Weitere häufige gehörte Fragen in den „Echt? Wie bei CSI?”-Gesprächen erkundigen sich, wie ich die Bilder und Schicksale, mit denen man in rechtsmedizinischen Instituten notwendig konfrontiert wird und die mir nicht selten Blicke in die tiefsten menschlichen Abgründe und auf unbeschreibliche Grausamkeit und – was ich persönlich noch schlimmer finde – Gleichgültigkeit aufzwingen, verkrafte, ob ich überhaupt je „abschalten” kann, ob ich noch schlafen könne und ob ich davon träume.
Das ist, in der Tat, die dunkle Seite der Forensik, die, wenn man sie nackt und kalt und ohne „redaktionelle Bearbeitung” erlebt, unendlich anders auf einen wirkt, als wenn man in einem Lese- oder Kinosessel sitzt. Im ersten Post für blooD’N’Acid schrieb ich:

„Mich persönlich reizt an diesem Fach und der täglichen Arbeit […] die Möglichkeit, an den nicht ausbleibenden Konfrontationen mit der ungeschönten und bisweilen schwer zu verkraftenden Realität wachsen zu können.”

Aus aktuellem Anlass: es gibt wahrhaftig Ereignisse, die, wenn man unmittelbar mit ihnen konfrontiert wird, kaum zu ertragen sind:

ein 24-jähriger tötet seinen dreijährigen Sohn und dann sich selbst durch Enthauptung mit einer Kettensäge. Vermutlich wegen eines Sorgerechtsstreits.

Ich habe nicht die geringste Vorstellung, auf welch’ unsägliche Weise die Psyche eines Menschen, eines Vaters, Schiffbruch erlitten haben muß, um ihn so etwas fertigbringen zu lassen. Und um es klar zu sagen: eine so krasse Tat ist auch für uns eine Ausnahme, dennoch haben wir und ganz besonders die Ärzte in unserem Institut, die die Leichen, die ich hier sicher nicht beschreiben werde, obduziert haben, die Pflicht, auch in solchen Fällen menschliche Reaktionen, Entsetzen und Fassungslosigkeit, ersteinmal hintanzustellen und sich neutral und professionell mit dem Fall zu befassen. Solche Ereignisse, aber auch der tägliche Umgang mit Opfern aller Art, mit den Mißbrauchten, Geschändeten, Geschlagenen, mit den an ihrer Sucht oder Armut oder Elend Gestorbenen, den Erfrorenen, Vernachlässigten, Vergessenen und mit denen, die keinen anderen Ausweg mehr sahen, als ihrem Leben eigenhändig ein Ende zu setzen, zwingen einen Menschen, wenn er nicht daran zerbrechen oder (was fast dasselbe ist) zum heillosen Zyniker verkommen will, eine, ich nenne es „Distanzierungsstrategie” zur Bewältigung der Eindrücke zu entwickeln. Alle hier haben das und sie dürfte bei jedem Menschen ganz unterschiedlich sein.

Ich bin Atheist, ich suche also keine Zuflucht und keinen Trost in der für mich persönlich obszönen Vorstellung eines kosmischen Herrschers beliebiger Herkunft und Beschaffenheit, für den von entsprechend Geneigten angesichts selbst extremen menschlichen Elends und Leids gemeinhin in Anspruch genommen wird, daß 1.) das, was passiert ist, „sein Wille” gewesen (also nicht „umsonst” geschehen) sei und 2.) seine „Wege unergründlich” seien (um ihn/sie/es in vorauseiliendem Gehorsam vor sich selbst und/oder anderen gegen die unvermeidlichen Fragen der Theodizee in Schutz zu nehmen). Dennoch habe natürlich auch ich meine Weise, der Psychologe würde wohl von „Copingstrategie” sprechen, mit dem Erlebten und Gesehenen um- und davon auf Abstand zu gehen. Mir hilft es, mir immer wieder klarzumachen, daß alles, was passiert ist, immer auch ohne mich passiert wäre. Der einzige echte Bezug, den ich zum Geschehen, zu den Opfern und Betroffenen habe, ist ein professioneller und innerhalb dieses Bezuges habe ich eine positive Funktion und Rolle: ich helfe dabei, egal wie gering mein Beitrag sein mag, aufzuklären, zu lindern, zu verstehen und vielleicht manchmal wiedergutzumachen. Ob ich einer Leiche eine Identität und den Angehörigen damit die Möglichkeit, zu trauern und später einmal Frieden zu finden gebe, oder bei der Überführung eines Verbrechers helfe oder durch meine Forschung einen kleinen Beitrag zum Verständnis (und vielleicht dereinst der Verhinderung) des Plötzlichen Kindstods leiste, immer kann ich wenigstens auf der „guten” Seite stehen und meine Fähigkeiten in ihren Dienst stellen.


Daß ich mir eine vor allem professionelle Sichtweise auferlege, bedeutet jedoch nicht, daß ich mir empathischen Rapport versage oder mir gar verbiete, Mitgefühl oder Mitleid zu empfinden. Ich glaube sogar, daß das bei einem gesunden Menschen gar nicht möglich ist und ich will – auch auf die Dauer – weder abstumpfen noch gleichgültig werden, denn hinter jedem „Fall” stehen echte, reale Menschen, die solche Situationen eben nicht „gewohnt” und jetzt, in diesem Moment, zutiefst davon betroffen sind. In meinen Augen haben sie ein Recht auf unsere Anteilnahme und darauf, daß sie nicht nur eine Nummer für uns sind. Auf der anderen Seite habe ich auch ein Recht auf Selbstschutz und ich versuche deshalb, meist mehr, manchmal weniger erfolgreich, diese dunkle Seite des forensischen Alltags hinter mir und die Geister der offenen Fälle, die noch nach mir zu greifen scheinen, im Institut zu lassen, wenn ich abends die Türe schließe und nach Hause fahre. Denn ich weiß, ich werde sie und sie werden mich am nächsten Tag wiederhaben.

flattr this!

Kommentare (81)

  1. #1 Skrazor
    25/03/2011

    Also dein Schreibstil zieht mich echt in seinen Bann… So, wie der Text hier steht, könnte er auch genau so gut in einem Bestseller-Thriller geschrieben worden sein. Schon mal darüber nachgedacht einen Roman zu schreiben? 😉

    Seit deinem ersten Eintrag hier kann ich den jeweils nächsten gar nicht mehr erwarten. Am liebsten würd ich jetzt schon alle Texte, die du dieses Jahr noch schreiben wirst, lesen xD

    Wenn du so weiter machst bekommst du demnächst noch eine Autogrammkarten-Anfrage von mir ^^

  2. #2 Cornelius Courts
    25/03/2011

    @Skrazor: vielen Dank! 🙂 Einen Roman? Mit dem Gedanken gespielt habe ich wirklich schon mal… wenn ich mehr Zeit hätte und eine wirklich gute Idee… vielleicht ja eines Tages, aber danke einstweilen für Dein Zutrauen 🙂

  3. #3 Henry
    25/03/2011

    Ich stimme Skrazor voll zu! Die Art, wie du deine Blogeinträge schreibst ist echt klasse.

  4. #4 Brigitte Blumberg
    25/03/2011

    Sehr lesenswert und gut nachvollziehbar, wie Du persönlich mit der dunklen Seite umgehst.
    Zwei Anregungen zum wissenschaftsjournalistischen Stil hätte ich: Manche Sätze fallen unter “Bandwurm” (z.B. der Satz: “Ich bin Atheist….)und strapazieren den geneigten Leser. Kürzer wär noch besser . Und: da wir Zielpersonen zwar sehr interessiert sind, aber nicht durchweg das Große Latinum haben, könnte manches Fremdwort entweder erklärt oder durch ein passendes deutsches Wort ersetzt werden(z.B.”Theodizee” oder”kontraintuitiv” oder “empathischer Rapport” oder “teleologische Diktion” oder “Vulnerabilität”…) Dem Niveau tut das gelungene Deutsche Wort keinen Abbruch…Bin gespannt, wie es weitergeht!

  5. #5 Ulrich Berger
    25/03/2011

    Schön geschrieben, Zustimmung, aber: Absätze, bitte mehr Absätze! 😉

  6. #6 rolak
    25/03/2011

    Aus gewissen Gründen habe ich überhaupt keine Probleme mit langen Sätzen 😉 doch dem Absatzvorschlag stimme ich zu – so ein Textblob ist imho in einem Buch ok/vertretbar, jedoch nicht auf dem Monitor.
    Dafür finde ich das mit den Fremdwörtern angemessen, nicht nur daß mir zu Theodizee nichts Passendes einfällt und Vulnerabilität semantisch mehr bzw anders ist als Verletzlichkeit. Vielleicht -wenn es denn der Wahrheitsfindung dient- mit einem wiki(oder so)-link unterlegen?

    Bevor ich es schon wieder vergesse: Liest sich wirklich gut! Und diesmal geht es auch weit unter die Haut…

  7. #7 Agrippina
    25/03/2011

    Werter Cornelius, ich habe heute erst entdeckt, dass es einen neuen Blog hier gibt. Als an Wissenschaft sehr interessierter, aber ansonsten diesbezüglich relativ “unbemittelter” Mensch schaue ich zunächst überall mal rein. Nicht alles spricht mich an, so dass ich es für mich verwerfe, und so einiges verfolge ich mit großem Interesse und auch mit Freude.

    Ich schnuppere also heute abend in Deinen ersten Blogbeitrag völlig unbedarft rein. ‘Aha, was Neues, lies mal, hast ja noch ‘n paar Minuten Zeit heut’ abend, mal eben gucken, um was es hier geht.’ Dachte ich … Zack! Schon sind meine Pläne für den heutigen Abend hinfällig geworden, weil ich mich in Deinem Blog “festgefressen” und in einem Rutsch jeden Deiner Beiträge nebst anschließender Diskussion gelesen habe. In der Form ist mir das hier so auch noch nicht passiert.

    Insofern möchte auch ich Dir in aller Bescheidenheit an dieser Stelle ein großes Lob aussprechen. Und da die Würze in der Kürze liegen soll, auch von mir nur soviel: Deine Themen sind hochinteressant und Deine “Schreibe” genial. Du schaffst es, Menschen anzusprechen, zu fesseln und – vor allem mit diesem Beitrag hier – tief zu berühren (mich zumindest).

    Du hast hier eine Reihe sehr guter Blog-Kolleg(inn)en an der Seite, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, den Menschen Wissenschaft nahezubringen (und über Weltanschauungen zu diskutieren). Einige davon haben mich bisher begeistern können, Du jedoch hast mich schlichtweg fasziniert. Danke dafür – ich werde Stammleserin!

    Jedoch: Weil da, wo Licht auch Schatten (in diesem Fall aber nur ein minimaler) sein muss, möchte ich mich der Kritik von B. Blumberg und U. Berger anschließen. Auch ‘mit ohne’ Abitur kann ich Schachtelsätze lesen und verstehen, und Fremdwörter lassen sich, so überhaupt nötig, nachschlagen. Dem Lesefluss fände ich es allerdings auch zuträglicher, das noch etwas einzudämmen. Und auch ich bin ein Fan von Absätzen (und/weil extrem fehlsichtig!) …

    Ach, und so sehr ich Deiner Replik auf einen Troll-Beitrag in einer der vorangegangenen Diskussionen höchst amüsiert gefolgt bin, mit einem bin ich definitiv nicht d’accord: Das Ding mit den nicht schmeckenden Spruuten (= Rosenkohl; da, wo ich herkomme auch wahlweise “Puppeküchekappes” genannt). Da könnte ich anfangen, über Geschmack streiten zu wollen … ;o)

  8. #8 KommentarAbo
    26/03/2011

  9. #9 lana
    26/03/2011

    Hallo Cornelius,

    ein intensiver Text, danke dafür!

    Als nicht-Atheistin muss ich aber dem Beginn des vierten Absatzes widersprechen. Wenn Menschen Fehler machen (oder Verbrechen begehen), ist es in der Tat billig, Gott verantwortlich zu machen. Zwar haben es Menschen verbockt, aber trotzdem soll Gott daran schuld sein. Zumindest kann man die eigene Wut und das Unverständnis über einen solchen Fall an denen auslassen, deren Coping-Strategien man nicht teilt. Das klappt offensichtlich noch als Atheist doppelt gut, weil man sich selbst zweimal entlasten kann: man hat mit der Sache (dem Mord) primär professionell zu tun, und persönlich, da sekundär, nichts zu tun mit dem Glaubensscheiß, der als Negativfolie für fatalistische Resignation herangezogen wird.

    Dabei wird unterstellt, als “Theist” hätte man mit der Kontingenzformel (Luhmann) “Gott” eine bequeme Position zum Abschieben solcher moralischen bzw. psychologischen Fragen zur Verfügung. Als ob die Frage, wie ein 24-Jähriger zu einer solchen Tat motiviert werden konnte, “gemeinhin” (!) mit dem plumpen Verweis “Gott wird sich schon was dabei gedacht haben” in den transzendentalen Ausschuß verwiesen werden könnte.

    Hier könnte man die rabbinische Lehre von der Unvertretbarkeit des Leidens anführen. Wer leidet, dem ist mit einem Hinweis auf Gott nicht geholfen. Vielleicht hilft zuhören und da-sein. Vielleicht will der Leidende allein sein. Vielleicht hilft ihm ein Gebet. Oder auch nicht. Die Kontingenz existiert hier nicht als Einbahnstraße.

    Ich könnte jetzt den Spieß umkehren und behaupten, Atheisten hätten es bei Katastrophen viel leichter als nicht-Atheisten, da sie sich ja nicht mit dem transzendenten Kram oder der Theodizee herumschlagen müssen. Und unterstellen, ein Atheist verfüge “gemeinhin” über ein naturalistisches Weltbild, nach dem Motto: Plattentektonik passiert, hat eben Japan Pech gehabt, auch Löwenmännchen töten ihre Jungen, etc. Das wäre aber noch dämlicher als die Unterstellung im Artikel. Denn damit wird Kommunikation über Leiden nicht anschlussfähig.

  10. #10 MartinB
    26/03/2011

    “Ich könnte jetzt den Spieß umkehren und behaupten, Atheisten hätten es bei Katastrophen viel leichter als nicht-Atheisten,”
    In gewisser Weise stimmt das auch. Ich kann als Atheist die Tragik der Ereignisse akzeptieren und mit den Menschen Mitgefühl haben, ohne mir das Gehirn verknoten zu müssen um mich zu fragen, warum ein liebender, allmächtiger und allgütiger Gott es für eine tolle Idee hielt, die Plattentektonik so erdbebenlastig zu konstruieren.
    Und ganz ehrlich: Die Alte Leier von “Wege sind unergründlich” bekommt man in solchen und anderen tragischen Fällen doch eigentlich immer wieder zu hören.

  11. #11 rolak
    26/03/2011

    Ok, als Nichterster fremdantworte ich dann auch 😉

    Nö MartinB, nicht ‘ich kann akzeptieren’, sondern ‘ich muß akzeptieren ohne das bequeme Rückenpolster des Glaubens’ – denn die Hirnverknotung tritt ja im Normalfall gar nicht bzw nur sehr kurzfristig auf, da wie bei einer VT (und es unterscheidet sich da wenig) es letztendlich immer einen zu berücksichtigenden Grund gibt und sei es das schlichte “Deus vult”. Die klassische Busch-Verteidigung “»Ist fatal!« bemerkte Schlich, »Hehe! Aber nicht für mich«” fällt schon sehr schwer, wenn kein Glaube an das Wirken einer höheren Macht und den persönlichen Einfluß auf das Geschehen (brav sein, Gebete…) vorhanden ist.

    Es würde mich zusätzlich interessieren, was die in lanas Kommentar unterstellte dämliche Unterstellung ist bzw wo sie im post zu finden ist. Wenn überhaupt haltbar ob des offensichtlichen Durcheinanderbringens der generellen Beschreibung und des nur randverzierenden Beispiels aus aktuellem Anlaß.

    Hi Agrippina, Mitstreiterin für die Anerkennung des R/S/P als “lecker!”.

  12. #12 Cornelius Courts
    26/03/2011

    @ Agrippina: vielen Dank für das nette Lob, freuut mich sehr :-).
    @ Absatzfreunde und Stilkritiker: danke für Eure Meinungen; ich will gerne versuchen, dran zu denken, mehr Absätze einzubauen. Wenn ich es mal vergesse, tadelt mich bitte, sowas kann man ja auch nachträglich noch einbauen; und ja, ich weiß, daß meine Sätze manchmal etwas lang geraten, aber ich habe irgendwie immer das Bedürfnis, Information zu verdichten… mal sehen, ob ich mich da bessern kann (versprechen will ich es nicht). Naja und die Fremdworte bemerke ich auch kaum, weil ich sie ja nicht gezielt zur Zurschaustellung von irgendetwas verwende, sondern sie meiner normalen Sprachgewohnheit entsprechend mir entfließen. Wenn mir mal ein wirklich überflüssiges auffallen sollte (Vulnerabilität z.B. ist, danke rolak, nämlich nicht einfach zu ersetzen), werde ich es weglassen.

    @lana
    Hallo lana
    und danke für Deine Meinung. Apropos dämlich:
    offenbar ist das Theist-Sein nicht so richtig gut für’s rationale und folgerichtige Denken (ok, ich weiß, thank you Cptn. Obvious).
    Denn NATÜRLICH wird auch bei einem solchen Mordfall wie dem geschilderten die Theodizee fällig, selbst WENN man von einem freien Willen (ein durchaus nicht unproblematisches Konzept nebenbei) ausgeht. Schließlich hätte ein wie auch immer konfigurierter, den üblichen Auffassungen zufolge jedoch unbedingt zumindest mit Allmacht und Allgüte ausgestatteter Gott den Mord verhindern können, indem er z.B. die Kettensäge hätte verschwinden können lassen o.ä. Nein, es gibt keinen Weg daran vorbei: daß der Mord passiert ist, völlig unabhängig davon, daß er ohne eine menschliche Urheberschaft nicht passiert wäre, hätte zum einen von einem allmächtigen Gott verhindert werden können und zwar auch ohne den freien Willen zu stören, und zum anderen von einem allgütigen Gott eigentlich verhindert werden müssen. Daher muß man, um nicht an einer Gottheit, die solches dennoch zuläßt, zu (ver)zweifeln, für sie in Anspruch nehmen, daß es 1.) ihr Wille war (denn wäre es gegen ihren Willen geschehen, wäre sie nicht allmächtig) und 2.) ihre Wege unergründlich sind und daß sich in eben dieser ach so bequemen Unergründlichkeit irgendein für uns dumme Menschen natürlich nicht verständlicher “Sinn” verbirgt, denn sonst wäre die Gottheit nicht allgütig. Eine millionenfach geübte, triviale Beobachtung.

    Darüberhinaus und das ist fast noch wichtiger, ist es absurd und sogar ein bißchen unappetitlich, sich, wie Du, damit zu brüsten, daß man mit dem Glauben ja auch irgendeine, natürlich mit kryptischem Geschwurbel verbrämte, “transzendentale” Bürde trüge und daher noch mehr als wir armseligen Atheisten zu bewältigen hätte. Das ist freilich Unfug, denn es zwingt einen ja keiner zum Glauben. Atheismus ist der natürliche Zustand des Menschen, Glauben bedarf immer der Überlieferung und ist noch dazu ein sich in mutwilliger Irrationalität gegen-alle-Evidenz-Anstemmen, das immer (!) an irgendeiner Stelle eines sog. “leap of faith” bedarf. Jeder Mensch, der an seinem Glauben fresthält und seiner bedarf, um sein Dasein zu bewältigen, kann und darf das tun, aber er sollte sich im Klaren sein, daß er es gegen die Vernunft und gegen jede von einem profunden Natur-und Weltverstehen geforderte Notwendigkeit tut.

  13. #13 BreitSide
    26/03/2011

    xxx:-)

  14. #14 BreitSide
    26/03/2011

    Jetzt läuft auf vox ein vielversprechender Abend über Tod und Sterben. Allerdings wohl weniger über Forensik. Doch. Einer hat schon ein Statement abgegeben. Und mit Fliege. Naja, schaumama. Wird sicher trotzdem gut.

    Auf jeden Fall viel Erfolg bei diesem erfolgversprechenden Blog!

  15. #15 radix100
    27/03/2011

    “Atheismus ist der natürliche Zustand des Menschen, Glauben bedarf immer der Überlieferung.”
    Diesen Satz finde ich wirklich erhellend und fast genial.So habe ich das noch nie gesehen. Wieder mal was gelernt.
    Hoffentlich hält der Autor das Tempo seiner blog-Einträge durch. Oder ist es zu viel Tempo?? Möchte man erst mal alles verdauen und dann einen neuen Cornelius-blog?
    fragt
    radix100

  16. #16 Cornelius Courts
    27/03/2011

    @radix100: ich hab mir bislang keine feste Schlagzahl an Posts/Zeiteinheit verordnet und habe das auch nicht vor, aber Du kannst ja selber dosieren, wie viel Du in welcher Zeit lesen möchtest. Freut mich jedenfalls, wenn Du im Text etwas für Dich interessantes gefunden hast 🙂

  17. #17 lana
    27/03/2011

    @rolak:
    die Dämlichkeit besteht in der Markierung einer Differenz (hier: der Autor bezeichnet sich als Atheist) mit einer folgenden Bezeichnung der Außenseite (zunächst: aller nicht-Atheisten; obwohl der Autor im nächsten Satz erkennbar auf christliche Theologie des Mittelalters abstellt), denen ein schlichtes Gottesbild unterstellt wird. Der Autor grenzt sich also von etwas ab, von dem er offensichtlich nur das kennt, was er zu recht als “obszöne Vorstellung” bezeichnet.

    Dies ist gut geeignet, um sich abzugrenzen und sich auf das Niveau einer “god delusion” zu begeben. Theologisch kommt man damit aber nicht sehr weit. Und das lässt sich in einem Wissenschaftsblog durchaus als dämlich bezeichnen. Etwa so, als ob ich behaupten würde: “Als Nicht-Biologin suche ich keinen Erkenntnisgewinn im Quälen und Sezieren von Tieren, wie es von entsprechend Geneigten im Wissenschaftsbetrieb fabrikmäßig betrieben wird”. Ein Biologe würde diese Aussage als unbegründete Meinung ohne besondere Fachkompetenz bezeichnen. Oder als dämliche Aussage, die sie nun mal ist.

    Wenn der restliche Artikel nicht so gut geschrieben wäre, hätte ich nur meinen Teil gedacht. Vorurteile reduzieren Komplexität ja sehr effektiv.

    @Cornelius:
    die von Dir beschriebenen Probleme treten bei einem ontologischen Gottesverständnis auf, das Gottes Sein in der Welt verortet. Dann aber wäre Gott ein Teil der Welt, oder ein Demiurg, der es nicht schafft, alle Feuer auszutreten, oder ein Wesen, dessen Eigenschaften man im Reden “über” Gott logisch erschließen könnte.

    Spätestens seit Auschwitz, schon nach dem Erdbeben in Lissabon ist es aber zunehmend unglaubwürdig geworden, auf ein Gottesbild abzustellen, das sich Gott als Herrscher denkt, der “alles vorzüglich regieret”. Diese Selbstentmündigung ist seit der Aufklärung Geschichte und in der modernen Theologie nicht mehr state of the art. Es ist viel interessanter, mit Karl Barth davon auszugehen, dass Aussagen über Gott immer Aussagen über den Menschen sind, der sie macht.

    Die Vorstellung, ein allgütiger, allwissender und allmächtiger Gott lenke die Geschicke der Welt mit weiser Hand, ist Kinderglaube, wie auch die Frage nach dem Sinn des Lebens oder von Katastrophen.

    Ich möchte verdeutlichen, dass diese, u.a. von Dorothee Sölle formulierte Position, sich nicht mit der holzschnittartigen Karikatur verträgt, die Du hier von den Glaubenspraxis zeichnest. Man muss ja kein Atheist sein, um die von Dir bezeichneten Lächerlichkeiten ebenfalls lächerlich zu finden. Nur ist die Unterstellung, die Fremdbezeichnung als “Theist” habe Logikbehinderungen zur Folge, eine bequeme Immunisierung gegenüber den Zumutungen der theologischen Disziplin, der man mitunter die Wissenschaftlichkeit abspricht.

    Übrigens wollte ich mich nicht mit “transzendentaler Bürde” brüsten, sondern die Frage: “wer hat es leichter: der Naturalist oder der Theist?” als Scherzfrage entlarven. Denn wie will man das subjektive Leid und die last messen? Es bleiben ja nur Zuschreibungen, die immer nur für die eigene Seite funktionieren. Ich behaupte, dass es niemand “leichter” hat, wenn zB der eigene Sohn Selbstmord begeht, nur weil die eigene Sozialisation Coping-Strategien nahelegt.

    Zum Teilsatz “Atheismus ist der natürliche Zustand des Menschen, Glauben bedarf immer der Überlieferung”: Dem würde sogar Luther zustimmen, der schrieb, dass der natürliche Mensch Gott hasst. Ich mag ja solche ontologischen Zuschreibungen nicht so sehr, weil sie sich meistens in der Realität als zu grob herausstellen. Aber dass Glauben vom Hören kommt, ist sicherlich wahr.

  18. #18 MartinB
    27/03/2011

    @lana
    Gut, nun hast du uns erklärt, was Gott alles (deiner Idee nach – die meisten Christen z.B. dürften das anders sehen) NICHT ist – nicht in dieser Welt, nicht allgütig, Aussagen über ihn sind eigentlich Aussagen über Menschen usw.
    Was ist denn dann dieser Gott?

  19. #19 s.s.t.
    27/03/2011

    @Lana

    Spätestens seit Auschwitz, schon nach dem Erdbeben in Lissabon ist es aber zunehmend unglaubwürdig geworden, auf ein Gottesbild abzustellen, das sich Gott als Herrscher denkt, der “alles vorzüglich regieret”. Diese Selbstentmündigung ist seit der Aufklärung Geschichte und in der modernen Theologie nicht mehr state of the art.

    Nun, der Bischof Williamson (auch wenn er einen Sprung in dr Schüssel hat, ist er immer noch ein Bischof) bezeichnete kürzlich das Japanbeben als eine Strafe (aka Warnung/Mahnung) Gottes in personam, um die Welt von ihrem sündigen Tun abzubringen. Nun, augenscheinlich ist für ihn sein Gott ein blitzeschleudernder Jupiter.

    Aber da erkennt man den Fortschritt: Für die Sünden dieser Welt reicht vor 2.000 Jahren ein einzelner, heute läuft so etwas nicht unter 20.000.

    (Zahlreiche andere Bischöfe sind auch nicht besser: Stichwort Mixa)

  20. #20 Cornelius Courts
    27/03/2011

    @s.s.t.: 😀 ausgezeichnete Replik
    @lana: “Spätestens seit Auschwitz, schon nach dem Erdbeben in Lissabon ist es aber zunehmend unglaubwürdig geworden, auf ein Gottesbild abzustellen, das sich Gott als Herrscher denkt, der “alles vorzüglich regieret”
    Sag mal, bekommst Du eigentlich alles mit, was Du so schreibst oder liest Du nur hin und wieder mal rein? Behauptest Du ernsthaft, es hätte eines Ausschwitz’ bedurft, um einen gütigen zugewandten Gott als unglaubwürdig erscheinen zu lassen? Ich weiß nicht, ob ich lachen, weinen oder mich übergeben soll…
    Und dann noch:
    “eine bequeme Immunisierung gegenüber den Zumutungen der theologischen Disziplin, der man mitunter die Wissenschaftlichkeit abspricht.”
    WAS?!?! Zumutungen? Immunisierung? Wenn die Wissenschaft die “deutsche Eiche” ist, dann ist die “Zumutung” der Theologie nicht mal in Deinen Träumen der Schaden, den Freund Sau schon kaum anzurichten imstande wäre und wir bedürften dagegen einer Immunisierung so dringlich wie ein Fisch einer gegen Regen! Theologie hat mit Wissenschaft in etwa so viel zu tun, wie Micky Maus mit Literatur und “theologische” Argumente in einer solchen Debatte anbringen zu wollen, zeugt von der gleichen Verblendung, derer es bedürfte, um auf einem Kongress von Geographen zu beklagen, daß man das Auenland nicht ausreichend berücksichtige.
    Ich habe schon öfters mit Theologen debattiert und es ist immer dasselbe: sie weisen Argumente wie das von mir zuerst vorgetragene als “Strohmann” zurück und ziehen sich mit ihrem Gottesbegriff ins Königreich Schwurbelistan am Kryptistrom zurück. Meine kolportierte Gottesvorstellung sei also zu kindlich? Ulkig, daß der Großteil der Gläubigen genau eine solche Vortellung unterhält, oder? Und daß durch den immer “transzendenteren”, ephemereren und mit logorrhoetischen Arabesken bekränzten und wohlfeilem Schlausprech gehegten Popanz absconditus, den Euresgleichen noch vom alten Mann mit Bart im Himmel übrig läßt, irgendetwas “logischer”, besser begründet oder überzeugender werde, das könnt Ihr doch nicht allen Ernstes glauben, oder? Wobei…wahrscheinlich schon, denn Ihr schafft es ja auch, an Auferstehung, “unbefleckte” Empfängnisse und natürlich die gute alte Transsubstantiation zu glauben. Nein, ehrlich, Theologie als kreißenden Berg, der eine Maus gebiert zu bezeichnen, wäre schon zu viel… eher als kreißende Maus, bei der doch am Ende nur ein kleiner Küttel rauskommt und nein, entscheidend ist NICHT, was hinten raus kommt 😉
    Also, raff’ es endlich: Atheismus ist, was man macht, wenn man erwachsen wird!

    und dazu noch “Was ist denn dann dieser Gott?”:

    nonexistent, würde ich mal vermuten (bis zum Beweis des Gegenteils), denn ein rational denkender Mensch sollte, solange keinerlei positive Evidenz dafür vorliegt, provisorisch ersteinmal die Existenz einer postulierten “Macht” ablehnen, die nichts tut, nicht nachweisbar ist und für die selbst ihre Fürsprecher nur Wirkungen in Anspruch nehmen, die nicht von dem zu unterscheiden sind, was auch in ihrer Abwesenheit passieren würde.

  21. #21 noch'n Flo
    27/03/2011

    @ CC:

    Irgendwie habe ich bei diesen ganzen “erweiterten Suiziden” immer wieder das Gefühl, dass die Täter einfach nur unglaubliche Feiglinge sein müssen. Die einfach nicht alleine aus dem Leben scheiden müssen, sondern unbedingt noch jemand anderes “mitnehmen” müssen.

    Seien es nun das eigene Kind oder die eigene Partnerin, seien es unschuldige Verkehrsteilnehmer (wenn der Täter einfach mal so frontal in den Gegenverkehr rast). Selbst das “sich vor den Zug Werfen” nimmt ja im Endeffekt etwas mit – nämlich die psychische Gesundheit des unschuldigen Lokführers.

    Meine Güte, was ist nur gegen eine Überdosis Valium mit Alkohol, gegen eine Kugel in den Kopf im heimischen Wohnzimmer oder gegen den Strick, der vom eigenen Dachbalken baumelt, einzuwenden? Das Ergebnis ist doch zumindest für den Suizidanden dasselbe.

    Was die Idee eines Buches angeht: stimme zu! Vielleicht so als eine Art forensisches Pendant zu den (mE hervorragenden) Geschichten eines Ferdinand von Schirach (dessen erstes Buch ja sogar demnächst verfilmt wird).

    @ alle:

    Zu den dunklen Seiten des Jobs:
    ein paar von Euch werden ja schon wissen, dass ich vor meiner allgemeinmedizinischen Karriere ursprünglich einmal Psychiater werden wollte. In meiner zweiten Assistenzarztstelle war ich dann in einer Suchtklinik, in der es auch eine forensische Abteilung gab (in der rechtskräftig zu Haftstrafen Verurteilte entgiftet bzw Alkohol- und Drogen-Entwöhnungstherapien unterzogen wurden).

    Ich war zwar zum Glück innerhalb der Klinik auf einer “ganz gewöhnlichen” geschlossenen Entgiftungsstation eingeteilt, aber spätestens in den Nacht- und Wochenendbereitschaftsdiensten musste ich regelmässig auch in den “besonderen Bereich”. Man musste sich dann bei Bedarf mit speziellen Magnetschlüsseln, 8-stelligen Code-Sequenzen und dem registrierten Fingerabdruck “einschleusen”. Und wenn ich erst einmal drinnen war, half es mir nicht wirklich, dass ich mit einem High-Tech-Piepser ausgestattet war, der immer dann Alarm schlug, wenn

    a) ich mich für mehr als 60 Sekunden nicht bewegte
    b) ich nicht alle 5 Minuten eine 4-stellige Code-Sequenz eingab
    c) wenn er mir von der Kleidung gerissen wurde.

    Der Piepser sollte übrigens angeblich auf dem gesamten Klinikgelände auf 50cm genau zu orten sein (ausprobiert habe ich dies allerdings nie).

    Zugegeben: die meisten “Insassen” waren eigentlich ganz gut drauf, insbesondere diejenigen in “Bereich 4” – das waren diejenigen, deren Entwöhnung einen sehr erfolgreichen Verlauf genommen hatte, so dass ihnen nicht nur künftig eine Haftzeitverkürzung winkte, sondern die auch in der Klinik ausgiebige Privilegien (lange TV-Zeiten, umfangreiche Kontakte zu Mithäftlingen und sehr lange Besuchszeiten, aber sogar auch das Recht, 2x pro Woche beim örtlichen Bringdienst Pizza und Co zu bestellen) genossen.

    Irgendwann war ich dann sogar einmal so “locker”, dass ich mich für eine knappe halbe Stunde an einer Skat-Runde mit Patienten beteiligt habe…

    In meiner Assistenzzeit in dieser Klinik hatte ich allerdings noch eine ganz andere Möglichkeit, mit den wirklich dunklen Seiten der menschlichen Seele in Kontakt zu kommen. Einer unserer Leitenden Ärzte bekam nämlich den Auftrag, als Sachverständiger das sog. “Balkonmonster” für das Gericht zu begutachten (wer den Fall nicht mehr kennt: hier und hier findet Ihr kurze Artikel zum Thema). Und er hat mich schliesslich eingeladen, bei den Interviews als sein Assistent zugegen zu sein.

    Ich habe zwar leider nicht mehr die gesamte Begutachtung miterlebt (da ich kurzfristig den Arbeitgeber (und damit schliesslich auch das Fachgebiet) gewechselt habe – was eine ganz andere, kompliziertere Geschichte ist), aber das wenige, was ich mitbekommen habe, hat mich zutiefst erschüttert. Insofern haben alle forensischen Psychiater bis heute meine allerhöchste Hochachtung, denn sie tun einen Job, der sich nicht selten jenseits des eigentlich menschenmöglichen bewegt.

    Übrigens: derselbe LA hatte nur kurze Zeit später ein Angebot, im Auftrag des Fürstenhauses zu Schauenburg den als “Prügelprinz” bekannt gewordenen Ernst August zu Hannover zu begutauchten. Es ging darum, ein Gegengutachten zum bereits erstellten Gerichtsgutachten zu erstellen, um zu beweisen, dass der Prinz an der damals anhängigen Körperverletzung (begangen an einem Hotelier in Kenia) nicht schuld bzw. zum Tatzeitpunkt nicht schuldfähig gewesen sein sollte.

    Der besagte Arzt hat diesen Auftrag ohne Zögern abgelehnt. Wie ich später erfuhr, soll er im Kollegenkreis geäussert haben: “Ich bin doch nicht verrückt. Da kann ich ja nur verlieren.”

  22. #22 noch'n Flo
    27/03/2011

    Nachtrag zu meinem vorigen Kommentar:

    bei

    Die einfach nicht alleine aus dem Leben scheiden müssen, sondern unbedingt noch jemand anderes “mitnehmen” müssen.

    ist das erste “müssen” bitte durch “können” zu ersetzen.

    Hab’s leider erst nach dem Absenden bemerkt…

  23. #23 Stov
    27/03/2011

    Cornelius: Wäre schön, wenn du einmal die Kontaktseite ausfüllst, “Musterblogger” 😉
    Zudem funktioniert bei mir der RSS-Feed nicht. Nehme an, das ist ein ähnlich uneingerichtetes Problem.

    Danke im Voraus 🙂

  24. #24 Thomas J
    27/03/2011

    @nochflo

    mich stört ein bisschen das Wort “Feigling”… könntest du das näher erläutern?

  25. #25 noch'n Flo
    28/03/2011

    @ Thomas J:

    Zu feige, um alleine und in aller Stille zu gehen. Da muss man noch jemand mit ins Verderben reissen, mit einem grossen Knall abgehen und es allen nochmal zeigen. So in etwa meinte ich das.

  26. #26 Cornelius Courts
    28/03/2011

    @noch’n Flo:
    Danke für das Teilen dieser heftigen Geschichte
    @Stov: done

  27. #27 Claudia
    28/03/2011

    Lana,

    irgendwie finde ich zwei Dinge an Deiner Argumentation anstößig (gut, den ganzen Rest auch, aber diese zwei stechen mir besonders ins Auge): erstens, die Idee, daß irgendeine Art von Glauben an die von Cornelius benannte unbelegbare und untätige “Macht” weniger kindlich bis kindisch, weniger lächerlich, weniger irrational ist als eine andere. Lachst Du über Kreationisten? Lachst Du über Feengläubige? Witzig, da der Evidenzgrad für all diese Phänomene derselbe ist wie für eine z.B. von Dir postulierte Gottheit, nämlich: null. Und damit stoßen wir auch schon an die Grenzen von Theologie als Wissenschaft bzw. die Wissenschaft von Gott (historische/soziologische Dimensionen hier nicht berücksichtigt). Wie funktioniert Wissenschaft nochmal so ganz ohne Evidenz? Ach ja, genau… garnicht. 🙂

    Zweitens: in welchen merkwürdigen “random mode” mußtest Du schalten, um ausgerechnet Ausschwitz und ein beliebiges Erdbeben als ultimativen Beweis dafür zu sehen, daß es keinen liebenden Gott gibt? Darin schwingt eine irgendwie, ja, unappetitliche Wertung und Aufwiegung von Menschenleben gegeneinander mit. Denn irgendwie scheinen nur Ereignisse mit vielen Toten zu beweisen, daß ein Gott kein Liebender sein kann. Nur wenn 6 Mio sterben, liebt Gott nicht. Was ist denn aber, wenn eine einzelne Frau an Krebs stirbt und ihr 5jähriges Kind zurückläßt? Oder… hey, was ist mit den vielen Toten, die Religionskriegen zum Opfer gefallen sind?

    Alles in allem finde ich es merkwürdig, auf einer Wissenschaftsseite mit dem unwissenschaftlichsten, was man so gemeinhin finden kann, nämlich Gott, zu argumentieren – da dieser Gott und was er tut, mit jeder weiteren in der Forschung beantworteten Frage weiter zurückgedrängt wird und in seinem Posten als Behelfskonstrukt für Psyche und noch Unerklärliches enttarnt wird. Aber gut, was soll’s; wie gesagt – als Stütze mag und soll er denen dienen, die seiner bedürfen. ABER dann herzukommen und die Worte “Gott” und “Logik” in einen verneinungsfreien Satz zu verbauen, und das hier, wo gedacht werden soll (Richard Dawkins: “Ich bin gegen Religion, da sie uns lehrt, damit zufrieden zu sein, die Welt nicht zu verstehen”), entlockt mir stetiges Kopfschütteln und ich möchte mit einem netten John McCarthy-Zitat diesen Post abschließen:

    “An atheist doesn’t have to be someone who thinks he has a proof that there can’t be a god. He only has to be someone who believes that the evidence on the God question is at a similar level to the evidence on the werewolf question.”

  28. #28 Claudia
    28/03/2011

    ach ja, Nachtrag: Natürlich ist diese Buchsache eine ausgeZEICHnete Idee 😉

  29. #29 Stov
    28/03/2011

    Cornelius: Danke. RSS krieg’ ich allerdings immer noch nicht hin. Ist das ein Problem auf meiner Seite oder ist man da dran? 🙂

  30. #30 Cornelius Courts
    28/03/2011

    @Stov: ja, das ist leider ein Problem von Scienceblogs, auf daß ich die Leute auch bereits hingewiesen habe; ich hoffe, es wird bald repariert!

  31. #31 roel
    28/03/2011

    @Cornelius Courts Wie sieht denn die proffesionelle Betreuung nach solchen Fällen aus? Oder wird einfach davon ausgegangen, dass jeder das für sich verarbeitet.

    Merkwürdig, auf Gott reagieren Sie ziemlich heftig (soll keine Kritik sein) aber “Geister der offenen Fälle” lassen Sie nicht los.

    @MartinB “Was ist denn dann dieser Gott?” Gott ist eine Erfindung der Menschen, die dazu dient(e) Unverstandenes zu erklären und Machtausübung über die Gläubigen zu ermöglichen. Aber was ist Wissenschaft? https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/03/was-ist-wissenschaft-ein-definitionsversuch.php#comment196748

  32. #32 Cornelius Courts
    28/03/2011

    @roel: Na, da hätte ich Ihnen aber mehr sprachliche Sensibilität zugetraut. Daß ich Atheist bin, heißt doch nicht, daß ich mich nicht der einen oder anderen poetischen Sprachfigur bedienen kann, die dann durchaus auch mal das Übernatürlich touchieren mag… es mag also auch inskünftig vorkommen, daß ich von “elfenhaft”, “gespenstisch”, “monströs”, “teuflisch” oder “titanisch” spreche, ohne die Existenz der zugeordneten Entität für plausibel zu halten.

  33. #33 roel
    28/03/2011

    @Cornelius Courts ” es mag also auch inskünftig vorkommen, daß ich von “elfenhaft”, “gespenstisch”, “monströs”, “teuflisch” oder “titanisch” spreche, ohne die Existenz der zugeordneten Entität für plausibel zu halten.” Ja natürlich, es soll ja ein Roman werden und kein staubtrockenes Sachbuch.

    Aber zurück zu meiner eigentlichen Frage (jetzt sogar ohne Fehler): Wie sieht denn die profesionelle Betreuung nach solchen Fällen aus? Oder wird einfach davon ausgegangen, dass jeder das für sich verarbeitet?

  34. #34 Cornelius Courts
    28/03/2011

    @roel: Sorry, ich vergaß, darauf zu antworten: “Aber zurück zu meiner eigentlichen Frage (jetzt sogar ohne Fehler): Wie sieht denn die profesionelle Betreuung nach solchen Fällen aus? Oder wird einfach davon ausgegangen, dass jeder das für sich verarbeitet?”

    Wir haben keinen Psychologen im Haus und es gibt auch keine offizielle/professionelle Betreuung – jedenfalls nicht für uns Wissenschaftler. Für Ärzte, soweit ich weiß, aber auch nicht – ich nehme an, daß man sich beim Betriebsarzt Hilfe holen oder zumindest vermitteln lassen kann. Vermutlich ist das aber selten notwendig, da jemand, der die Rechtsmedizin wählt, weiß oder wissen sollte, worauf er/sie sich einlässt.

  35. #35 Muddi & theBlowfish
    28/03/2011

    @Cornelius:

    ich nehme an, daß man sich beim Betriebsarzt Hilfe holen oder zumindest vermitteln lassen kann.

    Tja, zu idealistisch gedacht, leider gilt hier der Satz: de Schuster hat die schlechtesten Schuhe.
    Ist leider Essig mit der Hilfe für traumatisierte Helfer, da muss man sich schon selbst drum bemühen (Ein Arzt kann in Deutschland nicht mal selbst in die Reha -volkstümlich: Kur) selbst wenn er es gebrauchen könnte.
    Eine der Tatsachen, die mich von der Rechtsmedizin abgehalten haben, obwohl ich die Vorlesungen genial fand und mich das Fach seeehr fasziniert hat.
    Aaaaber: absoluter Frauenmangel in dem Metier und daher dauernd: dir wird da mehr vertraut so Du als Frau: Red Du mal mit der Vergewaltigten/ dem misshandelten Kind usw.
    Ehrlich gesagt, das geht SEHR an die Substanz und ich habe einsehen müssen, dass ich dafür nicht stark genug gewesen wäre, dass dauerhaft das Tag für Tag zu machen-
    Dann lieber Feld-Wald Wiesen Hausarzt- die Fälle die da vorkommen, reichen schon…

  36. #36 Muddi & theBlowfish
    28/03/2011

    @lana:
    Wenn Gott/der Weihnachtsmann/der Osterhase/Wolpartinger/die Unterhosenwichtel/unsichtbare rosaEinhörner existieren aber gar keinen Einfluss haben/nehmen/sich nie manifestieren-welche Relevanz hat es dann an so was zu glauben?
    Was soll es bringen?
    Sollte man da nicht was Produktiveres mit seiner Zeit anfangen?
    Hilft es einem, bringt es da was zu beten und warum tun das trotzdem so Viele?
    Wozu dann alte Knacker dazu bezahlen, sich in Lebensbereiche einzumischen, von dene Sie, wenn Sie sich an das, was sie predigen, halten würden-eigentlich gar kein Ahnung haben dürften?
    Wieso müssen dann immer noch Menschen für den angeblich richtigen Glauben sterben?
    Beantworte mir das mal ohne zu Schwurbeln…

  37. #37 Cornelius Courts
    28/03/2011

    @Muddi & theBlowfish: “Dann lieber Feld-Wald Wiesen Hausarzt- die Fälle die da vorkommen, reichen schon… ”
    Völlig Deiner Meinung. Ein guter Hausarzt kann sehr viel Gutes tun und es ist sehr respektabel, seine Grenzen anzuerkennen und sich trotz Interesses gegen die Rechtsmedizin zu entscheiden. Dennoch bin ich heilfroh, daß es unsere Ärzte in der Rechtsmedizin gibt. Und zur Frauenquote: ich darf freudig verkünden, daß wir drei Ärztinnen bei uns haben und auch beide Präparatorinnen sind erstens äußerst fit und zweitens sehr coole Frauen. Und auch in meiner Abteilung sind außer mir nur Frauen.
    Und das ist prima so.

  38. #38 s.s.t.
    28/03/2011

    @Muddi & theBlowfish

    Aaaaber: absoluter Frauenmangel in dem Metier

    In den forensischen Untersuchungstellen ist die Frauenquote recht hoch und nicht selten ist F > M. Die Quote hängt vor allem vom Fachgebiet ab und nicht von der Stellung in der Hierarchie.

  39. #39 noch'n Flo
    28/03/2011

    @ CC:

    Für Ärzte, soweit ich weiß, aber auch nicht – ich nehme an, daß man sich beim Betriebsarzt Hilfe holen oder zumindest vermitteln lassen kann.

    Tja, wenn das denn immer so wäre. In meinem letzten Studienjahr (dem sog. “Praktischen Jahr”) war ich ab Ende Mai 1998 als Assistenzarzt in der Unfallchirurgie der “Medizinischen Hochschule Hannover” eingeteilt. In meiner 2. Woche ereignete sich das zu trauriger Berühmtheit gelangte “ICE-Unglück von Eschede”. Zwar wurden vor Ort nur einige unserer erfahrenen Fachärzte eingesetzt, in der Notaufnahme des Unispitals jedoch wurden alle verfügbaren Kräfte gebraucht. Was dazu führte, dass eben auch alle der Abteilung zugeteilten Studenten im “Emergency Room” und in den OPs eingesetzt wurden.

    Ich war dadurch dabei, als schwerstverletzte Patienten per Helikopter eingeliefert wurden, habe bei der Versorgung im Schockraum mitgeholfen und schliesslich 6 Stunden lang bei der Operation einer Schwangeren assistiert, an deren Ende sowohl die Mutter als auch das Ungeborene verstorben sind.

    In den folgenden Tagen wurden alle regulär in der Uniklinik angestellten Assistenz- und Oberärzte professionell von Psychologen und Seelsorgern betreut. Den Studenten jedoch wurde dies verweigert, mit der Begründung, dafür sei nicht die Uniklinik, sondern das Studentendekanat zuständig. Welches die Verantwortung auf das Studentensekretariat weitergeschoben hat. Letzteres hat sich dann für nicht zuständig erklärt.

    Hätten wir Studenten nicht in Eigenregie einen Dozenten der Abteilung “Psychologie für Mediziner” überredet, mit uns 3 (!) Gruppensitungen à 30 Minuten abzuhalten (was angesichts der aktuellen Erkenntnisse zum Thema “Traumatisierung von Erst- und Notfallhelfern” lächerlich wenig ist) – wir hätten wohl niemals eine Chance erhalten, das Erlebte zeitnah zu bearbeiten.

  40. #40 noch'n Flo
    28/03/2011

    Korrektur:

    war ich ab Ende Mai 1998 als Assistenzarzt

    Uupsi! Es muss natürlich “PJ-Student” heissen, nicht “Assistenzarzt”.

  41. #41 Muddi & theBlowfish
    29/03/2011

    “s.s.t : Hab nicht behauptet, dass das mit der Hierarchie zu tun hat.
    und auch @Cornelius
    Freue mich aber, dass Ihr mich eines Gegenteils überzeugen könnt und das es jetzt mehr Frauen als Männer in den Bereichen gibt- war halt bei uns zu dem Zeitpunkt in meiner Fakultät nicht so.
    Und wie gesagt, da waren damals meine persönlichen Grenzen. Mit der Zeit wird man härter aber ich vermisse nix, fühle mich in meinem Gebiet jetzt sauwohl.

  42. #42 lana
    30/03/2011

    Hallo Leute, ich antworte euch einzeln, damit es nicht zu unübersichtlich wird. Hier zunächst meine Antwort

    @Cornelius:
    Natürlich gibt es frühere Belege für die Dissonanz zwischen erfahrenem Leid und erwarteter Güte. Als Literatur findet man sie etwa im Buch Hiob, in vielen Psalmen und den Klageliedern. Schon die theologische Aussage, im Buch Hiob werde Abstand vom bisherigen Tun-Ergehen-Zusammenhang (das Leiden habe seine Ursache in einer Schuld des Leidenden) genommen, ist dabei eine neuzeitliche Interpretation. Was der Theologie zum Vorwurf gemacht wird, ist ja nicht, dass sie am Gottesverständnis der Antike festhielte, sondern dass sie im Aufgreifen neuer Erkenntnisse anderer Disziplinen, etwa der Humanwissenschaften oder der Astronomie, anders über Gott spricht als früher.

    Anregend finde ich Deine Analogie, Theologie verhalte sich zur Wissenschaft wie Micky Maus zur Literatur. Denn Comics greifen nicht nur literarische Topoi auf, sie prägen auch die Alltagssprache und wirken auf die übrige Literatur zurück. Man denke nur an die Sprachschöpfungen Erika Fuchs’! Und an die ‘Donaldisten’ in der FAZ-Redaktion. Dort beklagt man sich schon darüber, Kinder würden zu selten Comics lesen. Schundliteratur nannte man das in der 50er- und 60er-Jahren. Auch Luthers Bibelübersetzung galt im 16. Jahrhundert als gefährlich. Und dann erst die theologische Idee vom allgemeinen Priestertum! Jeder soll die Bibel lesen können? Geschenkt, aber dann kann man auch andere Bücher lesen – und schreiben.

    Und, um in deinem Bild zu bleiben: Ich habe mich auf dem Kongress der Geographen nicht darüber beschwert, dass man das Auenland nicht ausreichend berücksichtigt hätte. Ich habe aber Einspruch gegen die Behauptung eingelegt, das Auenland läge in Azeroth und sei von Tauren bevölkert.

    Das Erdbeben von Lissabon 1755 habe ich als Beispiel für die Wiederauflage der Theodizee in der Neuzeit herangezogen, gerade auch deshalb, weil Kant natürliche Ursachen vermutete und Voltaire, dass unsere Welt wohl doch nicht die “beste aller Möglichen” im Leibniz’schen Sinne sein dürfte. Zu dieser Zeit kam der Deismus in Mode, also Gott als Uhrmacher, der sich nicht ins Uhrwerk setzt, oder: die Trennung von Gott und Welt (die man auch schon früher hätte haben können, hätte man auf die jüdische Überlieferung gehört). Und Auschwitz habe ich in Hinblick auf Dorothee Sölle genannt: Sölle, die unter dem Eindruck des Holocaust eine “Gott-ist-tot-Theologie” entwickelte und meinte, es sei möglich, atheistisch an Gott zu glauben – ja sogar: es ginge gar nicht anders. So wie Ernst Bloch schrieb: “Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, nur ein Christ kann ein guter Atheist sein”.

    “Atheismus ist, was man macht, wenn man erwachsen wird!” Ich könnte dagegenhalten: “Tja, wenn man noch keine Dreißig ist, macht man so eine Phase ganz gerne durch”. Harald Schmidt meint, auf dem Sterbebett würden alle katholisch. Ich finde diese Sprüche zwar ganz witzig, aber auch überheblich. Da schwingt immer mit: ich weiß, wie der Hase läuft – und alles andere ist Schwindel. Dabei ist die Frage, ob man nun an Gott glaubt oder nicht, nach jüdischer Überlieferung selbst Gott egal. Hier hast du die Eiche an der du dich reiben kannst, aber du kannst dich genausogut auf die Weide legen.

    Man kann sich an altes Denken klammern wie die Kreationisten, die eigentlich Atheisten sind. Denn, um es mit Bultmann zu sagen: eine Wissenschaft wäre nicht allein deshalb “atheistisch”, weil sie die Existenz Gottes leugnete, sie wäre es genauso, wenn sie seine Existenz als Wissenschaft behauptete. Also als innerweltliches Phänomen, über das man in allgemeinen Sätzen reden könnte, in allgemeinen Wahrheiten, “die wahr sind ohne Beziehung auf die konkrete existentielle Situation des Redenden” (Bultmann). Bei den Kreationisten läuft das so ab, dass Gott in der Welt verortet wird wie ein ätherischer Elefant, seine Existenz in der Welt ablesbar erscheint und im übrigen alles genau so zu sein hat, wie es in der Bibel steht. Transzendenz wird bei Kreationisten weder als Aufgabe (wie bei Bloch: “Denken heißt überschreiten”) noch als Schwelle (Gott als der “ganz Andere”) gesehen, sondern vormodern als Souveränität: Gott als König, der mit einem Plan regiert, den Kreationisten zu kennen meinen. Weil das aber schon gegen das erste Gebot (Barth: das theologische Axiom) verstößt (man macht sich fleißig ein Bildnis von oben und unten), meinen sie ihre Lehre noch “naturwissenschaftlich” stützen zu müssen. Dagegen hilft dann nur Debunking von beiden Seiten.

  43. #43 lana
    30/03/2011

    @s.s.t.:
    Leute wie Mixa und Williamson bestätigen mich in der Auffassung, dass jede noch so gute Idee durch Macht korrumpiert wird. Bei solchen Bischöfen wird Gott nicht mehr gebraucht, denn sie wissen ja selbst am besten, welche Strafe die Menschen nun wieder verdient haben sollen. Sie setzen sich selbst an Gottes Stelle und verteilen Strafen. Offensichtlich ist Vergeben zu anstrengend.

    Ich frage mich, wo bei diesen Leuten die Demut bleibt. Oder warum es in Luk 6,37 heißt: “Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet.”, der Tipp aber von Bischöfen wie Fundamentalisten überhört wird. Da lob ich mir Atheisten, die Gott einen guten Mann sein lassen!

    Ich frage mich aber nicht mehr, warum bei der künstlerischen Gestaltung von Kirchenportalen, etwa am Notre Dame, wo es um das Jüngste Gericht geht, in der “Höllenecke” Bischöfe, Päpste und Mönche abgebildet sind.

  44. #44 lana
    30/03/2011

    @Claudia:
    Mit meinem scharfen Einwand gegen den “Kinderglauben” wollte ich nicht etwa einen persönlichen Glauben dieser Art diskreditieren oder lächerlich machen. Sondern, da Cornelius explizit nicht an das glaubt, was er anderen zugeschrieben hat, deutlich machen, dass diese Vorstellung nicht bei allen Gläubigen in der beschriebenen Form auftritt.

    Ich habe keine Belege über Häufigkeit und Verteilung bestimmter Glaubensansichten in einer Population. Ich bin aber mit Feyerabend der Meinung, dass implizite Wissensbestände in Gesellschaften über Stories verfügbar gemacht und aktualisiert werden. Das kann die Bibel, der Koran, oder Star Trek sein. Es kann auch die “Doppelgottheit Vernunft und Kritik” (so Luhmann) sein, die ihre Geschichte erzählt.

    Ich bin außerdem der Meinung, dass diese Stories notwendig sind, um überhaupt Kommunikation darüber wahrscheinlich zu machen. Ich stelle mir das so vor, dass jeder was anderes glaubt. Aber die Stories ermöglichen die Markierung und Bezeichnung von Differenzen: Ich bin Atheistin. Du bist Hinduistin. Ich bin evangelisch. Du bist orthodox. Ich bin Beverly Crusher. Nicht. Undsoweiter!

    Die Reduktion auf eine Story ermöglicht den Aufbau komplexer Kommunikation, aus denen nach Luhmann soziale Systeme bestehen. In Nordirland geht es seit langem nicht mehr um den theologischen Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten. Aber die Differenz wird immer wieder hergestellt, oftmals auch gewollt.

    Lache ich über Kreationisten? Ja, weil sie es besser wissen könnten, wenn man ihnen Vernunft und Logik unterstellt. Lache ich über ein Kind, das sich Gott als Mann mit weißem Bart vorstellt, der Weihnachten die Geschenke bringt? Nein, denn als Christin rede ich Gott auch mit “Vater” an und bin als Mensch selbst ein Kind Gottes wie alle anderen auch. Und wenn jemand an Feen glaubt, dann möchte ich aber auch, dass er dafür sorgt, dass Straßen um die Feensteine herum gebaut werden, wie es in Island der Fall ist. Hier halte ich es mit Tocotronic: Pure Vernunft darf niemals siegen. Das Humanum ist das (scheinbar) Unnütze, nenne es Kunst, oder Interesse!

    Manchmal geht es mir aber auch so, dass ich mir bei den Zeugen Jehovas denke: Mensch, geht doch in die Landeskirche oder gründet was weniger Anstrengendes.

    Und ich glaube schon, dass Gott auf unserer Seite ist. Aber mit Atomkraftwerken, Erdbeben und dem persönlichen Leid müssen wir zunächst mal selbst fertigwerden. Das Problem ist ja nicht, dass wir nicht wüssten, wie es zur Katastrophe kam, sondern wie wir mit ihren Folgen umgehen.

    Das war der Ausgangspunkt: Leiden ist nicht vertretbar, egal welche Weltanschauung man hat. Aber man kann sich darüber unterhalten, wie man damit umgeht – ohne dass man gleich ein psychologisches Seminar draus macht.

    Dass jedes Kind glauben kann und keine Meriten notwendig sind, halte ich für einen Vorteil. Der Nachteil an der Sache ist natürlich, dass jeder was anderes glaubt.

    Und das ist die Aufgabe der evangelischen Theologie: zu sagen, was sie von den vielen Theologien, die es gibt, unterscheidet. Denn wer Werwölfe, Feen, die Homöopathie und den lieben Gott in einen Topf wirft, hat nur noch einen “unmarked space” – auf der anderen Seite einer Unterscheidung “sehe ich – das sehe ich nicht”.

  45. #45 lana
    30/03/2011

    @Muddi&theBlowfish:
    Da gibt es ja das schöne Wort von Brecht, man brauche genau dann einen Gott, solange man sich ohne Gott anders verhalten würde als mit. Also Gott als Ethik-Katalysator. Es gab vor Jahren hier in Berlin auch mal eine dämliche Kampagne der evangelischen Kirche zum Religionsunterricht mit dem Claim “Werte brauchen Gott”. So nach dem Motto: Ohne Gott geht die Moral den Bach runter. Von denen hat niemand Kant gelesen, geschweige denn Ethik als akademische Disziplin studiert!

    Also wozu das ganze? Ich spreche mal von mir:
    1. Sozialisation. Wäre ich nicht als Säugling evangelisch getauft, hätte ich keinen guten Religionsunterricht bekommen und auch kein Geld für die Konfirmation, sondern religionslos aufgewachsen, wäre ich jetzt vermutlich Atheistin. Möglicherweise wäre ich auch in einer Sekte gelandet, aber das halte ich für unwahrscheinlich. Ich mag keine Schwärmer.

    2. Glaube. Kann als Autopoiese von 1. angesehen werden. Der Glaube ist das, was Folgen hat, dabei aber hoch selektiv, denn die Inhalte werden nicht 1:1 aus der Bibel übernommen, sondern nur bestimmte Abschnitte der Bibel. Warum und welche, kann man versuchen, theologisch zu klären.

    3. Outcome: Ich glaube, ich hätte es als Atheistin, die ich einige Jahre war, leichter. Das sage ich aber nicht, um mich zu brüsten, sondern weil ich umgekehrt öfter lese, religiöse Leute hätten es einfacher, denn sonst würden es ja nicht so viele machen. Ich gebe zu, dass es mich motiviert, zu versuchen, dieses Feld nicht den Dummbatzen zu überlassen, also u.a. den “alten Knackern” vom Schlage eines Mixa.

    Ich denke, dass durch diese Dummbatzen ein Großteil zu recht abgeschreckt wird von Religion; dass durch Kreationisten und Rednecks der Glaube in Verruf gerät. Das führt dazu, dass es in unserer Gesellschaft einen geradezu verklemmten Umgang mit Religiosität gibt. Das ist schade, denn trotz allem ist das Lesen in der Bibel immer noch ein subversiver Akt.

    Warum immer noch Menschen für den angeblich richtigen Glauben sterben müssen, verstehe ich auch nicht und kann es nur damit begründen, dass Menschen mitunter rechthaberische Dickheads sein können.

  46. #46 lana
    30/03/2011

    @MartinB:
    >> “Was ist denn dann dieser Gott?”

    als Konstruktivistin antworte ich: Gott ist ein gedachter Beobachter 2. Ordnung, der die Welt genießt.
    als Luhmannianerin antworte ich: Gott ist eine Kontingenzformel, um Transzendenz immanent zu kommunizieren, kann also alles mögliche sein (und schließe damit an Luther an)
    als Christin glaube ich an den Auferstandenen, an Jesus Christus, und als Lana daran, dass es einen Grund hat, dass wir als bewusste Materie durchs All schwirren.

    Ich hoffe, dass das morgen auch noch stimmt, denn wie Luther sagt: “Woran du nun dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott.”

  47. #47 Ohhhh
    31/03/2011

    danke lana

  48. #48 Claudia
    31/03/2011

    Lana – nimm’s mir nicht übel, aber ich werde auf Deinen Beitrag nicht mehr eingehen und mich auch aus dieser (zeitraubenden) Diskussion zurückziehen, da ich mit Deiner Argumentationsweise nicht viel anfangen kann. Ich persönlich finde sie inkonsistent, frei von Vernunft (Glauben und Vernunft: does-not-compute; insbesondere nicht, wenn man eine Form des nicht evidenzbasierten Glaubens vernünftiger findet als eine andere) und Religion verharmlosend.
    Ich glaube, daß Gott ein Behelfs- und Machtkonstrukt ist, ein Trost, ein Lückenfüller für fehlende Erklärung und halte die Gründe für seine Erfindung und Aufrechterhaltung für so offensichtlich, daß es mir (nebst der fehlenden Nachweisbarkeit) unmöglich ist, zu glauben.
    Deswegen werden wir hier keinen Konsens finden, und ich sage es auch ganz offen: ich kann diesbezgl keine ergebnisoffene Diskussion führen

  49. #49 Andreas P.
    31/03/2011

    also ich hab jetzt ne Stunde mit mir gerungen, mich zu

    Gott ist eine Kontingenzformel, um Transzendenz immanent zu kommunizieren

    zu äußern und mich zum Schluss dagegen ebtschieden, es wäre keine sachliche Kritik geworden.

    Habs schon mal gesagt und sags bestimmt noch ein paar mal: klasse Blog, gut geschrieben, informativ, unterhaltend .. bitte mehr.

  50. #50 Mamasliebling
    31/03/2011

    “Für Ärzte, soweit ich weiß, aber auch nicht – ich nehme an, daß man sich beim Betriebsarzt Hilfe holen oder zumindest vermitteln lassen kann.”

    Kann man nicht einfach zu seinem normalen Arzt gehen und sich einige Stunden beim Psychologen verschreiben lassen?

  51. #51 BreitSide
    01/04/2011

    Mamasliebling·
    31.03.11 · 23:20 Uhr

    “Für Ärzte, soweit ich weiß, aber auch nicht – ich nehme an, daß man sich beim Betriebsarzt Hilfe holen oder zumindest vermitteln lassen kann.”

    Kann man nicht einfach zu seinem normalen Arzt gehen und sich einige Stunden beim Psychologen verschreiben lassen?

    Klar, das geht dann auf Kosten der Krankenkassen.

    Wenn die Einwirkung aus dem Beruf kommt, sind (wie der Name schon sagt) die Berufsgenossenschaften gefragt (oder die Unfallkassen bei kommunalen Krankenhäusern). Dann gibt es auch keine Zuzahlungen oder Praxisgebühren.

    Die Koordinierung bzw Überweisung erfolgt durch den Durchgangsarzt/Unfallarzt. Oder durch den Unfallversicherer. Der Betriebsarzt hat dagegen die Aufgabe, vor einem Unfall bzw einer übermäßigen Belastung Prävention zu betreiben, zB durch
    – Einrichten von regelmäßigen Supervisionen,
    – Information, welche Ansprechstellen es gibt,
    – Aufklärung, dass die Unfallversicherer leisten.

  52. #52 GeMa
    02/04/2011

    Bei uns waren die Betriebsärzte nur für die regelmäßigen Kontrolltermine (Tuberkulose) zuständig. Ferner für die (extrem seltenen) Fälle von Säge- o. Schnittverletzungen am Tisch mit dem üblichen Infektionsrisiko und für Folgekrankschreibungen, die über allgemeines ärztliches/zahnärtzliches Limit hinausgehen mussten, bspw. bei Hautläsionen oder einer läppischen Zahnextraktion.

    Der Rest war generell Privatkram, den man mit sich selbst auszumachen hatte und man wusste schliesslich vorher, für was man sich entschieden hat. Ist ja heute richtig Vollversorgung mit Wellnesskomponente 😉

  53. #53 BreitSide
    02/04/2011

    @Gema: was heißt “bei uns waren”? BRD oder DDR? Als – angestellter – Zahnarzt ist es dem Arbeitgeber verboten, Dich ohne arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung an den Stuhl zu schicken. Das war früher der “arbeitsmedizinische Grundsatz G 42”, jetzt steht das in der ArbMedVV im Anhang.

    Und da steht bei Zahnärzten nichts von TBC, nur von Hepatitis B+C.

    Pflichtuntersuchung vor Beginn der Tätigkeit, erste Nachuntersuchung nach einem Jahr, dann alle drei Jahre (oder früher, wenn für erforderlich gehalten) und noch einmal bei Ausscheiden aus der Tätigkeit.

    Das ist gesetzliche Pflicht, und im Falle des Zuwiderhandelns gibt es “Regress”, also “Beteiligung an den Behandlungs- und Versorgungskosten” in fast beliebiger Höhe (bis kurz vor der Pleite des Arbeitgebers).

  54. #54 Gluecypher
    02/04/2011

    2. Glaube. Kann als Autopoiese von 1. angesehen werden. Der Glaube ist das, was Folgen hat, dabei aber hoch selektiv, denn die Inhalte werden nicht 1:1 aus der Bibel übernommen, sondern nur bestimmte Abschnitte der Bibel. Warum und welche, kann man versuchen, theologisch zu klären.

    Also mal wieder vollkommene Beliebigkeit. Warum zum Beispiel wird Gott als wahr angenommen (steht ja schließlich in der bronzezeitlichen Loseblattsammlung namens Bibel)? Und wieso ist Judas eingentlich der Böse? Denn wenn der am Ölberg einfach mal so ein bisschen “Lalalala, ich weiss nicht, was die Römer meinen. Jesus? JESUS? Kenn ich nich’!” gesagt hätte, wäre die ganze Story mit an den Stock nageln und Auferstehung undsoweiter ja gar nicht passiert. Aber mit theologischen Spitzfindigkeiten ohne Belege lässt sich das bestimmt irgendwie hinzimmern.

    Und wieso hat Gott denn dann nicht (rechtlich gesehen) Selbstmord begangen? Ich meine, da ja Gott, Jesus und der Heilige Geist eine Entität sind. Und wenn er schon ein Drittel von sich als Allmächtiger zum Opfern geschickt hat, was ist das denn Wert? Ich meine, es war schon von vorneherein klar, dass er sich selbst wieder in den Himmel schickt, da ist doch der ganze Witz mit der Opferung weg. Ein Opfer soll ja schließlich etwas wirklich schmerzhaftes sein, oder?

    Und wie steht es denn mit der Homosexualität? Die ist doch ganz arg pöööhse.(Leviticus, 18, 22). Im selben Text steht aber auch, dass Tätowierungen gaaanz aarg pööööhse sind (Leviticus 19, 28). Brennen jetzt alle Tätowierten auch für immer in der Hölle, wie die Schwulen?

    Übrigens fällt mir auf, dass Du sehr gerne mit “Derundder hat dasunddas gesagt…..” argumentierst. Hast DU dazu keine eigene Meinung?

  55. #55 GeMa
    02/04/2011

    @BrideSite Wie kommst Du überhaupt auf das Thema Zahnärzte? Was bei denen in irgendwelchen Anhängen steht oder stand, war und ist für Personal in Sektionsbereichen völlig irrelevant, da gelten ganz andere Vorschriften. (- u.a. – wegen Tb).

  56. #56 BreitSide
    02/04/2011

    @Gema: wegen der

    läppischen Zahnextraktion

    Und für Pathologen gelten exakt dieselben Vorschriften. Und für Chirurgen auch. Nur evt andere Ziffern im Anhang, d.h. möglicherweise andere Infektionskrankheiten. Aber HB/CV dürften dabei sein.

    TBC ist mW nur für Lungenkliniken/-fachärzte relevant, nicht für Pathologen.

  57. #57 BreitSide
    02/04/2011

    @Gema: hier die entsprechenden Auszüge:

    Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)
    Ausfertigungsdatum: 18.12.2008
    Vollzitat: “Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768), die zuletzt durch Artikel 5 Absatz 8 der Verordnung vom 26. November 2010 (BGBl. I S. 1643) geändert worden ist”
    Stand: Zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 8 V v. 26.11.2010 I 1643
    Fußnote
    (+++ Textnachweis ab: 24.12.2008 +++)
    Die V wurde als Artikel 1 der V v. 18.12.2008 I 2768 von der Bundesregierung nach Anhörung der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen. Sie ist gem. Art. 10 Satz 1 dieser V am
    24.12.2008 in Kraft getreten.Anhang Arbeitsmedizinische Pflicht- und Angebotsuntersuchungen sowie weitere Maßnahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge
    (Fundstelle: BGBl. I 2008, 2771 – 2775; bzgl. der einzelnen Änderungen vgl. Fußnote)

    Teil 2
    Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen einschließlich gentechnischen Arbeiten mit humanpathogenen Organismen

    (1) Pflichtuntersuchungen für:

    Mycobacterium tuberculosis:

    Tuberkuloseabteilungen und andere pulmologische Einrichtungen
    bei
    Tätigkeiten mit regelmäßigem Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigten Personen

    und für

    Forschungseinrichtungen/Laboratorien
    bei
    regelmäßige(n) Tätigkeiten mit Kontaktmöglichkeit zu infizierten Proben oder Verdachtsproben bzw. zu erregerhaltigen oder kontaminierten Gegenständen oder Materialien

    Bist Du da nicht dabei?

  58. #58 BreitSide
    03/04/2011

    @Gema: hier die entsprechenden Auszüge (jetzt besser zitiert):

    Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)
    Ausfertigungsdatum: 18.12.2008
    Vollzitat: “Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768), die zuletzt durch Artikel 5 Absatz 8 der Verordnung vom 26. November 2010 (BGBl. I S. 1643) geändert worden ist”
    Stand: Zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 8 V v. 26.11.2010 I 1643
    Fußnote
    (+++ Textnachweis ab: 24.12.2008 +++)
    Die V wurde als Artikel 1 der V v. 18.12.2008 I 2768 von der Bundesregierung nach Anhörung der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen. Sie ist gem. Art. 10 Satz 1 dieser V am 24.12.2008 in Kraft getreten.Anhang Arbeitsmedizinische Pflicht- und Angebotsuntersuchungen sowie weitere Maßnahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge
    (Fundstelle: BGBl. I 2008, 2771 – 2775; bzgl. der einzelnen Änderungen vgl. Fußnote)

    Teil 2
    Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen einschließlich gentechnischen Arbeiten mit humanpathogenen Organismen

    (1) Pflichtuntersuchungen für:

    Mycobacterium tuberculosis:
    Tuberkuloseabteilungen und andere pulmologische Einrichtungen
    bei
    Tätigkeiten mit regelmäßigem Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigten Personen
    und für
    Forschungseinrichtungen/Laboratorien
    bei
    regelmäßige(n) Tätigkeiten mit Kontaktmöglichkeit zu infizierten Proben oder Verdachtsproben bzw. zu erregerhaltigen oder kontaminierten Gegenständen oder Materialien

    Bist Du da nicht dabei?

  59. #59 Muddi & theBlowfish
    03/04/2011

    Also, ich kenne betriebsärztl. Arbeiten auch eher als Tbc und Impfstatuskontrolle, ggf Nachimpfungen, Unersuchung nach Arbeitsunfällen. Und diejenigen, denen man mal sein Leid klagen darf, wenn man Steissschmerzen auf den alten Bürostühlen bekommt…
    bei sehr engagierten kommt auch mal: Soll ich Hep A auch noch mitimpfen oder,, also, wenn sie mal die Schilddrüsenwerte kontrolliert haben müssen, kann ich das auch gleich mal mitmachen.

    @lana: Also, wenn Du von Jungfrauen geborene Zombies cool findest, bitte- aber irgendwie klingt das für mich ehrlich gesagt nicht weniger amüsant, als an kleine grüne Männchen oder Feen zu glauben.
    Das Trolle Wirklichkeit sind, beweisen sie hier in den Blogs tagtäglich zur Genüge 😉

    Verstehen kann ich irgendwo die Hoffnung, dass es noch etwas anderes gibt als das Leben hier- Das ist etwas , was ich respektiere, als Möglichkeit, mit dem eigenen Schmerz und Verlust fertigzuwerden, es sollte jedoch nicht den Blick auf das Hier und Jetzt dauerhaft vernebeln.
    Uärks, ich glaube ich mache hier lieber Schluss, es ist spät und wenn ich müde werde, fange ich an zu schwurbeln!

  60. #60 GeMa
    03/04/2011

    @BrideSite – ach so. Wie Zahnärzte zu Sägeverletzungen kommen, war schon sehr geheimisvoll. Für Beckenkämme sind wohl eher doch die MKGler zuständig. Du hast trotzdem immer noch am kurzen Kommentar vollständig vorbei gelesen. Versuchs halt nochmal und geh mir bis dahin einfach nicht auf die Nerven.

    Um die Frage sonstiger Infektionskrankheiten dreht sich im Moment auch gerade gar nichts. Erst recht nicht das Thema – es ging um die Frage eines Kommentierenden, ob sich wer um die psychischen Belastungen bekümmert (hatte). Und das war zumindest zu meiner Zeit dort nicht der Fall. Man hatte damit klar zu kommen oder auch nicht.

    Mit Sicherheit nennst Du mir den relevanten Auszug aus der ArbMedVV, der sich darauf bezieht, wie man mit dem menschlichen Elend umzugehen hat, was einem da so unter gekommen ist. Vlt. stehts ja auch im Anhang.

    Dein mW bezüglich Tb ist schlicht falsch. Aber : zumindest kann ich das für heutige Zustände ohne Weiteres nachvollziehen, dass es schlicht unnötig geworden ist. 1)Wenn die Ursache klar ist (scheint), wird keiner mehr die Kosten einer Sektion tragen. 2) Ausserdem ist alles, was behandelt wird an Tb heute kein Drama mehr. Betrifft post keinen Pathologen – Proben sind in feuchtem Zustand und somit kein Problem. 3) die unbehandelt durchs Raster Fallenden (z.B. die ungeklärten/illegalen Aufenthalter, Obdachlose, etc.) für die interessiert sich eh keiner. Da kommt man gar nicht in die Verlegenheit, auch nicht als Pathologe. 4) Die Kriegsgeneration stirbt auch längst weg – insoweit sind Überraschungen an Wirbelsäule oder Hirn, erst recht im Zusammenhang mit Pkt.1) eher ausgeschlossen. Die kommen auf keinen Tisch mehr.

    Wenn Du ansonsten fertig bist, Dich an völlig irrelevanten Nebenschauplätzen hochzuziehen – die weder mich, noch sonstwen interessieren, könnte man ja zum Thema zurückkehren.

  61. #61 GeMa
    03/04/2011

    @muddi – so kenne ich das auch. Wir haben nur zusätzlich noch Krankschreibungen/Beschäftigungsverbot für kurze Zeiträume bekommen, wenn offene Wunden da waren. Womit man sonst normalerweise arbeitsfähig ist, weil Kleinkram.

    @BrideSite – sehr interessant. Nein, da bin ich nicht dabei, weil ich vor 17 Jahren raus bin aus der Forensik. Das 2008er Verordnungsgewölle kannst Du Dir daher gut irgendwo annageln. Zumal immer noch nicht erkennbar ist, was Du uns eigentlich mitteilen wolltest.

  62. #62 BreitSide
    03/04/2011

    GeMa: ist ja schon gut, Du bist der Beste, kannst Alles, alle Anderen, die nicht Deiner Meinung sind, sind Deppen. Habich endlich verstanden.

    Und als alter Silberrücken könntest Du vielleicht wissen, dass 2008 die Arbeitsmedizin nicht angefangen hat. Es gab davor den G 42. Und die BGV A 4. Und davor die VBG 4.

    Was inhaltlich fast überhaupt keinen Unterschied machte.

    Aber Du hast natürlich Recht, es geht um Nachsorge, nicht um Vorsorge. Nur da ist der Betriebsarzt halt vollkommen der Falsche. Aber gräme Dich nicht, das denken Viele.

    Neulich im Kino. Neben mir ein Arzt. Auf einmal ein Ruf: “Ist hier ein Arzt?” Mein Nachbar duckt sich “Ist sicher nicht so schlimm. Wird schon noch ein Arzt da sein.” Es ruft immer dringlicher. Endlich steht er auf und gibt sich als Arzt zu erkennen. Darauf der Rufer: “Na, Kollege, prima Film, nicht wahr?”

  63. #63 noch'n Flo
    03/04/2011

    @ BreitSide:

    OMG, gibt es überhaupt noch Witze mit noch längerem Bart?!?

  64. #64 s.s.t.
    03/04/2011

    @ noch’n Flo

    Die meisten berufsgruppenspezifischen Witze tragen einen langen Vollbart. Eine wenig frischen Wind, ist aber auch schon wieder lange her, brachten die RA-Witze (meist aus den USA importiert). Da hilft nur, zumindest in Gesellschaft, gequält lächeln.

  65. #65 BreitSide
    03/04/2011

    @Flo2: für mich war er nicht sooo alt:-)))

    Der Ersterzähler hatte mich auch gewarnt, dass der bei Ärzten normalerweise nicht gut ankomme. Das hatte ich nie verstanden…

    Zu den Betriebsärzten eine Analyse, die Du sicher auch kennst:
    – Internisten wissen alles, können aber nichts,
    – Chirurgen können alles, wissen aber nichts,
    – Pathologen können alles und wissen alles, kommen aber immer zu spät,
    – Betriebsärzte können alles und wissen alles, sind immer rechtzeitig, werden aber von allen belächelt.

    Im Ernst, damit haben Betriebsärzte laufend zu kämpfen, dass sie ja nicht heilen. Aber das weißt Du sicher auch. Deswegen gibt es ja so wenige.

    Was der BA machen kann, ist, eine Organisation aufzubauen, die von vorneherein Leuten, die mit besonderen psychischen Belastungen zu rechnen haben, eine Möglichkeit gibt, diese aufzufangen. Mit regelmäßigen Treffen zB, bevor die Situation eintritt.

    Und der Möglichkeit, sofortige psychologische Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

    Auch wenn immer noch Viele schwere Bedenken gegen diese “Psychoheinis” pflegen.

  66. #66 s.s.t.
    03/04/2011

    @ BreitSide

    @Flo2: für mich war er nicht sooo alt:-)))

    Insider werden halt schneller damit bekannt gemacht. Viele solcher Witze sind auch eh nur für Insider witzig, es sei den der allgem Bewusstseinsstand ändert sich.

  67. #67 BreitSide
    03/04/2011

    @s.s.t.: kommt drauf an. Häufig sieht man bei der Zielgruppe eher ein gequältes Lächeln, wenn man nicht selbst aus ihr stammt. Vermintes Terrain.

    Die meisten Beamten müssen schon gut drauf sein, um drüber zu lachen, dass Holz im Gegensatz zu ihnen arbeitet. Abgesehen natürlich vom laaaangen Bart…

    Ob Witze ein geeigneter Weg sind, Traumata zu verarbeiten, steht auf einem anderen Blatt. Vielen hilft es sicher. Das merkt man vor allem, wenn man mit Rettungskräften zusammen ist. Die singen dann schon mal frei nach Heino:

    “Schwarzblau ist der Bluterguss…”

  68. #68 noch'n Flo
    04/04/2011

    @ BreitSide:

    Du hast vergessen: “Psychiater können nichts, wissen nichts, haben aber für alles Verständnis”.

    Was den Kino-Witz angeht: der ist ja dermassen abgelutscht, dass ich es mir 1998 zum Examen nicht verkneifen konnte, genau diese Nummer mit einem Kommilitonen in einem Kino in Hannover nachzuspielen…

  69. #69 S.S.T.
    04/04/2011

    @BreitSide

    Was hast Du gegen Beamte? Die tun doch nix.

  70. #70 BreitSide
    04/04/2011

    @Flo2: danke für die Erweiterung! Den Betriebsarzt hatte ich schon selbst reingeschustert, jetzt hab ich 5 Ärzte im Witz…

    Der gespielte Witz in Hannover? Euch ist doch nichts heilig…:-) War das der Film “Anatomie”?

    S.S.T.: Was ich gegen Beamte habe? Immer noch nix Wirkungsvolles.

  71. #71 lana
    04/04/2011

    @Gluecypher:
    Mit dem “Namedropping” möchte ich mich nicht hinter “großen” Namen verstecken. Das Aufzeigen von Quellen und Impulsgebern gehört zumindest in den Sozialwissenschafen zum guten Ton. Sonst könnte man mir vorwerfen, ich schmückte mich mit fremden Federn. So können Interessierte über Wikipedia und Co. viele Primärquellen selber nachlesen. Es ist ja gut möglich, dass ich den ein oder anderen Denker falsch verstanden habe und evtl. sogar hier eine Korrektur erfolgt.

    Meine genuin eigene Meinung zu diesem Thema berührt Glaubensfragen. Die können, so wie ich Glauben verstehe, nur persönlicher Natur sein. Ein Katholik oder ein Mormone oder ein Agnostiker wird das ganz anders sehen. Daher halte ich mich mit der Ausbreitung meiner Innenwelt solange zurück, bis ich danach gefragt werde oder es zur Erläuterung notwendig ist – ich will euch ja nicht noch mehr auf die Nerven gehen, als ich es ohnehin schon tue 😉

    Daher ist die Beliebigkeit (also Kontingenz), die du ansprichst, ein wichtiger Punkt. Denn wenn alles auch ganz anders sein könnte, warum glaubt man dann nicht besser an etwas “Moderneres”? Oder hört gleich ganz mit dem “Glaubensscheiß” auf und widmet sich diesseitigen Fragen?

    Meine Meinung dazu ist Folgende: Religionsanhänger und -kritiker sollten sich vom Gedanken einer absoluten Wahrheit emanzipieren. Gottesbeweise sind genauso unfruchtbar wie ein szientistischer Monismus im Stile Ernst Haeckels. Man kann sich zwar die Köpfe einschlagen, der Erkenntnisgewinn geht aber gegen Null. Sandkastenspiele nach dem Motto “meine Weltanschauung ist besser als deine” erziehen intelligente Menschen zu akademischen Hooligans, bei denen es nicht mehr um den (Denk-)Sport geht, sondern nur noch ums Plattmachen.

    Der Aufhänger war, dass ich mich über die karikierende Darstellung von Nicht-Atheisten geärgert habe. Ich ärgere mich auch, wenn ich woanders lese, dass Atheisten keine Moral hätten. Weil es nicht stimmt und dumm ist. Meistens halte ich meine Klappe, weil ich den Leuten Beratungsresistenz unterstelle. Hier nicht, weil wir uns bei Scienceblogs befinden. Und als Sozialwissenschaftlerin kann ich belegen, dass die Theologie mehr leistet als nur einen (Aber-)Glauben zu rechtfertigen (das tut sie natürlich auch, aber wissenschaftlich interessant finde ich eher den historischen Wandel der Disziplin).

    Wäre man als Atheist davor gefeit, falsche Götter anzubeten, dann wäre ich es in der nächsten Minute. Aber die Geschichte lehrt, dass die Ablehnung eines konkreten Gottesbildes nicht davor schützt, auf einen anderen Götzen hereinzufallen. Beispielsweise war man in der DDR der Meinung, man habe mit der staatlich verordneten Form des Marxismus-Leninismus eine wissenschaftliche Weltanschauung zur Hand. Trotzdem gab es quasireligiösen Personenkult, eine verschwommene Eschatologie und Intoleranz gegenüber abweichenden Auffassungen.

    Jetzt zur Story: Judas kommt zwar in der Bibel schlecht weg, aber es geht erzähltechnisch nicht ohne ihn. Denn auch ein Teufel kann ja Gutes bewirken wollen. Judas kritisiert Jesus ja schon vorher wegen des kostbaren Öls, das Martha vergoss: Man hätte es verkaufen und den Erlös den Armen geben können! Judas argumentiert diesseitig und nicht unbedingt bösartig. WIe kann er wissen, mit wem er es zu tun hat? Jesus tut keine Zeichen auf Kommando. Aber wenn er der Messias ist, wird ja spätestens bei der Verhaftung der große Aufstand kommen! Oder es zeigt sich, dass Jesus doch ein ganz gewöhnlicher Mensch ist. Darüber kann man sich auch schon wieder unterhalten (und streiten).

    Das habe ich mich auch gefragt: Wenn Jesus Gott ist, ist sein Opfer doch eher Show, denn er kann ja eh alles, also auch rezzen. Aber dieses Paradox lässt sich über die Entstehungsgeschichte der Bibel auflösen: Die Evangelien wurden nach Ostern geschrieben, und wäre Jesus nicht ganz Mensch gewesen, hätte er nicht leiden und sterben müssen. Aber dass Jesus gestorben ist, wird von Christen nicht deshalb geglaubt, weil alle Menschen bisher irgendwann gestorben sind, sondern weil damit klar ist, dass Jesus “einer von uns” war. Einer, dessen Glauben auch schwach war am Schluss, der sich von Gott verlassen fühlte und in diesem Moment Atheist gewesen ist.

    Bei der Verfassung der Evangelien ging es auch darum, die Story “rund” zu machen (Luhmännisch gesprochen: sie für zeitgenössische Juden und Heiden anschlussfähig zu machen). Daher die Kreuzigung nach einem Gerichtsprozess – vom Gericht Gottes wurde schon im Alten Testament gesprochen, im Neuen wird es so erzählt, dass die Menschen Gott den Prozess machen. Und Gott stellt sich dem Gericht – und stirbt. (Man könnte sagen: bis heute ist Gott tot, aus der Welt, und damit den Atheismus in die Story einbeziehen).

    Wie bei jeder Story entsteht durch Verweise, rhetorische Figuren und Bilder ein Sinnüberschuss. Man kann alles mögliche hineinlesen und herausdeuten. Das macht die Sache anrüchig. Es ist allzu verständlich, die ganze Sache abzulehnen, um “auf der sicheren Seite” zu sein! Dann ist man zwar nicht gläubig, die Kommunikation setzt sich aber trotzdem fort. Und diese Kommunikation interessiert z.B. die Soziologie. Nicht von ungefähr sind es die religiösen Themen, die hier die meisten Kommentare generieren!

    Zur Homosexualität in der Bibel: Jede Bibelstelle als gleich wichtig zu betrachten und wörtlich auszulegen führt zu Früchten, an denen man falsche Propheten erkennt: der Kreationismus lässt sich auch ohne Glauben als Dummheit widerlegen, und würde man alle Vorschriften des AT umsetzen wollen, dürfte man nicht mehr schwören, keine Muscheln mehr essen, und Samstagsarbeit wäre unter Todesstrafe gestellt. Veränderungen finden durchaus statt, auch wenn sie ennervierend lange Zeit brauchen. Ein Beispiel, wie Theologie und Humanwissenschaften gemeinsam argumentativ fruchtbar gemacht werden können, zeigt dieses PDF der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, das homosexuelle Liebe als gleichwertig mit der heterosexuellen einschätzt.

    Verantwortete Partnerschaft – Grundsatzüberlegungen zur homosexuellen Liebe

  72. #73 s.s.t.
    04/04/2011

    @lana

    Gottesbeweise sind genauso unfruchtbar…

    wie Gegenbeweise.

    Solange es keinerlei Evidenz für ein göttliches Wesen gibt, kann ich ohne diese Hypothese wunderbar leben und sterben.

    Ich habe Deinen Post komplett gelesen, aber da ich mit der Ausgangshypothese nicht konform gehe, erübrigen sich weitere Kommentare. Nur zwei Anmerkungen:

    Gleichgeschlechtliche Liebe ist augenscheinlich natürlich, quasi ‘gottgegeben’. Eine Religion, die dagegen wettert, würde sich also an dem Werk Gottes versündigen.

    In “Jesus Christ, Superstar” wurde die Person Judas m.M.n. sehr gut dargestellt. Nein, ein ‘Böser’ kann er unmöglich sein und schon garnicht ein Mörder ‘unseres Herrn’, genausowenig wie ‘die Juden’. Denn dieser Tod wurde schließlich von Gott (TM) persönlich von langer Hand vorbereitet, und welcher Mensch wollte es wagen seine Pläne durchkreuzen zu wollen?

  73. #74 MartinB
    04/04/2011

    @sst
    Zur Judas-Frage empfehle ich die Lektüre von Kazantzakis’ “Die letzte Versuchung” – ist allerdings nicht gerade katholische Lehrmeinung, sondern indiziert.

  74. #75 noch'n Flo
    05/04/2011

    @ s.s.t.:

    In “Jesus Christ, Superstar” wurde die Person Judas m.M.n. sehr gut dargestellt.

    Yep, definitiv. Vor allem weil der Eindruck erweckt wird, Jesus wolle diesen Verrat, denn nur so kann er seine Aufgabe vollenden.

    Zitat aus dem Song “The last supper”:

    JESUS
    One of you here dining,
    One of my twelve chosen
    Will leave to betray me.

    JUDAS
    Cut out the dramatics!
    You know very well who.

    JESUS
    Why don’t you go do it?

    JUDAS
    You want me to do it!

    JESUS
    Hurry, they are waiting.

    JUDAS
    If you knew why I do it.

    JESUS
    I don’t care why you do it!

    JUDAS
    To think I admired you.
    Well now I despise you.

    JESUS
    You liar. You Judas.

    JUDAS
    You want me to do it!
    What if I just stayed here
    And ruined your ambition.
    Christ you deserve it.

    JESUS
    Hurry, you fool. Hurry and go.
    Save me your speeches,
    I don’t want to know. Go!

    Übrigens insgesamt ein tolles Musical – wir haben es an der Uni 1995 sehr erfolgreich aufgeführt.

  75. #76 BreitSide
    05/04/2011

    Jesus Christ! Ihr habt Jesus Christ Superstar aufgeführt? Wir nur “Annie get your Gun” und “The Music Man” – 1983 und 1984…

    Aber auch sehr erfolgreich!

  76. #77 Sim
    05/04/2011

    @ lana

    Ich habe fast all deine Kommentare gelesen und finde es sehr interessant was du da schreibst. Was mir auch sehr gefällt ist die freundliche Art die du an den Tag legst.

    Man bekommt beim Lesen manchmal den Eindruck du wärst eine mit allen Wassern gewaschene Atheistin. Um so erstaunlicher kommt dieser Satz daher:

    als Christin glaube ich an den Auferstandenen, an Jesus Christus

    An anderer Stelle schreibst du du wärst mal Atheistin gewesen. Ausserdem nimmst du aus der Bibel nix wörtlich und Gott ist auch aller problematischen Attribute beraubt. Zudem sollten wir unsere Probleme ohne göttliche Hilfe lösen.

    Ja ich hab den Eindruck, als ob es für dich auch gar keinen Unterschied macht die Frage nach einem Auferstandenen Jesus mit Ja oder Nein zu beantworten. Du musst mich an der Stelle natürlich berichtigen wenn das nicht so ist, ich kann das ja nicht wissen, es sieht für mich halt nur von Weitem so aus.

    Jedenfalls frage ich mich: Wieso glaubst du das? Das scheint für mich völlig unmotiviert zu sein. Man glaubt doch nicht einfach so zum Spaß an irgendwas wenn es dafür keinen Grund gibt. Was ist denn die Art dieses Glaubens? Ist das ein “Für historisch korrekt”-halten und mit welcher Überzeugung? ganz sicher, sehr sicher, sicher, indifferent, unsicher, sehr unsicher? Oder ist es ein “Glauben wollen” oder ein Vernunftsglauben oder glaubst du gar nicht und sagst das nur so aus anderen Disskusionstaktischen Gründen ?

    Und wie kommt man dazu, wenn man erst ma Atheistin war, dann ausgerechnet an Jesus Auferstehung zu glauben und nicht daran dass Mohammed in den Himmel gefahren ist?

    Dieser Sachverhalt verursacht bei mir Dissonanz im Kopf. Du schreibst sonst sehr schön und konsistent aber diese Stelle erscheint mir so inkonsistent, so beliebig, so völlig aus der Luft gegriffen dass ich mich sogar dazu angestachelt gefühlt habe, diesen Post hier zu verfassen.

    Wenn ich so frech sein darf, und meine ad-hoc-Hypothese hier in den Raum stellen darf, welche mir im Zuge der Dissonanzauflösung im Kopf rumspukt, dann würd ich folgendes sagen: Ich hab das Gefühl, du benutzt deinen Intellekt dafür, eine Aussage zu verteidigen, die dir, sicherlich auch auf Grund deiner Sozialisation, lieb geworden ist, zu verteidigen, also ein typischer self-serving bias. Allerdings steht dieser Hypothese im Weg, dass du zwischendurch wohl auch mal Atheistin warst. Also ich bin doch etwas ratlos aber doch sehr neugierig wie es denn jetzt zu diesem Glauben an einen auferstandenen Jesus kam.

  77. #78 lana
    06/04/2011

    @Sim
    der Grund, weshalb ich große Sympathien für atheistische/agnostische Positionen hege, ist die inhärente Religionskritik und die Beobachterposition, die ein Atheist einnehmen kann. Als ich vor Jahren mal meinen atheistischen Freund in einen Gottesdienst geschleppt habe, saßen wir in der letzten Reihe und haben die Veranstaltung beobachtet. Dies war für mich ein neues Erlebnis, denn bisher habe ich an Gottesdiensten als Gläubige teilgenommen. Diesen Perspektivwechsel habe ich als sehr bereichernd erlebt. Man betet und singt nicht mit, sondern hört die anderen beten und singen. Man hört die Rituale, und man weiß, das ist Selbstvergewisserung, und natürlich hat man auch als Gläubige immer Feuerbach und Marx im Kopf. Jedenfalls wenn man politisch für den (demokratischen) Sozialismus eintritt.

    Damals habe ich die Religionskritik von Feuerbach und Marx für der Weisheit letzten Schluss gehalten, weil plötzlich alles plausibel erschien: der Kampf diverser Religionsorganisationen gegen den gesellschaftlichen Fortschritt, das Ablenken der gepeinigten Kreatur von den diesseitigen Ursachen des Leids, und vor allem die unsäglichen Äußerungen einer Elisabeth Motschmann, ihres Zeichens “Moraltheologin” und Dauergast in Talksendungen, zur Homosexualität Ende der 80er-Jahre. Dazu natürlich der “Strafe-Gottes”-Quatsch der römisch-katholischen Kirche zu AIDS und anderen Katastrophen. Ich sage auch heute noch: lieber ein skeptischer Atheismus als solche gottesvergifteten Thesen, die verhindern, den Nächsten in seiner Eigenart (theologisch: in seiner von Gott gewollten Existenz) anzunehmen, und die umso weniger gottesfürchtig sind, um so mehr sie über Gott bescheid zu wissen meinen!

    Daher ist der Unterschied zu einer atheistischen Position gering, und ich persönlich halte nicht viel von der aktuell politischen Unterscheidung als solche. Schließlich galten ja bekanntlich auch Juden und Ur-Christen im römischen Reich als A-Theoi, weil sie nicht am Kaiserkult teilnehmen wollten.

    Was gerne vergessen wird (aber schon von den Religionskritikern so gesehen wurde), ist die immanente Religionskritik in der Bibel. Das geht schon im AT mit den Propheten los, die gegen Reiche wettern, die zwar pro forma die Regeln erfüllen, tatsächlich aber die Armen ausnehmen. Im Buch Hiob muss der Protagonist einsehen, dass Gott ganz anders ist, als gedacht. Und im NT gibt es die berühmten “Ich aber sage euch”-Worte Jesu. Immer schon gibt es die hauptberuflich Religiösen, die andere verdammen und sich selbst für geistig höherstehend halten. Aber wenn Jesus sagt: “Selig sind, die da geistlich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich” (Mt 5,3), dann sind nicht die gemeint, die alles besser wissen und andere unter den eigenen Gedankenkonstrukten leiden lassen, sondern die, die noch überrascht werden können und offen und bedürftig sind.

    Mein Glaube ist schwach. Dieser Glaube ist kein Für-wahr-Halten. Es ist kein “Ich glaube, dass…”, sondern “Ich glaube an …”. An die Person Jesu Christi zu glauben, wie sie mir in der Bibel gegenübertritt, fällt mir leichter, als an ein unpersönliches Prinzip zu glauben. Das hat bestimmt mit der “human condition” zu tun, und dass wir Bezugspersonen in der Kindheit hatten und also ein personales Verständnis.

    Sicherlich rationalisiere ich den Glauben auch, indem ich etwa sage, dass Jesus nicht umsonst gestorben ist, wenn andere etwas aus dem Evangelium mitnehmen können, wenn ich mit meinen begrenzten Möglichkeiten einen Unterschied mache darin, ob Jesus gelebt hat oder nicht. Ein Vernunftglaube ist es sicherlich nicht, eher ein Gefühl. Und dieses Gefühl lässt sich sicher mit meiner Sozialisation erklären. Ich mochte schon in der Grundschule die Geschichten von Joseph und seinen Brüdern (die ihn aus Neid nach Ägypten verkauft haben), von Jesus, der sich mit denen abgab, die gesellschaftlich geächtet waren, die Gleichnisse, die einen Sinn transportieren, der auch über Sprachgrenzen hinweg erhalten bleibt. Es ist ein Gefühl dafür, dass Jesus in der Welt ein Loser ist, aber durch seine Ohnmacht denen nahe ist, denen Unrecht geschieht und die Leid erfahren.

    Im Religionsunterricht wurde uns anhand eines “Stille-Post”-Spiels deutlich gemacht, dass Geschichten sich verändern, wenn sie von Menschen erzählt werden, und man sie einerseits nicht für bare Münze nehmen kann. Andererseits erzählen uns selbst Märchen etwas über unsere Welt. Dieser kritische Impetus fehlt mir bei vielen Sekten, aber auch bei dem, was ich bisher über den Koran weiß (nicht viel übrigens). Ich vermisse beim Koran die Poesie, das Menschliche – das Buch behauptet, von Allah diktiert zu sein, wohingegen andere Bücher verfälscht seien. Aber diese Vorliebe geht sicherlich in Richtung Fußballverein und ist nicht unbedingt rational.

    Deine ad-hoc-Hypothese ist sicherlich richtig, wenn man die schwache Kraft des Glaubens ausklammert. Damit könnte man Religiösität psychologisch auflösen.

    Dem setze ich einen persönlichen Weltanschauungspartikel entgegen (den ich von Nikolaus von Kues habe), nämlich dass bei Gott alle Widersprüche zusammenfallen, auch Sein und Nichtsein. D.h. Gott hat die Möglichkeit, zu existieren und gleichzeitig nicht zu existieren. Gott kann sterben, wie die Passionsgeschichte erzählt, und war drei Tage tot. Dauern die Tage noch an? Aber wenn dem so ist, kann ein Mensch in dieser Welt unbehelligt von Gott leben, und ohne Glauben existiert Gott nicht. Dann lebt der Nicht-Gläubige aber nicht weniger ungewiss als der Gläubige. Die Beobachtung beeinflusst das Ergebnis, a la Schrödingers Katze. Damit kann der Mensch zwischen beiden Punkten oszillieren und ist in dieser Hinsicht Gott-ähnlich.

    Zum Schluss noch ein Zitat von Dorothee Sölle, das mich in meiner politischen Arbeit beeinflusst hat – ein Glaubensbekenntnis! Da ein Credo immer auch politisch ist, um sich abzugrenzen – was kommt heraus, wenn man es gleich schon politisch aufzieht?

    Glaubensbekenntnis (Dorothee Sölle)
    Ich glaube an Gott
    der die Welt nicht fertig geschaffen hat
    wie ein Ding das immer so bleiben muss
    der nicht nach ewigen Gesetzen regiert
    die unabänderlich gelten
    nicht nach natürlichen Ordnungen
    von Armen und Reichen
    Sachverständigen und Uninformierten
    Herrschenden und Ausgelieferten
    Ich glaube an Gott
    der den Widerspruch des Lebendigen will
    und die Veränderung aller Zustände
    durch unsere Arbeit
    durch unsere Politik
    Ich glaube an Jesus Christus der recht hatte, als er
    „ein einzelner, der nichts machen kann”
    genau wie wir
    an der Veränderung aller Zustände arbeitete
    und darüber zugrunde ging
    an ihm messend erkenne ich
    wie unsere Intelligenz verkrüppelt
    unsere Phantasie erstickt
    unsere Anstrengung vertan ist
    weil wir nicht leben wie er lebte
    jeden Tag habe ich Angst
    dass er umsonst gestorben ist
    weil er in unseren Kirchen verscharrt ist
    weil wir seine Revolution verraten haben
    in Gehorsam und Angst vor den Behörden
    Ich glaube an Jesus Christus
    der aufersteht in unser Leben
    dass wir frei werden
    von Vorurteilen und Anmaßung
    von Angst und Hass
    und seine Revolution weitertreiben
    auf sein Reich hin
    Ich glaube an den Geist
    der mit Jesus in die Welt gekommen ist
    an die Gemeinschaft aller Völker
    und unsere Verantwortung für das
    was aus unserer Erde wird
    ein Tal voll Jammer Hunger und Gewalt
    oder die Stadt Gottes
    Ich glaube an den gerechten Frieden der herstellbar ist
    an die Möglichkeit eines sinnvollen Lebens
    für alle Menschen
    an die Zukunft dieser Welt Gottes.
    Amen.

    Summa: Atheismus ist als Methode auch in der Religion notwendig, um sich von fixen Gottesvorstellungen zu emanzipieren. Eine Differenzlogik macht Hoffnung, dass in der Auseinandersetzung mit Andersgläubigen eine Verständigung möglich ist (und nicht die Hardliner gewinnen). Der Mensch als soziales Tier hat die Chance, Mensch zu werden, wenn er im anderen sich selbst erkennt. Bis dahin ist Gottes Sein noch im Werden.

  78. #79 Sim
    06/04/2011

    Danke für deine umfassende Antwort, lana. Das ist wirklich sehr interessant zu lesen. Mir gefällt vor allem wie reflektierend und selbstkritisch du dir gegenüber bist. Und wenn jeder Christ das Christentum nach lana vertreten würde, dann würde es wohl kaum einen Konflikt zwischen Christen und Atheisten geben.

    Allerdings

    Dem setze ich einen persönlichen Weltanschauungspartikel entgegen (den ich von Nikolaus von Kues habe), nämlich dass bei Gott alle Widersprüche zusammenfallen, auch Sein und Nichtsein. D.h. Gott hat die Möglichkeit, zu existieren und gleichzeitig nicht zu existieren. Gott kann sterben, wie die Passionsgeschichte erzählt, und war drei Tage tot. Dauern die Tage noch an? Aber wenn dem so ist, kann ein Mensch in dieser Welt unbehelligt von Gott leben, und ohne Glauben existiert Gott nicht. Dann lebt der Nicht-Gläubige aber nicht weniger ungewiss als der Gläubige. Die Beobachtung beeinflusst das Ergebnis, a la Schrödingers Katze. Damit kann der Mensch zwischen beiden Punkten oszillieren und ist in dieser Hinsicht Gott-ähnlich.

    Klingt das hier doch ziemlich abgespaced. Aber das passiert wenn man über Dinge philosophiert die eine Eigenschaft haben und sie zugleich nicht haben. Die Menge die all diese Dinge enthällt welchen ein Attribut zukommt und gleichzeitig sein Gegenteil ist die leere Menge und Aussagen über die Elemente der leeren Menge sind immer wahr. Das nützt einem aber gar nix, weil es eben die Elemente der leeren Menge sind denen diese Eigenschaften zukommen, ergo: inexistent sind.

    Der Satz vom Widerspruch ( https://de.wikipedia.org/wiki/Satz_vom_Widerspruch ) ist schon ein sehr wichtiger Grundpfeiler der Erkenntnis. Den sollte man nicht so leichtfertig verletzen. Weil wenn man das macht, dann kann man alles und nichts schlußfolgern. Und das halte ich für problematisch.

  79. #80 lana
    12/04/2011

    @Sim:
    das Problem liegt auch darin, dass mit Kues eine große Ausnahme, nämlich Gott, postuliert wird, bei der unsere Logik nicht mehr funktioniert. Das kann man machen, wenn man immer miterzählt, dass man sich in der Tradition der Mystik befindet (“Gott ist nicht in der Höhe, sondern in der Tiefe jedes Menschen”). Schnell kommt man dann aber zu esoterischen oder charismatischen Schlussfolgerungen, die kaum noch zu vermitteln sind. Um es mit Zahrnt zu sagen: auf dem Altar des Glaubens sind schon zu viele Vernunftopfer dargeboten worden. Daher bin ich persönlich noch lange nicht fertig mit dem Thema “Gott”.

    Ein Paradox wie die theologische Aussage, die Allmacht Gottes zeige sich am Kreuz in der Ohnmacht Jesu, lässt sich zeitlich auflösen. Eine Analogie zur Liebe macht deutlich, dass jemand, der überzeugt ist: “es gibt keine Liebe, nur biochemische Reaktionen im Gehirn”, nicht verhindert, dass in sozialen Systemen das “symbolisch generalisierte Kommunikationsmedium” Liebe (Luhmann) Unwahrscheinliches in erwartbare Wahrscheinlichkeiten transformiert. Und dass man die Marotten des Partners erträgt, “nur weil man ihn liebt”. 🙂

    Aussagen über Gott sind problematisch, solange nicht die Systemreferenz angegeben wird, auf die sich die Aussagen beziehen. Ohne die Klassiker der Religionskritik ist keine gescheite Theologie zu betreiben. Und ohne inhärente Religionskritik in den Geschichten der Bibel erhielte man Texte ohne “Reparaturmechanismus” – Texte, an die nach der Aufklärung nicht mehr angeschlossen werden könnte. Um es mit Frau Sölle zu sagen: “Ich lese nicht nur in der Bibel. Die Bibel liest mich.”

  80. #81 noch'n Flo
    Schoggiland
    11/05/2017

    Aktuell gab es ja in Thailand einen ähnlich grusigen Fall: ein Vater, der Angst hatte, von seiner Frau verlassen zu werden, erhängte die gemeinsame 11 Monate alte Tochter und streamte das Ganze live bei Facebook – wo es die Mutter hilflos mitansehen konnte/musste. Anschliessend tötete er sich selbst, allerdings ohne Live-Übertragung.

    ( https://www.blick.ch/news/ausland/horror-mord-in-thailand-mann-toetet-sein-baby-und-uebertraegt-es-live-auf-facebook-id6582251.html )