In Wirklichkeit gibt es keinen Aspekt, keine Nische menschlichen Lebens, gleich wie intim und verborgen, für die die Religion nicht unverfroren auf dem Recht zur Kontrolle bestünde. Wen wir lieben, wen oder was begehren und mit wem oder wie wir körperlich diese Gefühle ausdrücken dürfen: bei den Beschneidungen solcher unserer Freiheiten ist die Religion besonders eindringlich und beharrlich. Doch damit nicht genug, denn die Religion bescheidet sich nicht mit der Kontrolle unserer Taten und sogar Worte: die Tentakeln ihrer skrupellosen totalitären Ansprüche erstrecken sich in unser Innerstes, bis in die tiefsten und geborgensten Refugien unseres Geistes, um uns selbst für unsere geheimsten Gedanken zu verurteilen und zu verdammen. Wahrhaftig, nicht einmal die gewissenlosesten Herrscher oder die brutalsten Sklavenhalter hätten je solche Extreme der Tyrannei erreicht.
Ich persönlich finde also, daß die institutionalisierte Religion wirklich eine Kraft zum Bösen ist und daß aber die Erhaltung und die Genüsse des Glaubens, der keinem bedürftigen Menschen genommen werden soll, keiner Religion bedürfen.
Und in Vorwegnahme der üblichen und ermüdend vorhersehbaren Einsprüche an dieser Stelle: daß im Namen von Religionen auch schon Gutes getan wurde, mag stimmen, doch bin ich überzeugt, daß es, wie so vieles andere Gute, das ohne Drohung oder Anreiz “von oben” vollbracht wurde, auch ohne Religion geschehen wäre, es sogar bloß trotz der Religion geschehen ist. Ich glaube insbesondere auch nicht, daß all die Kunst und Philosophie und Wissenschaft, die angeblich durch das Christentum befeuert und beflügelt worden sei, ohne dieses nicht betrieben worden wäre, ich glaube vielmehr, sie, die demselben Bedürfnis des Menschen, die Welt zu verstehen, entspringen, sind trotz des Gängelbandes dieser Religion, trotz der engen Bahnen, in die sie das Denken gepfercht hat, trotz der Furcht vor Zweifel und Abweichung gelungen und ich wünschte, in einer Welt leben zu können, deren Fortschritt nicht für hunderte Jahre in den religiösen Ketten der „Midlife-Crisis” des Mittelalters gelegen hätte.
Ich stelle mir (auch eingedenk einiger zu anderen Posts getobt habender Kommentarschlachten) folgende Frage:
Sollte die institutionalisierte Religion, in Deutschland in Gestalt der katholischen und evangelischen Kirchen, und die Tatsache, daß ihr (immer noch) viele Menschen angehören, demokratisch repräsentiert sein? Und wenn ja, wie?
[Ich finde die Demokratie übrigens durchaus nicht perfekt, nicht mal besonders gut, halte sie aber immer noch für die beste, i.e. das geringste Übel aller möglichen Staatsformen, da nur die Demokratie eine besonders weitreichende und dauerhafte Ausstattung aller Bevölkerungsteile mit gleichen und Menschen- Rechten ermöglicht, ohne destabilisiert zu werden.
Die Schattenseiten einer Demokratie sieht man an den augenfälligen Unzulänglichkeiten unserer Gesetzgebung und sähe man z.B. an den Ergebnissen von Umfragen, wenn man diese nach einschlägigen Vorfällen und der solchen üblicherweise folgenden brachial-medialen Aufarbeitung zu wahlweise der Wiedereinführung der Todesstrafe, der Verschärfung des Jugendstrafrechts oder der strengeren Fassung von Einreise- und Abschieberegeln durchführte.]
Feststellung: in Deutschland sind 34,6% der Menschen konfessionslos, 30,5% Katholik und 29,5% Protestant. Es gibt also mehr Konfessionslose als Katholiken oder Protestanten; werden aber erstere gesondert in Ethikräten vertreten? Oder anders: warum wird die Tatsache, daß sicher eine erschreckend hohe Zahl der Deutschen an Astrologie glaubt, nicht in entsprechenden Gremien, Räten und Ausschüssen repräsentiert? Sollten Astrologen nicht über Ausgaben und Forschung in Astrophysik und Raumfahrt mitentscheiden dürfen und die Politik dazu beraten oder sollten sie nicht um Empfehlungen für die günstigsten Investitionen von Staatsmitteln in der Zukunft gebeten werden? Wenn man hier verneint, wie wäre dann der nicht minder absurde Beisitz von Vertretern der (anderen) Religionen in solchen Ausschüssen zu rechtfertigen?
Denn: An (Prinzipien und Voraussetzungen) der Wirksamkeit der Religion, die ganz auf den Menschen und seine Schwächen ausgerichtet und unverbesserlich weil aufgrund ihres behaupteten Ursprungs unverbesserbar ist, hat sich nichts verändert und ich finde es ruchlos und zynisch, daß die Kirche, diese Vertreterin des totalitären Prinzips Religion und eine ihrem Aufbau und Herkommen nach vollkommen undemokratische Einrichtung den Schutz der Demokratie sich nicht scheut zu fordern und in Anspruch zu nehmen, um, unter diesem Harnisch in demokratische Gremien eingeschlichen, reaktionär, fortschrittsfeindlich, ja misanthropisch zu wirken. Ich erinnere daran, daß die katholische Kirche eine Organisation ist, die den Gleichwert von Frauen immer noch nicht akzeptiert und verstanden hat, bei sexuellem Mißbrauch von Kindern grundsätzlich Täterschutz vor Opferschutz stellt, die Verhütung als Sünde, Homosexualität wahlweise als Fluch oder Krankheit (bzw. therapierbar und therpiebedürftig, *zwinker*) ansieht und weit entfernt davon ist, homosexueller Existenz gleiche Rechte und Berechtigung einzuräumen.
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