Die Erfindung des kongenialen, “teuflischen” Konzepts der Sünde schließlich ermöglichte die Erzeugung der für eine totale Kontrolle unerlässlichen unüberwindlichen Abhängigkeit, indem Taten und Gedanken zu Sünden erklärt wurden, die so sehr der Natur des Menschen innerlich sind, daß sich jeder ihrer immer wieder schuldig macht.
Und wieder waren es ausschließlich die Eingeweihten, die durch „Erlösung” von diesen Sünden, deren naturfolgender steter “Nachschub” eine beständig andauernde “Nachfrage” nach Erlösung generierte, den Zugang zum ersprießlichen Jenseits gewähren oder ihn durch z.B. Exkommunikation verwehren konnten. Einen ausreichend starken Glauben an die Konstrukte der Eingeweihten vorausgesetzt, mußte eine solche Exkommunikation als schlimmste aller möglichen Strafen angesehen werden.
Die Religionen errichteten also eine Bühne und staffierten sie reichhaltig aus, auf der sie dann und nun die von ihnen geschaffene und gehegte und gemästete Furcht in exquisitester Darstellung und pompöser Revue inszenieren und feiern und atemberaubend ist der Zynismus, der darin besteht, daß sich die Religion zugleich als einzige Befreierin von genau dieser Furcht anpreist (- das ist ein bißchen so, wie den Verkauf eines Impfstoffs, dessen Wirkung allein auf dem Placeboeffekt beruht, dadurch anzuheizen, daß man den Erreger, vor dem der Impfstoff Schutz gewähren soll, ins Trinkwasser schüttet).
Baruch de Spionza formuliert in seinem Theologisch-Politischen Traktat sehr beredt und einsichtig:
Während sich dieses so verhält, sieht man, dass vor Allen Diejenigen am meisten allen Arten von Aberglauben zugethan sind, welche das Ungewisse unmässig begehren, und dass alle Menschen vorzüglich dann, wenn sie in Gefahr sind und sich nicht zu helfen wissen, mit Gelübden und weibischen Thränen die göttliche Hülfe erflehen und die Vernunft blind und die menschliche Weisheit eitel schelten, weil sie ihnen den Weg zur Erfüllung ihrer eitlen Wünsche nicht zeigen kann. Dagegen halten sie die Tollheiten, Träume und kindischen Einfälle ihrer Phantasie für göttliche Offenbarungen; sie meinen sogar, Gott hasse die Weisen und verkünde seine Beschlüsse nicht dem Geiste, sondern habe sie den Eingeweiden der Thiere eingeschrieben, und Thoren, Wahnsinnige und Vögel verkündeten sie im göttlichen Anhauch und Instinkt. Zu solchem Wahnsinn treibt die Furcht den Menschen; die Ursache also, aus der der Aberglaube entspringt, durch die er erhalten und genährt wird, ist die Furcht.
und
Solcher Beispiele liessen sich noch die Menge beibringen; sie zeigen auf das Deutlichste, dass die Menschen nur in der Furcht dem Aberglauben sich ergeben, dass Alles, was sie in solchem eiteln Glauben verehrt haben, nur Phantasien und irrsinnige Einfälle eines traurigen und furchtsamen Gemüthes gewesen sind, und dass die Wahrsager immer dann am meisten das Volk beherrscht haben und den Königen am furchtbarsten gewesen sind, wenn die Noth des Staates am grössten war.
und
[…] wie aus dem Obigen erhellt, und Curtius B. IV. Kap. 10 treffend sagt: »Nichts regiert die Menge wirksamer als der Aberglaube.« Deshalb lässt sie unter dem Schein der Religion sich verleiten, bald ihre Könige wie Götter anzubeten und bald wieder zu verwünschen und als die gemeinsame Pest des Menschengeschlechts zu verfluchen.
Um diese Uebel zu vermeiden, hat man mit unendlicher Sorgfalt die wahre oder falsche Religion im äussern Gottesdienst und den Gebräuchen so ausgeschmückt, dass sie allen Verleitungen überlegen blieb und im höchsten Gehorsam von Allen gepflegt wurde.
Das Ziel ist letztlich immer eine vollkommene, im perfidesten Sinne totalitäre Kontrolle über das Leben der Gläubigen und der unbedingte Gehorsam als Grundpfeiler der Religionen spielt dabei die zentrale Rolle:
Das Christentum z.B. behauptet ja gar, daß es der Ungehorsam war, der die Erbsünde in die Welt brachte und damit alles, was daraus folgt: Leid, Tod, Ungerechtigkeit aber auch und dem Vernehmen verschiedener hochrangiger (sogar gemäßigter) Kleriker nach sogar Erdbeben, Flutkatastrophen und Tsunamis. Welch ein Irrsinn ist es, einerseits zu behaupten, daß menschlicher Gehorsam so bedeutend ist, daß das Wirken einer allmächtigen Gottheit, ja die Grundfesten unseres Planeten wenn nicht des ganzen Universums davon abhängen und beim ersten Anzeichen einer Rebellion Gefahr laufen, katastrophal verworfen zu werden und andererseits zu behaupten, daß ausgerechnet eine solche Religion des Gehorsams die Quelle menschlicher Freiheit sei?
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