Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 316: Die kosmische Hintergrundstrahlung
Ich habe in den Sternengeschichten schon oft die Hintergrundstrahlung erwähnt. Aber noch nie in einer Folge mal ausschließlich und ausführlich darüber gesprochen. Also mache ich das jetzt – denn die Hintergrundstrahlung ist wichtig. Bei der Hintergrundstrahlung handelt es sich – wie der Name nahelegt – um eine Strahlung die aus dem Hintergrund kommt. Beziehungsweise eine Strahlung die der Hintergrund ist. Egal wo wir hin schauen; sie ist überall. Und sie ist eine kosmische Hintergrundstrahlung, weil sie aus dem Weltall kommt.
Die Geschichte ihrer Entdeckung ist schon oft erzählt worden und ich erzähle sie gerne auch hier noch einmal. Im Jahr 1964 waren die amerikanischen Physiker Arno Penzias und Robert Wilson damit beschäftigt, eine große Funkantenne für die Bell Laboratories einzurichten. Mit Wissenschaft im engeren Sinne oder gar mit Astronomie hatte das alles vorerst nicht viel zu tun. Es ging nur darum, das Ding einsatzbereit zu machen, was sich aber als schwierig erwies. Denn die Radioantenne empfing ein Hintergrundrauschen und das störte.
Wilson und Penzias versuchten ihre Bestes, das Rauschen zu entfernen. Sie prüften alle Bauteile, sie prüften alle Geräte, sie prüften alle Verbindungen und Schaltkreise. Sie verscheuchten sogar die Tauben, die in der Antenne ab und zu nisteten und alles mit Taubenkot verschmutzten. Aber selbst das frisch renovierte kotfreie Teleskop rauschte immer noch.
Was sie nicht wussten: Das Rauschen würde auch nicht weg gehen, denn es hatte mit dem Teleskop nichts zu tun. Es war ein Rauschen aus dem Weltall und etwas, nach dem der Physiker Robert Dicke von der Princeton Universität schon lange gesucht hatte. Dicke hatte sich mit Kosmologie beschäftigt und dem damals immer noch recht neuen Urknallmodell. Er und seine Arbeitsgruppe probierten heraus zu finden, was sich damals, als das Universum seinen Anfang nahm, eigentlich genau passierte.
Hier ist die moderne Kurzversion des ultimativen Anfangs. Beziehungsweise dessen, was unmittelbar danach passiert ist. Am Anfang war das Universum sehr heiß und sehr dicht. Aber es dehnte sich aus und kühlte dabei ab. Im Universum gab es damals noch nicht viel. Also es gab natürlich im Universum auch damals schon per Definition alles was es gibt. Aber es war längst nicht so interessant wie heute. Es gab keine Sterne, keinen Planeten, keine Galaxien. Es gab noch nicht einmal vernünftige Atome!
Was es gab waren Protonen, Neutronen, Elektronen und jede Menge Energie in Form von Photonen. Protonen und Neutronen sind das, aus dem Atomkerne entstehen und Elektronen bilden die Hülle der Atome. Aber noch nicht damals. Zuerst fanden sich ein paar Protonen und Neutronen zu den allerersten Atomkernen zusammen. Wie das genau abgelaufen ist, ist Thema für eine andere Sternengeschichte. Auf jeden Fall gab es am Ende die Kerne von Wasserstoffatomen – die nichts anderes sind als einzelne Protonen – und die Kerne von Heliumatomen, die aus zwei Protonen und zwei Neutronen bestehen. Aber es waren nur Atomkerne, keine kompletten Atome. Dafür braucht es noch Elektronen in der Hülle. Die Temperaturen waren damals aber noch viel zu hoch! Durch die enormen Temperaturen bewegten sich Atomkerne und Elektronen viel zu schnell als das sie sich zusammenfinden und binden konnten. Die Elektronen sausten durch die Gegend und immer an den Atomkernen vorbei.
Das ist nicht ohne Folgen geblieben. Denn da war ja noch das Licht, also die Photonen. Die haben das getan, was Photonen immer tun: Sich durch die Gegend bewegt. Nur war die Gegend damals ziemlich voll. Voll mit Elektronen und jedes Mal wenn ein Photon einem Elektron zu nahe kommt, wird es daran abgelenkt. Kurz gesagt: Das Universum war voller Zeug und Licht, aber trotzdem eine trübe, undurchsichtige Suppe. Das Licht konnte sich nicht einfach aus dem Staub machen weil ihm die Elektronen im Weg gestanden sind.
Das ganze hat knapp 380.000 Jahre gedauert. In all der Zeit ist das Universum immer größer und immer kühler geworden. Die Elektronen wurden immer langsamer und dann waren sie irgendwann langsam genug, um zusammen mit den Atomkernen echte Atome bilden zu können. Von da an blieben die Elektronen bei ihren Atomkernen. Und der Weg war endlich frei für das Licht! 380.000 Jahre nach dem Urknall ist das Universum “durchsichtig” geworden.
Das Licht hat die Gelegenheit natürlich genutzt. Von jedem Punkt des jungen Universums aus hat es sich in jede Richtung auf den Weg gemacht. Und ist deswegen heute immer noch da! Das, was Penzias und Wilson in ihrer Antenne empfingen und für störendes Rauschen gehalten hatten, war nichts anderes als das allererste Licht des Universums.
Ok, ich weiß, das klingt verwirrend. Wenn das Licht sich 380.000 Jahre nach dem Urknall auf den Weg gemacht hat, also vor 13,8 Milliarden Jahren – wieso kommt es dann gerade 1964 auf der Erde an? Aber die Kosmologie ist halt verwirrend, weil wir nicht vergessen dürfen, das wir es mit einem expandierenden Universum zu tun haben.
Der Urknall hat nicht irgendwo an einem bestimmten Ort stattgefunden. Es gibt keine Richtung am Himmel in die man zeigen und sagen kann: Dort hat alles angefangen. Der Raum, das Universum selbst hat sich ausgedehnt. Oder anders gesagt: Am Anfang waren alle Orte ein Ort. Und noch einmal anders gesagt: Jeder Ort ist heute der Ort, an dem der Urknall stattgefunden hat. Von jedem Ort des jungen Universums aus hat sich das erste Licht auf den Weg zu jedem anderen Ort im Universum gemacht. In der Zwischenzeit hat sich das Universum ausgedeht und tut das immer noch. Das erste Licht ist aber immer noch da draußen. Natürlich nicht alles; einige Lichtteilen werden von irgendwas absorbiert – zum Beispiel von Radioantennen die ihnen im Weg stehen. Aber wenn man nicht zu genau hinschaut, ist das Universum ziemlich leer und das Licht hat genug Platz um sich auszubreiten.
Die Hintergrundstrahlung die wir heute beobachten ist überall im Universum entstanden und kommt deswegen heute aus allen Richtungen zu uns. Nicht weil wir an irgendeinem besonderen Ort im Universum sitzen. Das was für uns gilt, gilt für alle anderen Orte im Universum auch. Weil eben damals alle Orte ein Ort waren und sich – sehr vereinfacht gesagt – heute alle Orte im Universum gegenseitig mit Hintergrundstrahlung beleuchten. Jeder Kubikzentimeter Weltraum enthält durchschnittlich 400 Photonen der Hintergrundstrahlung und wo immer man sich auch befindet, kann man sie beobachten.
Nur das es eigentlich kein “Leuchten” ist. Damals war das Licht sehr hochenergetisch. Aber mit der Expansion des Raums ist auch die Wellenlänge des Lichts gedehnt worden. Das, was früher hochenergetische und kurzwellige Strahlung war, ist heute langwellige Mikrowellenstrahlung mit sehr geringer Energie. Die Temperatur der Strahlung entspricht nur noch -270,425 Grad Celsius und liegt damit nur 2,725 Grad über dem absoluten Nullpunkt.
All das hatten damals Robert Dicke und seine Kollegen berechnet und sie waren gerade dabei, eine entsprechende Beobachtungskampagne zu organisieren um ihre Vorhersage zur Existenz dieser Strahlung auch konkret zu überprüfen. Dann aber erfuhr Dicke durch Zufall von der Beobachtung die Penzias und Wilson gemacht hatten. Im Gegensatz zu den beiden wusste er sofort, was das war: Die Hintergrundstrahlung, die er vorhergesagt hatte. Alle zusammen publizierten nun endlich diese fundamentale Entdeckung. Aber ein wenig ungerechterweise wurden nur Penzias und Wilson 1978 dafür mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.
Was stellen wir nun an mit dieser Hintergrundstrahlung? Viel! Sehr viel! Sie ist buchstäblich das erste Licht des Universums. Weiter als bis zur Entstehung der Hintergrundstrahlung können wir nicht zurück blicken. Die Hintergrundstrahlung zeigt uns, wie das Universum kurz nach seiner Geburt ausgesehen hat. Sie liefert uns quasi ein Babyfoto des Kosmos. Wenn das junge Universum überall und an jedem komplett gleich ausgesehen hätte, dann würde wir heute auch überall und aus jeder Richtung exakt gleich viel Hintergrundstrahlung messen. Das tun wir aber nicht, wir messen winzige Unterschiede in der Temperatur der Strahlung. Das ist gut, denn gäbe es diese Unterschiede nicht, würde das Urknallmodell nicht funktionieren. Denn irgendwie musstes aus der ganzen Materie am Anfang ja Sterne, Galaxien und der ganze Rest entstehen. Das geht aber nur, wenn die ursprüngliche Materie eben gerade NICHT komplett gleichmäßig verteilt ist. Es braucht kleine Klumpen, kleine Regionen in denen ein bisschen mehr oder weniger Materie vorhanden ist. Nur dann können sich daraus später dichtere Materieansammlungen wie Sterne entwickeln.
Die unterschiedliche Materieverteilung kurz nach dem Urknall sorgt aber auch für Unterschiede in der Temperatur der Hintergrundstrahlung. Aus ihrer Beobachtung können wir also direkt messen, wie damals alles ausgesehen haben muss und prüfen, ob das zu den theoretischen Vorhersagen der Urknalltheorie passt. Und Überraschung: Es passt nahezu perfekt!
Natürlich gibt es immer noch offene Fragen und ungeklärte Beobachtungen. Wir haben das junge Universum noch nicht vollständig verstanden. Aber wenn wir es einmal verstehen, dann wird die Beobachtung der Hintergrundstrahlung ohne Zweifel dabei geholfen haben!
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