In dieser Ausgabe der „basics” versuche ich zu erklären, wie die Informationen aus der DNA umgesetzt werden und wie die vielen verschiedenen Zellen des Körpers es schaffen, immer genau die richtigen Genprodukte herzustellen und sich die Synthese von nicht benötigten Genprodukten zu „sparen”. Der Fachbegriff für dieses Phänomen ist: differentielle Genexpression.
Zunächst werfen wir einen Blick auf den Aufbau unseres Genoms:
Im Moment interessieren uns nur die “genischen” Bereiche. Man darf ernüchtert feststellen, daß die gesamte Information, die für den Aufbau von Proteinen und anderen Genprodukten nur läppische 1,5 % der 3,2 Milliarden Basen (Buchstaben), die unser Genom enthält, ausmacht (roter Kasten). Dennoch verfügt der Mensch immerhin über 20.000 bis 22.000 Gene und kann daher mindestens (es sind in Wirklichkeit deutlich mehr) ebensoviele verschiedene Genprodukte herstellen.
Die DNA ist ein sehr großes, „unhandliches” Riesenmolekül. Jede Zelle des Körpers, mit Ausnahme der Erythrozyten (rote Blutzellen), die keinen Kern haben, trägt in ihrem Zellkern eine Kopie des gleichen DNA-Moleküls, und die DNA kann den Zellkern nicht verlassen. In jeder Zelle befindet sich also die gleiche, komplette genetische Information eines Menschen. Die Herstellung der eigentlich biologisch wirksamen Moleküle, z.B. Enzyme, Membranproteine etc., geschieht aber außerhalb des Kerns im Zytoplasma in/an den sogenannten „Ribosomen”. Diesen Prozess der Proteinherstellung nennt man „Translation” und der wäre einen eigenen Beitrag wert und soll uns hier jetzt nicht kümmern.
Wenn nun die DNA im Zellkern gelagert wird und diesen auch nicht verlassen kann, die Herstellung der Proteine aber außerhalb des Kerns stattfindet, muß die Information, anhand derer die Proteine zusammengebaut werden, ja irgendwie aus dem Kern zu den Ribosomen gelangen. Diesen Job übernimmt die RNA. RNA ist eine andere Art von Nukleinsäure, die sich von DNA darin unterscheidet, daß sie meistens einzelsträngig vorliegt, statt des Zuckers Desoxyribose den Zucker Ribose enthält und statt des „Buchstabens” T(hymin) den Buchstaben U(racil) verwendet.
RNA ist das „Material” mit dem von den Informationen aus der DNA „Abschriften” (Transkripte) angefertigt werden. Wenn z.B. eine Zelle der Bauchspeicheldrüse Insulin produzieren soll, dann macht ein bestimmtes Enzym, die DNA-abhängige RNA-Polymerase, im Zellkern eine RNA-Kopie des Insulingens aus der DNA. Diese Roh-Abschrift, die neben den eigentlichen Informationen für die Insulinsynthese (Exons) noch Sequenzen enthält, die für dessen Herstellung unwichtig sind (Introns), wird noch innerhalb des Zellkerns editiert und versandfertig gemacht; den Vorgang des Editierens, bei dem u.a. die Introns aus der RNA herausgeschnitten werden, nennt man „Splicing” und auch dieser Vorgang ist hochkomplex und einen eigenen Beitrag wert. Nach dem Splicing liegt eine reife RNA vor, die als messenger-RNA, Boten-RNA oder mRNA bezeichnet wird. Diese ist verhältnismäßig klein und handlich und kann von bestimmten Proteinen durch die Poren des Zellkerns hindurch ins Zytoplasma exportiert werden und dann, beim Ribosom angelangt, als Vorlage für die Herstellung von Insulin dienen. Damit sind also alle Schritte vom Ausgangspunkt der genetischen Information im Zellkern bis zur Ausprägung (Expression) des Gens für Insulin in Gestalt des fertigen Proteins durchgeführt.
In der Zelle sieht das ganze dann so aus:
[die roten Pfeile deuten an, an welchen Stellen die Zelle steuernd „eingreifen” kann. In diesem Post geht es nur um die Steuerung der Transkription (oberer Pfeil), aber auch auf der Ebene des Splicing (mittlerer Pfeil) und der Translation (unterer Pfeil) besteht die Möglichkeit, die Genexpression zu regulieren]
Zur Verdeutlichung und zur Überleitung zur differentiellen Genexpression möchte ich eine kleine Analogie anbieten, die ich mal die „Restaurant-Analogie” nenne:
Es gibt da also diesen riesigen Gastronomie-Konzern (Körper), der viele verschiedene Restaurantketten (Zelltypen) unterhält. Die Restaurants einer Kette, die Filialen (Zellen eines Typs) bieten immer das gleiche Angebot an. Allen Restaurants ist gemeinsam, daß in ihnen eine große Bibliothek (Zellkern oder Nucleus) steht, die in vielen dicken Büchern alle Rezepte, Zubereitungsanleitungen, Zutatenlisten etc. (Genom) bereithält. Das ist schön einfach für den Konzern, denn der Grundbauplan für alle Restaurantfilialen aller Ketten ist ähnlich und so muß man sich bei der Einrichtung neuer Filialen nicht die Mühe machen, eigens die Bücher rauszusuchen, die die Rezepte für eine bestimmte Kette enthalten, sondern jede Filiale erhält den gleichen Bestand, auch wenn nur ein Bruchteil davon je gebraucht wird.
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