beeindruckenden Raketenstart (und viel Diskussion darüber) begonnen. Und endet (fast, ein Tag ist ja noch übrig) heute in meinem Blog mit der monatlichen Buchbesprechung, die ebenfalls ganz im Zeichen der Raumfahrt steht. Ich hab in meinem Bücherregal zwei nicht mehr ganz neue, aber trotzdem noch sehr lesenswerte und interessante Bücher zum Thema gefunden, die mir sehr gut gefallen haben und die ich euch gerne vorstellen möchte.

Der Wettlauf ins All

Hätte es den kalten Krieg zwischen der USA und der Sowjetunion nicht gegeben, dann wäre die Geschichte der Raumfahrt vermutlich ganz anders abgelaufen. Mir fällt auch spontan keine andere wissenschaftlich/technische Disziplin ein, die so sehr und so direkt vom Krieg beeinflusst worden ist, wie die Raumfahrt. Sieht man von den grundlegenden Ideen und Visionen von Leuten wie Konstantin Ziolkovsky oder Hermann Oberth ab, dann hat die konkrete Geschichte der Raumfahrt in Deutschland während des zweiten Weltkriegs begonnen. Die ersten Raketen im modernen Sinn waren Waffen, die das deutsche Reich gegen England einsetzte. Gebaut wurden sie von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen. Die Zustände im KZ Mittelbau-Dora waren genau so schrecklich wie man sich die Zustände in einem Konzentrationslager der Nazis vorstellt. Bis zu 20.000 Menschen starben in diesem Lager beim Bau der V2-Raketen; deutlich mehr, als durch den Einsatz der Raketen selbst gestorben sind.

spacerace

Diese grauenhaften Ereignisse sind der Ausgangspunkt für das “goldene Zeitalter” der Raumfahrt. Und sie sind auch der Ausgangspunkt des Buches “Space Race” (leider nicht auf deutsch erhältlich) von Deborah Cadbury. Sie beschreibt die Laufbahn von Wernher von Braun, der im deutschen Reich für den Bau der ersten Raketen verantwortlich war. Sie beschreibt aber auch die Biografie von Sergei Korolev, seinem sowjetischen Gegenstück. Sowohl von Braun als auch Korolev waren von ihrer Jugend an fasziniert vom Weltraum und der Möglichkeit, Menschen dorthin zu bringen. Und beide fanden sich in Diktaturen wieder, für die sie Waffen konstruieren mussten, anstatt ihre Visionen umzusetzen. Von Braun lief ständig Gefahr von den Nazis eingesperrt oder hingerichtet zu werden, wenn er ihre Wünsche nicht erfüllt und Korolev wurde im Rahmen der stalinistischen Säuberungen verhaftet und in Sibirien eingesperrt. Erst nach seiner Haft und als seine Fähigkeiten als Raketendesigner benötigt wurden, erinnerte man sich wieder an ihn.

In Deutschland hatten die Nazis in der Zwischenzeit den Krieg verloren und Amerikaner, Briten und Sowjets waren alle auf der Suche nach der Raketentechnik. Am Ende schafften es die Amerikaner, Geräte, Pläne und die meisten Wissenschaftler rechtzeitig aus Deutschland zu schaffen, bevor sie in der sowjetischen Besatzungszone landeten. Trotzdem waren die Sowjets die ersten, die Erfolge beim Wettlauf ins All feierten.

Aber ich will jetzt eigentlich gar nicht die ganze Geschichte nacherzählen. Das macht Cadbury in ihrem Buch sehr hervorragend. Mit vielen Details, die zumindest ich noch nicht kannte. Zum Beispiel das regelrechte Wettrennen zwischen Amerikanern und Sowjets, an die Pläne für den Bau der V2-Raketen zu kommen. Das ganze Zeug lagerte ja im heutigen Thüringen, in Mittelbau-Dora. Dort waren die Amerikaner, als der Krieg endete; dort sollte aber kurz danach die sowjetische Besatzungszone eingerichtet werden. Und natürlich wollten die Amerikaner dieses strategische Wissen nicht den Russen überlassen.

Ich fand es auch sehr interessant – und deprimierend! – wie sehr der Wettlauf ins All tatsächlich nur ein Wettlauf und eine Propagandaschlacht gewesen war. Wernher von Braun war zwar ebenso ein Visionär (und Kriegsverbrecher – auch dieses Thema spart Cadbury nicht aus) wie Sergei Korolev. Aber beide konnten ihre Visionen nicht so umsetzen wie sie wollten. Anfangs war jedes Gerede von bemannter Raumfahrt unmöglich oder regelrecht gefährlich (Korolev bekam mehrmals gesagt, dass er sehr schnell wieder im Gulag landen könnte, wenn er sich nicht voll und ganz auf den Bau von Waffen konzentrierte). Und später ging es immer nur darum, Erster zu sein. Die Kommunistische Führung forderte spektakuläre Leistungen ein, um den Erzfeind USA zu beeindrucken, und Korolev lieferte die Ergebnisse, auch wenn dadurch die Arbeit an den wichtigeren und langfristigeren Projekten behindert wurde. Und die USA schmiss Unsummen in die Raumfahrt, nur um die Sowjets endlich überholen zu können.

Das ganze gipfelt in der bemannten Mondlandung und dem Sieg der USA beim Wettlauf. Wäre Korolev nicht im Jahr 1966 gestorben, hätten vielleicht auch die Sowjets eine Chance gehabt. Korolev hat sich für seine Vision buchstäblich zu Tode gearbeitet. Seine Nachfolger konnten nie so viel Hingabe für das Projekt aufbringen wie er. Und nachdem die USA auf dem Mond gelandet waren, war die Motivation sowieso dahin. Der Wettlauf hatte einen Sieger und er war vorbei.

Wer wissen möchte, wieso wir seit 1972 nicht mehr zum Mond zurück gekehrt sind (eine Frage, die mir oft gestellt wird), der soll dringend dieses Buch lesen. Neben all den interessanten Details und einer sehr packenden Darstellung der historischen Ereignisse beschreibt Cadbury auch sehr eindrucksvoll, worum es bei der ganzen Sache wirklich ging. Nicht um die Visionen, die von Braun und Korolev hatten. Sondern um Politik, Propaganda und (kalten) Krieg. Es ging nicht um Utopien, sondern darum zu gewinnen. Nach dem Sieg der USA gab es keinen Anlass mehr, die Propaganda aufrecht zu erhalten – und damit auch keinen Grund mehr, weiterhin so viel Geld in die bemannte Raumfahrt zu stecken. Und das müsste man tun, wenn man wirklich zurück in den Weltraum will.

Der Flug zum Mars

WIE aufwendig es ist, zum Beispiel zum Mars zu fliegen, kann man im zweiten Buch erfahren, das ich heute vorstellen will: “Packing for Mars: The Curious Science of Life in the Void” (auf deutsch unter dem etwas lächerlichen Titel “Was macht der Astronaut, wenn er mal muss?” erschienen) von Mary Roach.

PackingforMars

Wer die Bücher von Mary Roach kennt, dem muss ich sie nicht mehr empfehlen. Sie schafft es immer wieder, einerseits die Wissenschaft sehr verständlich zu erklären, und andererseits dabei auch die obskuren, absurden und vor allem lustigen Aspekte aus der Geschichte der Wissenschaft hervor zu kramen. Genau das macht sie auch in “Packing for Mars”. Der Titel ist ein wenig irreführend – es geht nicht primär darum zu erklären, wie man den Mars erreichen kann. Roach beschäftigt sich mit der allgemeineren Frage, wie Menschen im Weltall überleben können. Und was man im Laufe der Geschichte alles angestellt hat und heute immer noch anstellt, um genau das heraus zu finden. In der Anfangszeit der Raumfahrt waren ja sehr viele Forscher sehr besorgt, was den ersten bemannten Raumflug angeht. Man hatte keine Ahnung, wie der menschliche Körper auf die Schwerelosigkeit reagiert. Und noch viel mehr machte man sich Sorgen um die Psychologie. Es war eine weit verbreitete Angst, dass die ersten Astro- und Kosmonauten einfach durchdrehen würden, sobald sie sich im Weltraum befänden. Man dachte, unser Hirn würde nicht damit klar kommen, auf einmal komplett isoliert vom Rest der Menschheit zu sein.

Das hat sich als fehlerhafte Annahmen heraus gestellt. Aber wie Menschen sich verhalten, wenn sie zum Beispiel mehrere Jahre komplett isoliert verbringen müssen (was bei einer Mission zum Mars zwangsläufig passiert), ist heute immer noch unklar. Roach beschreibt die Forschung, die zu diesem Thema stattgefunden hat. Sie beschreibt auch die vielen Missionen, die Tiere im Weltraum absolviert haben (Man hat bei der NASA sogar einmal kurz – sehr kurz! – darüber nachgedacht, einen Schimpansen zum Mond zu schicken, bevor man den ersten Menschen auf den Weg dorthin bringt. Oder hat man? Das ist eine der vielen Episoden aus der Geschichte, die bis heute nicht zweifelsfrei geklärt werden können – obwohl sich Roach große Mühe gibt, es zu tun und dabei nicht nur sehr informativ sondern auch sehr amüsant scheitert). Sie beschreibt die Versuche, die bei Parabelflügen angestellt werden (und hat selbst an einem teilgenommen). Sie beschreibt die Problematik der Nahrungsversorgung. Es geht um Sex, Hygenie und all die vielen, vielen anderen Details um die man sich kümmern muss, wenn Menschen im Weltraum leben sollen.

Das ist ein Punkt, der bei der populären Betrachtung der bemannten Raumfahrt immer gerne ignoriert wird. Da geht es meistens um Raketen, Raumschiffe, Habitate, etc. Was ja alles auch unzweifelhaft wichtig ist – aber mit einer großen Rakete die ein Raumschiff ist es eben nicht getan. Da fangen die ganzen Probleme eigentlich erst an. Es ist erschreckend (und auch ein wenig ernüchternd), wie viele Sachen man bedenken muss, wenn man Menschen zum Mars schicken will. Ich kann allen nur die Lektüre von “Packing for Mars” empfehlen – man wird die Raumfahrt dann mit ganz anderen Augen betrachten. Und vielleicht auch ein wenig zurückhaltender mit der Kritik sein, wenn man wieder mal über NASA, ESA & Co meckern möchte, weil die es immer noch nicht auf die Reihe kriegen, Menschen zum Mond oder zum Mars zu schicken…

Was ich bisher schon empfohlen habe

Das Buch “Inferior: How Science Got Women Wrong – and the New Research That’s Rewriting the Story” von Angela Saini habe ich ja schon vor einiger Zeit ausführlich besprochen und allen dringend zur Lektüre empfohlen.

Was ich sonst noch so gelesen habe

  • Dreamblood Duology von N. K. Jemisin: Ich habe ja vor einiger Zeit schon die absolut großartige Broken-Earth-Trilogie von N. K. Jemisin empfohlen und tue das gerne noch einmal (der erste Band erscheint demnächst endlich auch auf deutsch!). Weil mir diese Serie wirklich so gut gefallen hat, habe ich nun auch noch die beiden Bücher der “Dreamblood-Duologie (nicht auf deutsch erhältlich) gelesen. Sie besteht aus den Bücher “The Killing Moon” und “The Shadowed Sun” und hat mich leider nicht so ganz begeistert wie “Broken Earth”. Jemisin hat zwar wieder eine sehr originelle Fantasy-Welt geschaffen. Es geht darin um eine Mischung aus Magie und der Vier-Säfte-Lehre der Antike – aber irgendwie hat mich das ganze nicht so gepackt. Wer gerne Fantasy-Bücher liest, der sollte die Bücher auf jeden Fall lesen, denn es ist – wie gesagt – eine sehr originelle Welt, die deutlich von dem üblichen Ritter/Zauberer/Drachen-Schema abweicht. Aber wer kein großer Fantasy-Fan ist, kann diese Serie auch gut auslassen.

Das wars für den Februar. Für den März hab ich schon ein paar vielversprechende Bücher auf meiner Liste. Aber vermutlich werden auch wieder ein paar Bücher auftauchen, mit denen ich nicht gerechnet habe. Was ich tatsächlich gelesen habe werde, erfahrt ihr in einem Monat. Bis dann!

Kommentare (16)

  1. #1 Dampier
    27. Februar 2018

    auf deutsch unter dem etwas lächerlichen Titel “Was macht der Astronaut, wenn er mal muss?”

    Deutsche Titel von englischen Büchern. Ein deprimierendes Armutszugnis für das ehemalige Dichter-und-Denker-Land. Jämmerlich. Immer wieder.

    Mein aktueller Sachbuch-Tipp:

    Das Tagebuch der Menschheit
    Was die Bibel über unsere Evolution verrät
    Carel van Schaik / Kai Michel

    Ich bin noch ziemlich am Anfang; mein erstes Zwischenfazit: Brillant!

    Hier wird die Bibel vor dem Hintergrund der Kulturellen Evolution nach der Sesshaftwerdung des Menschen gelesen. Spätere Hinzufügungen und Verdrehungen werden identifiziert, seziert und verworfen, was überbleibt, ist ein Kern der biblischen Erzählungen, der immer wieder auf die Verwerfungen der menschlichen Zivilisation seit der Sesshaftwerdung verweist (Stichwort z. B.: Mismatch). Eine Art menschliches Ur-Trauma, welches in den Geschichten der Bibel immer noch nachhallt.
    Ein großartiges Lese-Abenteuer voller Aha-Erlebnisse.

  2. #2 Dampier
    27. Februar 2018

    Nachtrag: “Mismatch” zeitigt viele Suchergebnisse. Hier der passende Link dazu:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Evolutionary_mismatch#Mismatch_in_human_evolution

  3. #3 Florian Freistetter
    27. Februar 2018

    @Dampier: Danke! Das klingt super!

  4. #4 Kai
    27. Februar 2018

    “Das ganze gipfelt in der bemannten Mondlandung und dem Sieg der USA beim Wettlauf”

    Das haben die USA schon sehr gut inszeniert. Man hätte ja auch den ersten Menschen im All, oder das erste Raumfahrzeug im All als “Sieg” bezeichnen können. Aber die Mondlandung war es, die zum ultimativen Triumph menschlicher Schaffenskraft erklärt wurde. Ich finde es immer schade, wenn das in Filmen so dargestellt wird. Und hatte mich über das letzte Civilization VI Spiel gefreut: Anders als in seinen Vorgängern gewinnt man das Spiel nicht durch die Vollendung des Apollo-Programms, sondern in dem man zuerst einen Sateliten ins All schickt, danach einen Menschen und schließlich einen Menschen zum Mond. Damit wird die Gesamtleistung dieses Wettlaufs schon viel eher gewürdigt.

  5. #5 Kai
    27. Februar 2018

    Edit: Kleiner Fehler. Man schickt zuerst einen Satelliten ins All, danach einen Menschen zum Mond, und das Spiel endet wenn man danach noch einen Menschen zum Mars schickt. Laut den Civ-Machern ist das Wettrennen im Weltraum also noch offen 😀

  6. #6 Captain E.
    27. Februar 2018

    @Kai:

    Der Begriff “Wettlauf ins All” ist, wie du gerade dargelegt hast, etwas problematisch. Warum soll er beim Mond aufhören, warum beim Mars? Wenn beispielsweise die Chinesen die erste bemannte Marslandung hinbekommen, toppen die Russen das vielleicht mit der ersten Merkurlandung und die Amerikaner mit der ersten Landung auf Titan. Wer hat den vermeintlichen “Wettlauf ins All” denn dann gewonnen?

    Oder warum zählt es anscheinend nicht viel, dass die Amerikaner den ersten Forschungssatelliten gestartet haben, (vermutlich) den ersten Primaten oder die erste Doppelmission mit einem gesteuerten Rendezvous-Manöver? Für viele Menschen lagen die Amerikaner bis zur Landung von Apollo 11 hoffungslos zurück, obwohl der Rückschritt minimal gewesen ist und sich spätestens beim Start der konkurrierenden Programme Apollo und Sojus umgekehrt hatte.

  7. #7 Cornelia S. Gliem
    27. Februar 2018

    Klar gibt es viele potentielle “ersten male”; aber es ist schon was besonderes, wenn ein Mensch tatsächlich persönlich das All erreicht oder eben in echt den ersten anderen Himmelskörper betritt. Da Amis und Russen schon den Himmel schrittweise erobert hatten durch Satelliten mit und ohne Tiere, dann Menschen (zu schweigen von der doch schwammigen grenze Erdatmosphäre / All, die zumindest für den Laien auch längst durch Flugzeug etc. tangiert worden waren), erschien natürlich 🙂 das Erreichen des Monds als speziell…
    Das erste mal auf einen anderen Planeten oder später mal außerhalb unseres Sonnensystems wird dann nochmal einen run auslösen. Selbst wenn das verwässert sein wird, durch die Erfahrung von Sondenmissionen und Riesenteleskope. 🙂 es lebe The Frontier. …

  8. #8 Hannes
    27. Februar 2018

    @Dampier Die Sesshaftwerdung war 10.000 vuZ. Die Bibel wurde 800 vuZ oder noch später niedergeschrieben. Während man die Erzähltradition auf 1.000 vuZ ansetzt.

    Jetzt weiß ich schon, dass mündliche Erzähltradition Texte sehr gut konservieren kann. Beispiele sind dafür Homers Ilias und der Odyssee, die er (?) im 8. Jahrhundert vuZ niedergeschrieben hat, aber sicher weit älter sind (um 1.200 vuZ, wobei der Trojanische Krieg vielleicht eine Zusammenfassung der Ereignisse aus 200 Jahren war). Ein anderes Beispiel sind die Schriften der Vedischen Religion.

    Aber 9.000 Jahre Unterschied von Ereignis zur Niederschrift sind schon ein ordentliches Stück.

    Und gerade die Teile, die man als Erzählung über die Sesshaftwerdung interpretieren könnte, wurden sehr spät niedergeschrieben. Etwa um 200 vuZ.

    Daher gehen – meines Wissens – die meisten Forscher davon aus, nicht allzu viel in diese Texte betreffend Neolithisierung hineinzuinterpretieren. Zu viele Umbrüche gab es in den Jahrtausenden, die auch eine Erzähltradition zerstören.

  9. #9 Hannes
    27. Februar 2018

    Ergänzung. Vor allem war gerade in der Levante der Prozess der Sesshaftwerdung ein sehr langer und war 10.000 vuZ weitgehenst abgeschlossen.

    Das Epipaläolithikum begann dort mit der Natufien_kultur sehr früh. So dass eine Sesshaftwerdung bereits ab mehr als 20.000 vuZ erkennbar ist teils noch früher bis 24.000 vuZ). Mahlsteine für Mehlherstellung wurden gefunden, Anzeichen von Kultivierung von Wildgetreide und eben dauerhafte Sesshaftigkeit. Die neolithische Revolution ab 10.000 vuZ ist quaasi nur Startpunkt, wo sich diese Wirtschaftsweise endgültig , dauerhaft durchgesetzt hat.

    Bedeutet: Würde man die Tenach also AT wirklich so interpretieren, dass es eine Sesshaftwerdung beschreibt. Würde sie nicht nur einen Prozess ab 10.000 vuZ beschreiben, sondern viel länger zurückliegend, eben einen Zeitraum ab 20.000 vuZ, also 10.000 Jahre umfassen. Ab 10.000 vuZ war der Prozess abgeschlossen.

    Das ist doch sehr unwahrscheinlich (noch unwahrscheinlicher, als dass man eine mündliche Erzählung über 9.000 Jahre konservieren kann).

  10. #10 Herr B
    27. Februar 2018

    Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, geht es in “Das Tagebuch der Menscheit” auch weniger darum, dass die Bibel die Sesshaftwerdung [i]beschreiben[/i] würde. Die angesprochenen Missmatches, die sich aus der Sesshaftwerdung und ihren Folgen ergeben haben, bestehen ja fort. Die biblischen Erzählungen hätten demnach versucht, Erklärungen zu geben, wo es – auch noch später, zur Zeit ihrer Entstehung – Erklärungsbedarf gegeben gab.

    Spätere Kapitel, die sich mit mit der Entwicklung des Monotheismus vor den (dann besser fassbaren) geschichtlichen Bedingungen im vorderen Orient befassen, fand ich übrigens genauso spannend. Auch von mir eine Leseempfehlung!

  11. #11 Captain E.
    28. Februar 2018

    @Cornelia S. Gliem:

    Klar gibt es viele potentielle “ersten male”; aber es ist schon was besonderes, wenn ein Mensch tatsächlich persönlich das All erreicht oder eben in echt den ersten anderen Himmelskörper betritt. Da Amis und Russen schon den Himmel schrittweise erobert hatten durch Satelliten mit und ohne Tiere, dann Menschen (zu schweigen von der doch schwammigen grenze Erdatmosphäre / All, die zumindest für den Laien auch längst durch Flugzeug etc. tangiert worden waren), erschien natürlich 🙂 das Erreichen des Monds als speziell…
    Das erste mal auf einen anderen Planeten oder später mal außerhalb unseres Sonnensystems wird dann nochmal einen run auslösen. Selbst wenn das verwässert sein wird, durch die Erfahrung von Sondenmissionen und Riesenteleskope. 🙂 es lebe The Frontier. …

    Das mit der “Schwammigkeit” stimmt natürlich, aber aus genau dem Grund hat der internationale Luftsportverband Fédération Aéronautique Internationale (FAI) die 100-km-Grenze festgelegt, ab der der Weltraum beginnt. Diese Grenze hat etwas willkürliches, wird aber von vielen akzeptiert. Ebenso hat der FAI festgelegt, dass eine Anforderung zur Anerkennung als Raumflug darin besteht, mit einem Gefährt abzuheben, in den Weltraum vorzustoßen, mindestens eine Erdumrundung durchzuführen und dann in seinem Flugkörper zu landen. Auch das ist eine allgemein anerkannte Spezifikation.

    Aber es wird natürlich dagegen verstoßen. Das US-Militär legt die Grenze zum Weltraum mit 50 Meilen fest und verleiht jedem seiner Leute die Astronautenschwingen, der einen Flug jenseits dieser Grneze durchgeführt hat. Die Sowjetunion hatte seinerzeit behauptet, dass Juri Gagarin und nach ihm German Titow in ihren Wostok-Kapseln Raumflüge durchgeführt hätten. Gemäß der Spezifikation der FAI war dies jedoch nicht der Fall, da beide Kosmonauten vor der Landung aussteigen mussten, ebenso wie bei den übrigen 4 Wostok-Flügen. Gagarin hatte es dabei nicht einmal zu einer vollständigen Erdumrundung gebracht. Erst die modifizierten Woschod-Kapseln konnten mit Menschen an Bord landen. Das war alles nicht gerade ein Geheimnis, wurde aber auch nicht deutlich herausgestellt, und zwar weder von sowjetischer noch von amerikanischer Seite.

    Bei den Amerikanern war natürlich klar, dass Alan Shepard und Gus Grissom wegen der zu geringen Schubkraft nur Suborbitalflüge durchgeführt hatten. Mit dem Wechsel des Trägers konnte somit John Glenn beim dritten Mercury-Flug also den ersten Weltraumflug gemäß FAI-Spezifikation durchführen – und zwar mehr als zwei Jahre vor den Sowjets. Anscheinend war er den Amerikanern damals aber zu peinlich, auf diesen Bedingungen der Schweizer FAI herumzureiten, so dass diese Leistung nicht allzu bekannt geworden ist.

    Wie auch immer: Die Leistung, als erstes einen Menschen ins All zu schießen und ihn nach mindestens einer Erdumkreisung in seinem Schiff landen zu lassen, gebührt tatsächlich den Amerikanern.

  12. #12 Alderamin
    28. Februar 2018

    @Captain E.

    Das mit der “Schwammigkeit” stimmt natürlich, aber aus genau dem Grund hat der internationale Luftsportverband Fédération Aéronautique Internationale (FAI) die 100-km-Grenze festgelegt, ab der der Weltraum beginnt. Diese Grenze hat etwas willkürliches, wird aber von vielen akzeptiert.

    Ja, sie ist natürlich willkürlich, wie alle auf kontinuierlichen Größen definierten Grenzlinien, aber nicht einfach deswegen, weil 100 km eine glatte Zahl ist, sondern es gibt einen physikalischen Hintergrund: nach oben wird die Luft immer dünner, so dass ein Flugzeug immer schneller fliegen muss, um noch Auftrieb zu erhalten. Gleichzeitig erhöht sich damit die Fliehkraft beim Umkreisen der Erde. In 100 km Höhe wird die Fliehkraft im Vergleich zur nötigen Auftriebskraft so groß, dass das Flugzeug die Erde in einem Orbit umkreisen würde. Das hat Theodore von Kármán mitbegründet (der vor dem 1. Weltkrieg auch mal bei uns an der Uni gelehrt hatte und dem zu Ehren hier ein Hörsaalgebäude benannt ist).

    Allerdings ist da immer noch genug Atmosphäre, um einen Satelliten nach weniger als einem Orbit abstürzen zu lassen. Die Atmosphäre hört da noch lange nicht auf, sie reicht mehrere 1000 km weit von der Erde weg. Aber da kreisen schon viele Satelliten auch für Monate und Jahre. Wenn man also nach einer physikalisch motivierten Definition sucht, dann ist die Karman-Linie recht sinnvoll. Das dürfte der Grund für die allgemeine Akzeptanz sein.

    Dies nur als Ergänzung.

  13. #13 Captain E.
    28. Februar 2018

    @Alderamin:

    Das hätte ich wohl erwähnen sollen, aber bei mir hätte es vermutlich so gestanden: “Die 100-km-Linie markiert die Grenze zwischen Raum- und Atmosphärenflug.” Da hast du das doch schöner formuliert.

  14. #14 Dampier
    28. Februar 2018

    @Hannes
    Auf die Zeitspanne zwischen der Sesshaftwerdung und der Niederschrift der Bibel gehen die Autoren natürlich auch ein. @Herr B hat es schon richtig beantwortet.

    Deshalb schrieb ich “Nachhall”, es handelt sich nicht um eine direkte, lebendige Erinnerung. Die Autoren wählen das Bild einer Muschel, die um eine Verunreinigung herum (ein Sandkorn zB.) in langen Zeiträumen eine Perle bilden. Die Perle lässt noch auf die ursprüngliche Störung zurückschließen, auch wenn jene längst nicht mehr sichtbar ist.

    Die Frage hatte ich mir beim Lesen auch gestellt, aber sie wird im Buch meines Erachtens schlüssig beantwortet.

  15. #15 victorS
    1. März 2018

    @ Dampier

    Vielleicht als kleine Ergänzung zu empfehlen:
    “Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel” von Israel Finkelstein und Neil A. Silberman.

    Die Autoren haben die Geschichten der Bibel an Hand von aktuellen archäologischen Erkenntnissen untersucht. Super spannend und auch für Atheisten wie mich fesselnd zu lesen.

  16. #16 Dampier
    2. März 2018

    @victorS
    Danke für den Tipp! Das ist sicher ein gutes Update für den Klassiker “Und die Bibel hat doch recht” aus dem Jahre 1955 (das hab ich als Teenager verschlungen. Es ist heute überholt, aber ich wollte es evtl. auch nochmal wieder raussuchen).

    PS. Die “Posaunen” gibt es sogar als PDF im Internet-Archiv.