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Sternengeschichten Folge 483: Kosmische Magnetfelder
Die Gravitation ist definitiv die dominierende Kraft im Universum. Sie bestimmt, wie Planeten, Sterne und Galaxien entstehen, sich bewegen und sich gegenseitig beeinflussen. Die Gravitation bestimmt die Entwicklung des Universums selbst. Wenn man das Universum verstehen will, dann geht nichts ohne die Gravitation. Aber die Schwerkraft ist nicht die einzige Kraft. Wenn wir mal von den Kräften absehen, die innerhalb der Atome wirken, dann gibt es da auf jeden Fall noch den Elektromagnetismus. Und auch der ist wichtig. Nicht so, wie es die Anhänger der Pseudowissenschaft vom “Elektrischen Universum” denken; davon habe ich ja schon in Folge 453 der Sternengeschichten erzählt. Aber natürlich spielen Elektrizität und Magnetismus eine wichtige Rolle im Universum. Das Licht, das Sterne abstrahlen ist elektromagnetische Strahlung. Genau so wie die Radiostrahlung, die Röntgenstrahlung, die Infrarotstrahlung und der ganze Rest den die diversen Himmelskörper abgeben. Die Sonne und jeder andere Stern ist ein chaotisches Gewirbel aus elektrisch geladenen Gasteilchen deren Bewegung durch die von ihnen selbst verursachten Magnetfelder beeinflusst und vorgegeben wird.
Wir wissen, dass ein Magnetfeld einen ganz besonderen Einfluss auf die Bedingungen auf einem Planeten haben kann. Die Erde hat ein relativ starkes Magnetfeld und das sorgt unter anderem dafür, dass diverse elektrisch geladene kosmische Strahlung uns nicht oder nur abgeschwächt erreichen kann – was gut ist, denn für Lebewesen ist diese Strahlung nicht unbedingt förderlich. Wir wissen, dass die Sonne ein Magnetfeld hat, in dem immer wieder gewaltige elektromagnetische Entladungen, Kurzschlüsse quasi, stattfinden und diese Sonneneruptionen können durchaus Auswirkungen auf unsere Satelliten und unsere Technik haben. Und wir wissen auch, dass Magnetfelder anderswo im Kosmos eine wichtige Rolle spielen.
Nur: Wie untersucht man diesen kosmischen Magnetismus? Wie misst man das Magnetfeld einer weit entfernten Galaxie? Gravitation kann man zwar auch nicht sehen, aber zumindest kann man aus der Bewegung der Objekte berechnen, wie stark die Gravitationskraft ist, die auf sie wirken muss. Wie macht man das aber bei Magnetfeldern? Wie entsteht das Magnetfeld einer Galaxie überhaupt und welche Auswirkungen hat es?
Das alles sind Fragen, die von der Astronomie noch nicht letztgültig beantwortet werden können. Aber wir können sie zumindest zum Teil beantworten. Fangen wir mit der Rolle von Magnetfeldern an. Und zwar nicht mit den Magnetfeldern von Planeten oder Sternen; darüber muss man mal in einer eigenen Folge reden. Sondern mit den Magnetfeldern von Galaxien, von Galaxienhaufen, also den wirklich großen Dingern. Diese Magnetfelder sind enorm schwach – das Magnetfeld der Milchstraße etwa ist 100.000 mal schwächer als das der Erde. Aber es ist da und es hat Auswirkungen. So ein Magnetfeld kann zum Beispiel verhindern das Sterne entstehen. Das passiert ja in großen Wolken aus Gas und Staub, die kollabieren und dann immer weiter in sich zusammenfallen bis sie so dicht geworden sind, dass ein Stern entstanden ist. Die Teilchen in so einer Wolke können elektrisch geladen sein und dann kann ein Magnetfeld die Wolke quasi stabilisieren und verhindern, dass sie in sich zusammenfällt. Was gar nicht mal so schlecht ist, denn das sorgt dafür, dass die Sternentstehung verhältnismäßig langsam abläuft – weswegen auch heute, fast 14 Milliarden Jahre nach dem Urknall immer noch neue Sterne entstehen.
Andererseits kann so ein Magnetfeld den Kollaps einer Wolke auch beschleunigen. Wenn so eine Wolke rotiert, dann sorgt die Zentrifugalkraft der Rotation ja gerade dafür, dass sie nicht beliebig weit kollabieren kann. Wenn das Magnetfeld diese Rotation bremst, dann sorgt das erst dafür, dass ein Stern draus werden kann. Ob ein Magnetfeld die Sternentstehung behindert oder beschleunigt hängt vom Detail ab. Denn das Magnetfeld einer Galaxie kann man nicht mit dem vergleichen, das wir zum Beispiel von der Erde kennen. Da kann man sich ja vorstellen, dass im Inneren der Erde ein riesiger Magnet steckt, mit einem Nord- und einem Südpol und einem entsprechenden Magnetfeld. In Wahrheit ist da natürlich kein Stabmagnet im Erdinneren, sondern eine flüssiger Kern aus Eisen und Nickel und die rotierenden Metallströme sorgen für das Magnetfeld. In einer Galaxie sieht es aber ganz anders aus. Da gibt es kein dominierendes zentrales Objekt das ein Magnetfeld für die ganze Galaxie erzeugt. Gut, es gibt im Zentrum einer Galaxie zwar ein supermassereiches schwarzes Loch und das hat durchaus was mit dem Magnetfeld zu tun. Aber darüber reden wir später. Das supermassereiche schwarze Loch ist zwar supermassereich – aber seine Masse ist im Vergleich zur gesamten restlichen Masse der Galaxie eben nicht dominant. Und das gilt auch für das Magnetfeld. Das Magnetfeld einer Galaxie entsteht aus der Überlagerung von jeder Menge kleiner Magnetfelder. Überall gibt es elektrisch geladene Teilchen die durch die Gegend strömen. Die werden zum Beispiel von den Sternen aus ihren Atmosphären geschleudert und bewegen sich durch die Milchstraße, zusammen mit jeder Menge anderem Gas, das sich zwischen den Sternen befindet. Dabei erzeugen sie kleine Magnetfelder, die sich dann zu einem großen überlagern. Das zumindest ist die Vermutung, wie das galaktische Magnetfeld entsteht wissen wir im Detail immer noch nicht.
Aber immerhin können wir es messen. Es gibt mehrere Methode, wie sich ein Magnetfeld auch aus der Ferne untersuchen lässt. Einer davon ist der sogenannte “Zeeman-Effekt”. Im Detail geht es da um sehr komplizierte Quantenphysik. Der Effekt selbst ist aber recht simpel. Wenn man zum Beispiel Licht eines Sterns beobachtet, dann kann man darin ja die Spektrallinien finden. Also bestimmte Wellenlängen, bei denen weniger Licht ankommt als erwartet. Die Sonne strahlt Licht in allen Farben ins All, aber bestimmte Farben werden von den Atomen aus denen sie besteht blockiert. Jedes chemische Element blockiert eine ganz bestimmte Farbe und wenn die fehlt weiß man, dass dieses Element in der Sonne zu finden ist. Das ist normale Spektroskopie – wenn jetzt aber ein starkes Magnetfeld vorhanden ist, dann sieht man statt der zu erwartenden einzelnen Spektrallinie mehrere. Ein Magnetfeld sorgt dafür, dass sich Spektrallinien aufspalten. Zu erklären, warum und wie es das tut würde jetzt zu weit führen – aber der Zeeman-Effekt existiert und damit konnte der amerikanische Astronom George Ellery Hale schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts nachweisen, dass die Sonnenflecken der Sonne Bereiche sind, wo sehr starke Magnetfelder herrschen.
Der Zeeman-Effekt hilft uns vor allem, wenn es um die Magnetfelder von Sternen geht. Es gibt aber auch andere Methoden, zum Beispiel die Untersuchung der Polarisation des Lichts. Polarisation kann man sich als die Richtung vorstellen, in die eine Lichtwelle schwingt. Die kann bei ihrer Ausbreitung – vereinfacht gesagt – einfach von oben nach unten nach oben und so weiter schwingen. Oder links-rechts-links-rechts. Oder im Kreis herum. Anschaulich kann man sich das mit einem Seil vorstellen: Man bindet ein langes Seil irgendwo fest und nimmt das andere Ende in die Hand. Bewegt man die Hand jetzt auf und ab wird das Seil so schwingen wie eine vertikal polarisierte Lichtwelle, nämlich ebenfalls auf und ab. Bewegt man die Hand horizontal von links nach rechts, dann schwingt das Seil wie eine horizontal polarisierte Lichtquelle. Und bewegt man die Hand im Kreis, demonstriert das Seil wie eine zirkular polarisierte Welle aussieht. In der Realität ist das alles ein wenig komplizierter, aber für uns reicht es zu wissen, dass ein Magnetfeld die Art und Weise verändern kann, wie eine Lichtwelle polarisiert ist.
Die ganze Sache beobachtet man am besten mit Radioteleskopen. Denn es gibt eine bestimmte Art von Radiostrahlung – die Synchotronstrahlung genannt wird und immer dann entsteht, wenn geladene Teilchen von einer geraden Bahn abgelenkt werden. Zum Beispiel durch ein Magnetfeld und genau das passiert in der Umgebung von supermassereichen schwarzen Löchern. Da wirbelt jede Menge Gas und Staub um das Loch herum, bevor es hinein fällt. Die Bewegung der elektrisch geladenen Teilchen wird dabei auch von den Magnetfeldern beeinflusst und deswegen leuchtet die Umgebung so eines schwarzen Lochs im Radiolicht ziemlich hell. Die von Magnetfeldern beeinflusste Bewegung sorgt übrigens auch dafür, dass viele supermassereiche schwarze Löcher sogenannte “Jets” haben, also oft viele tausende Lichtjahre lange Ströme aus Gas, die entlang der Magnetfeldlinien hinaus in den intergalaktischen Raum geschleudert werden. Was wiederum jede Menge Auswirkungen auf die Entstehung neuer Sterne hat, auf die Eigenschaften der Galaxie, und so weiter.
Wichtig aber ist: Aus der Stärke der Synchrotronstrahlung kann man die Stärke des Magnetfeldes abschätzen. Die Polarisation der Strahlung ist prinzipiell irgendwie, aber je stärker ausgerichtet das Magnetfeld ist, desto größer ist auch der Anteil der Strahlung, der in die gleiche Richtung schwingt. Intensität der Strahlung und Ausmaß des Polarisationsgrads sagen uns also wie stark das Magnetfeld ist und wie gleichmäßig oder chaotisch es ausgerichtet ist.
Mit der Polarisation kann man aber noch mehr rausfinden und zwar dank des Faraday-Effekts. Schickt man polarisiertes Licht durch ein Magnetfeld, dann dreht das Magnetfeld die Ebene, in der das Licht schwingt. Eine Welle, die zuvor etwa exakt vertikal schwingt, wird nach dem Durchgang durch ein Magnetfeld in einer Ebene schwingen, die ein bisschen aus der Vertikalen gedreht ist. Aus dieser Drehung kann man dann die Eigenschaften des Magnetfeldes berechnen. Wenn man jetzt also Licht beobachtet, das von einer sehr fernen Galaxie zu uns kommt und unterwegs zum Beispiel einen anderen Galaxienhaufen durchquert, dann sorgt das Magnetfeld dort für eine Drehung der Polarisationsebene. Aber, fragt sich jetzt wohl der eine oder die andere, wie kriegt man das raus? Man weiß ja nicht, in welcher Ebene das Licht geschwungen hat, BEVOR es vom Magnetfeld des Galaxienhaufens gedreht worden ist? Nein, aber man kann es rauskriegen! Wie stark die Polarisationsebene gedreht wird hängt nämlich von der Wellenlänge ab (genauer gesagt vom Quadrat der Wellenlänge). Wenn man also das Licht beobachtet und dann die Polarisationsebene bei unterschiedlichen Wellenlängen misst, wird man unterschiedliche Ergebnisse kriegen. Und je nachdem wie sich diese Ergebnisse im Detail unterscheiden, kann man am Ende das Ausmaß der Faraday-Drehung bestimmen und die Eigenschaften des Magentfelds berechnen.
Wir sind noch weit davon entfernt zu verstehen, wie die kosmischen Magnetfelder im Detail funktionieren. Aber sie sind da und früher oder später werden wir gelernt haben, sie so gut zu beobachten wie wir das beim Licht schon können.
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