Aus dieser Haltung erwächst dann nicht selten auch ein neues und starkes Selbstbewußtsein und zugleich schwindet die Bereitschaft, sich einer Konvention verpflichtet zu fühlen, derzufolge (immerhin nach eigener Auffassung höchst absurde) religiöse Vorstellungen anderer mit unverdientem und samtbehandschuhtem Respekt zu behandeln und aus diesen Vorstellungen erwachsende Befindlichkeiten und Ansprüche zu berücksichtigen und zu erfüllen wären.
Der „neue Atheist” ist also nicht länger bereit, gebeugt unter dem Joch einer traditionellen Übereinkunft zu gehen und vor den Religionen und deren Ausübenden den Kotau des schuldbewußten Abweichlers zu üben, der immer auch ein, gleich in welchem Maße verborgenes oder chiffriertes Element der Anerkennung der eigenen Minderwertigkeit oder zumindest Unvollständigkeit birgt. Er hat sich von Demutsgesten befreit und sich mit geradem Rücken und festem Blick mindestens auf Augenhöhe aufgerichtet, wobei ich einräume, daß einige auch die alten Gewohnheiten umkehren und nun ihrerseits auf Gläubige herabschauen.
In den Augen vieler, die diese Haltung eingenommen haben, ist nämlich nach rationalen Kriterien kein, wirklich kein kategorialer Unterschied dazwischen festzustellen, ob sich jemand wahrhaftig für Napoleon hält, fest und furchtsam an Xenu oder ernsthaft an z.B. die Auferstehung glaubt, denn der Vebreitungsgrad dieser drei, jeweils beleglos angenommenen oder zugezogenen Glaubensvorstellungen korreliert natürlich überhaupt nicht mit deren Wahrheitsgehalt bzw. der Wahrscheinlichkeit, daß sie zutreffend sind. Dennoch existiert beispielsweise bei vielen Christen der Konsens, daß der, welcher sich für Napoleon hält, psychiatrisch behandelt werden sollte, jener, der den großen Xenu fürchtet, belächelt werden darf, jedoch dieser, der an eine Auferstehung glaubt, dafür respektiert und geachtet werden soll.
Ich und viele andere hingegen neigen dazu, über alle drei Vorstellungen gleichermaßen zu schmunzeln und ich stelle fest, daß viele, die sich darüber aufregen, daß ihr jeweiliger Glaubensinhalt Opfer von Spott wurde, dabei gerne unter den Teppich kehren, daß sie häufig selbst genauso spöttisch auf die Glaubensinhalte anderer blicken. Oft schon habe ich Christen erlebt, die sich herzlich darüber beömmelten, daß Scientologen „allen Ernstes” an Xenu, Thetane, Kontrollimplantate, kosmische Föderationen und „Teegeeack” glauben oder mit mildem Lächeln und Kopfschütteln von oben herab die animistischen Vorstellungen und Bräuche z.B. afrikanischer Naturvölker bedachten, die aber selbst äußert verschnupft reagierten, wenn man sie darauf hinwies, daß, von außen betrachtet, der Geschichte vom haploiden, jüdischen und sich irgendwie selbst gezeugt habenden Wiedergänger, der sprechenden Schlange, dem Zauberbaum, von Erbsünde in Gestalt diätischen Fehlverhaltens entfernter Vorfahren, Auferstehung und transsubstantiellem Leichenteilverzehr auch nicht gerade Höchstnoten in Sachen Kohärenz, Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit zuzubilligen wären.
(Manchmal entstand mir sogar der Eindruck, daß Religiöse, deren Glaubensinhalte von Atheisten verspottet werden, echt und einfach nur sauer sind, daß Atheisten nicht auch irgendetwas lächerliches glauben, das man im Gegenzug verspotten könnte.)
Also was? Framing oder nicht? Ein Arsch sein oder nicht? Diplomat oder Krieger? Ich plädiere dafür, daß man seine Gangart vom Gegenüber abhängig machen sollte. Hat man es mit einem diskussionsbereiten und vor allem ergebnisoffenen Menschen zu tun, der zwar gläubig ist, aber echtes Interesse an der atheistischen Position besitzt und im Idealfall sogar bemüht ist, Klischees und stereotype Vorstellungen, die er über Atheisten/Atheismus vorhält, zu prüfen und zu revidieren, so ist es sicher produktiver, ruhig und ausführlich zu antworten und zu erklären, statt ihn gleich mit der Spott-Drahtbürste durchzuwalken, dennoch sollte man auch in einem solchen Gespräch ehrlich bleiben und darauf hinweisen, daß man den „leap of faith“, der zur Annahme von irrationalen und eigentlich absurden Glaubensinhalten erforderlich ist, als mit rationalem Denken unvereinbar und das Vermögen dazu gerade nicht als Tugend ansieht.
Setzt man sich hingegen mit einem der „Wissenden” auseinander, der sich in unüberbietbarer Arroganz bereits im Besitz der allein selig machenden Weisheit wähnt, dann ist das grobe Geschütz und ein gerüttelt Maß auch derben Spottes durchaus sehr angebracht und angemessen. Insbesondere, wenn es Zuschauer oder Zuhörer gibt, die noch unentschlossen sind und vielleicht vor Vorstellungen zurückschrecken, die offensichtlich und gerade bei Gegenüberstellung der wissenschaftlichen und nicht übernatürlichen Alternativen zutiefst lächerlich sind. Denn freilich ist nicht jede(r), der/die sehr dummes Zeug glaubt, automatisch auch ein dummer Mensch. Oft wissen solche Menschen tief in ihrem Inneren, daß ihre religiösen Überzeugungen nicht auf einer Ebene zu verteidigen sind, die Evidenz und Ergebnisse voraussetzt und obschon sie ihre Glaubensvorstellungen nicht aufzugeben bereit sind, hätten Sie es gern, wenn ihnen die Blamage erspart bliebe, jene in wissenschaftlichen Begriffen darzulegen und zu erklären. Je lauter sie aber ihren Gallimathias herausposaunen, desto weniger sollte man bereit sein, ihnen diesen Gefallen zu tun.
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