Warnung: in dieser Reihe wird es immer wieder zu Begegnungen mit und Blicke in die tiefsten menschlichen Abgründe kommen und obgleich ich mich stets bemühen werde, nicht ins Sensationalistische abzugleiten, mag bisweilen die unausgeschmückte Realität bereits mehr sein, als manche(r) erträgt.
Diesmal: eine wissenschaftliche Arbeit zur Zoophilie.
Natürlich wieder vom bewährten Paraphilieklassifizierer Anil Aggrawal!
„Zoophilie (gr ζώον zóon „Lebewesen”, „Tier” und -philie) bezeichnet das sexuelle Hingezogensein zu Tieren. Zoophilie kann sexuelle Handlungen beinhalten, aber auch Vorlieben, die nur sekundär, manchmal gar unbewusst der sexuellen Befriedigung des Menschen dienen. […] Der früher gebräuchliche, jedoch unscharfe und zudem moralisch aufgeladene Begriff Sodomie wird heute nicht mehr verwendet. Seit der überarbeiteten Version des DSM-III (1987) wird Zoophilie unter den nicht näher bezeichneten Paraphilien (sexuelle Abweichungen von der gesellschaftlichen Norm) aufgeführt. Zoophilie ist nach ICD-10 (F65.8) eine gestörte Sexualpräferenz […].”
aus der Wikipedia
Wie schon 2009 bei der Nekrophilie war Herr Aggrawal unzufrieden mit den Verwirrung stiftenden, ungenauen, uneindeutigen, „bestenfalls vagen” Bezeichnungen, die für Zoophilie und verschiedene Ausprägungen zoophilen Verhaltens in Umlauf waren, so daß er sich entschloss, auch diesem Mißstande abzuhelfen und eine „mathematische Klassifizierung” der Zoophilie, bei der mit der Ordnungszahl der Klasse auch der pathologische Grad der „Störung” steigt, vorzustellen.
Praktischerweise ließen sich, so Aggrawal, alle „Schattierungen” der Zoophilie einer der – dank ihm – bereits existierenden 10 Klassen der Nekrophilie zuordnen (er weist jedoch einschränkend darauf hin, daß in der Literatur nicht für jede der 10 Klassen Fälle berichtet werden, da die „geschädigte Partei” ja stets ein Tier sei, das den Vorfall nicht zur Anzeige bringen könne).
Diese Erkenntnis der exakten Zuordnbarkeit zoophiler zu nekrophilen Neigungsausprägungen könne, dem Autor zufolge, vielleicht sogar auf eine bisher unerkundete Äquivalenz unter allen Paraphilien hinweisen. Forschungsbedarf sei mithin gegeben.
Aggrawal unterscheidet hernach folgende Klassen der Zoophilie:
Klasse 1: Rollenspieler
Der Rollenspieler will keinen Sex mit echten Tieren. Er strebt Sex mit einem Menschen an, der nur vorgibt, also „spielt”, ein Tier zu sein und/oder dabei eine Position „auf allen Vieren” einnimmt. Aggrawal sind dafür diverse ulkige Begriffe bekannt: „pet play” („Haustierspielchen”), „pony play” („Ponyspielchen”), „pup play” („Welpenspielchen”) usf.
Das Hauptthema solcher sexuellen Rollenspiele, so der Autor, sei die (freiwillige oder unfreiwillige) Reduktion eines Menschen auf einen Tierstatus und die Fokussierung auf die dadurch erzeugte, veränderte geistige/psychische Haltung.
Klasse 2: Romantische Zoophile
Diese Zoophilen halten ein Tier als Haustier halten, um dadurch psychosexuelle Stimulation zu gewinnen. Sie haben jedoch keinen eigentlichen, körperlichen Sexualverkehr mit dem Tier.
Klasse 3: Zoophile Fanatasierer
In diese Klasse fielen Menschen, die intensive Phantasien über Sex mit Tieren unterhalten und ggf. in der Gegenwart von Tieren masturbieren. Hierunter fallen lt. Aggrawal auch der zoophile Voyeurismus (auch bezeichnet als mixoscopische Zoophilie oder Faunoiphilie) sowie der zoophile Exhibitionismus.
Klasse 4: Taktile Zoophile
Menschen, die man dieser Kategorie zuordnen würde, haben ihr sexuelles Interesse an Tieren bis zur Berührung ausgeweitet. Sie mögen es, sich durch Streicheln von Genitalien, Perianal- und Analbereich des Tieres einen Orgasmus zu verschaffen; eine andere Ausprägung ist das Reiben des eigenen Genitals am Tier.
Klasse 5: Fetischistische Zoophile
Fetischistische Zoophile konservieren Teile von Tieren, besonders Felle und Pelze und verwenden sie als sexuellen Fetisch im Rahmen zoophilen Verhaltens. Für diese Menschen sind ausschließlich Tierteile als Fetisch interessant.
Klasse 6: Sadistische Zoophile
Diese Klasse entspricht der Klasse der „Nekromutilomanen” bei der Nekrophilieklassifizierung. Zugehörige dieser Klasse von Zoophilen erlangen sexuelle Befriedigung durch sadistische Aktivitäten mit Tieren, die meist das Zufügen von Schmerz umfassen.
Klasse 7: Opportunistische Zoophile
„Echter” Sex mit Tieren kommt erst in dieser Klasse vor. Opportunistische Zoophile sind in der Lage, befriedigende Sexualität mit Menschen auszuüben, wenn sich jedoch eine Gelegenheit für den Geschlechtsakt mit Tieren bietet, so ergreifen sie sie. In dieser Klasse finden sich z.B. Angestellte in Tierheimen und ähnlichen Einrichtungen mit entspr. Neigung, die leichten und unbeobachteten Zugang zu Tieren haben.
Klasse 8: Reguläre oder „klassische” Zoophile
Klassische Zoophile bevorzugen Sex mit Tieren stark gegenüber Sex mit Menschen, zu dem sie zwar fähig sind, ihn aber kaum genießen. Sie streben aktiv Geschlechtsverkehr mit Tieren an. Aggrawal möchte diese Klasse untergruppiert wissen u.a. in die Subgruppen: Fellatio, Cunnilingus, Masturbation und Analverkehr mit Tieren.
Klasse 9: Homizidale Zoophile*
Für Menschen dieser Kategorie ist es notwendig zur Erlangung sexueller Befriedigung, das Tier, mit dem sie Sex haben wollen, zuvor zu töten. Man könne sie daher auch als Nekrozoophile bezeichnen und obgleich sie noch Geschlechtsverkehr mit (lebenden) Menschen haben können, stehen sie unter dem starkem sexuellen Zwang, Tiere zu töten, und sich an den Leichnamen zu betätigen.
* bei der Bezeichnung ist dem Autor ein Fehler unterlaufen, denn „homizidale Zoophilie” ergibt keinen Sinn. Er meinte wohl „zoozidale Zoophile”…
Klasse 10: Exklusive Zoophile
Analog zu den Kollegen von der Nekrophilie sind diese Zoophilen zum Geschlechtsakt mit Menschen nicht mehr fähig. Ihre Sexualität ist exklusiv auf Tiere ausgerichtet.
Um die Überlegenheit seiner „mathematischen” Klassifizierung gegenüber bereits bestehenden Einordnungssytemen zu belegen, zitiert Aggrawal ein Buchkapitel von Shaffer und Pen, das die folgende (von mir übersetzte) Tabelle enthält, die in Aggrawals Augen völlig unzureichend (in meinen aber erheiternd bizarr) ist, weil sie nur willkürliche Spezifizierungen der Zoophilie aufführe, nicht aber ein, zumindest semiquantitatives Grading gestatte:
Mal nebenbei: geht es nach so einer Liste noch jemandem so, daß er/sie sich freut, was für Probleme man/frau so alles nicht hat?
So, nun bin ich malade, aber falls Paraphilieklassifizierung ein spezielles Hobby des Herrn Aggrawal ist, wäre dann wohl 2013 mit dem nächsten Artikel dieser Art zu rechnen. Vielleicht mal was über die 10 Klassen der Acrotomophilie? Ich werde berichten…also, vielleicht…
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Literatur
Aggrawal A (2011). A new classification of zoophilia. Journal of forensic and legal medicine, 18 (2), 73-8 PMID: 21315301
“Sex Crimes and Paraphilia” mit einem Kapitel von Shaffer und Penn, Hickey, Eric W.
(Editor), Prentice Hall Verlag
Und wer jetzt gar nicht mehr genug bekommen kann von A. Aggrawal, der lege sich sein Buch zum Thema zu:
„Forensic and Medico-Legal Aspects of Sexual Crimes and Unusual Sexual Practices” Boca Raton Verlag
Musikempfehlungen
Keine (es gäbe wohl ein thematisch passendes Stück, aber ich kann die “Ärzte” wirklich keinem empfehlen)
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P.S.: In der Tabelle fehlt eigentlich noch „Ichtyophilie”. Hier mal ein Photo:
Naja, wenn Arielle gerade keine Zeit hat…
Anmerkung: Ichtyophilie wäre, dem Vernehmen nach, auf jeden Fall auch ein guter Name für amerikanisches Bier (von wegen „fucking close to water”) (nicht, daß ich Bier trinken würde…)
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