In diesem Beitrag* möchte ich die Lanze für ein atheistisches Weltbild brechen und der üblen Nachrede entgegentreten, derzufolge unser Dasein trist und trübe, lieblos und unfroh und verfangen in Zweifel und dem unerfüllten Wunsch, anders zu sein, erstarrt zu sein hätte.
“Being an atheist is nothing to be apologetic about. On the contrary, it is something to be proud of, standing tall to face the far horizon, for atheism nearly always indicates a healthy independence of mind and, indeed, a healthy mind.”
(Atheist zu sein ist nichts, für das man sich rechtfertigen muß. Im Gegenteil: man kann stolz darauf sein, aufrecht stehend fernen Horizonten entgegenzusehen. Denn Atheismus deutet fast immer auf eine gesunde Unabhängigkeit des Geistes hin, ja sogar auf einen gesunden Geist.)
R. Dawkins (Übersetzung CC)
“An atheist doesn’t have to be someone who thinks he has a proof that there can’t be a god. He only has to be someone who believes that the evidence on the god question is at a similar level to the evidence on the werewolf question.”
(Ein Atheist muß nicht der Meinung sein, er könne beweisen, daß es keinen Gott geben kann. Es reicht, wenn er meint, daß die Belege in der Gottesfrage ähnlich überzeugend sind, wie in der Werwolffrage.)
J. McCarthy (Übersetzung CC)
Ich bin Atheist.
Und obwohl ich diesen Begriff unglücklich finde, weil er, wie auch der Begriff “Nichtraucher”, den durch ihn Bezeichneten und manchmal gar Bezichtigten nur durch Verneinung definiert, bin ich nicht unglücklich darüber, einer zu sein.
Mein Atheismus ist also positiv, obwohl er auch ein Nicht-anders-Können ist. Ich habe kein “gottförmiges Loch” in meinem Herzen und ich sehe keineswegs mit Sehnsucht oder Neid auf die voraufgeklärte Naivität des Glaubenkönnens, welches mir, aus welchen Gründen auch immer, versagt wäre. Denn in meinen Augen ist Glaubenkönnen gleichbedeutend mit An-Krücken-Gehenkönnen. Das ist keine Herabwürdigung derer, die Krücken nötig haben; ich aber brauche keine: es gibt doch Liebe und Musik!
Diese beiden, ohne die ich nicht leben könnte, sind keine Krücken – sie sind für mich vielmehr ein starker Rücken und gesunde Beine, die Krücken überflüssig machen.
Natürlich bin ich, wie die meisten Naturwissenschaftler, dennoch nicht jenseits allen Zweifels sicher, daß es keinen Gott gibt, aber ich halte die Existenz von Göttern für ähnlich gut belegt und daher wahrscheinlich, wie die Existenz von Drachen (oder Werwölfen) und deshalb denke, fühle und verhalte ich mich so, als gäbe es keine Götter oder überhaupt das Übernatürliche. Mir und anderen nicht schweigsamen Inhabern eines naturalistisch-materialistischen Weltbilds, die dieses auch gegenüber Kritik und Anklage noch vertreten, gar feiern, wurde und wird deshalb oft “vorgeworfen”, wir wären fühllose Technokraten, “Belegnazis” und daß wir keine Wunder, keine Ehrfurcht, keine Demut und keine Erhabenheit kennten.
Nichts könnte freilich falscher sein. Muß ein “Wunder” denn etwas übernatürliches sein? Bietet die Realität nicht genug Wunderbares? Ist es ein Wunder, daß wir hier sind? Ich weiß es nicht, aber es ist ganz sicher wundervoll, daß ich die Möglichkeit habe, darüber nachzudenken. In meinen Augen ist das eins der Dinge, die uns so erstaunlich machen, welches es uns gestattet, zu erkennen, wie unbedeutend wir sind. Weder das Prinzip der Mittelmäßigkeit noch Cricks „erstaunliche Hypothese” empfinde ich als Zumutung!
Müßten wir uns denn vor irgendwem beweisen? Ich finde, so eitel sollten wir nicht sein.
Der Respekt vor unserer Fähigkeit, Fragen zu stellen, reicht mir aus, keine end- und letztgültigen Antworten, das Eitelste was denkbar ist, hinzunehmen und die Ehrfurcht vor der Mühe, die das seit Menschengedenken betriebene Forschen und Suchen gekostet hat, nötigt mich, nichts ohne Beleg anzuerkennen. Die Welt ist kein mystischer Ort. Mystik und Romantik sind nicht in der Realität, sondern in unserer Phantasie – und das entwertet sie in meinen Augen überhaupt nicht, sondern reflektiert lediglich unsere Sehnsucht nach etwas, was uns die Welt in ihrer fundamentalen Sachlichkeit nicht bieten kann und das wir dafür umso mehr begehren. Wie Gefühle, Begierden, Wünsche etc. entstehen, weiß man bereits. Sie entspringen biochemischen und bioelektrischen Prozessen in einer hochplastischen neuronalen Umgebung, genau wie die Liebe. Aber und ich wiederhole mich: das entwertet sie nicht im geringsten, sondern macht sie eigentlich noch schöner, denn es ist mein Gehirn, mein Empfinden, das sie hervorbringt und kein Götze, der sie mir gutsherrlich zuteilt. Es ist mein Gehirn, das sie mich genießen, mich daran freuen und sie im weltlichsten Sinne heiligen läßt. Ist es nicht großartig, daß sich so etwas wundervolles im Laufe der Evolution entwickeln konnte?
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