Man stelle sich folgende Situation vor: jemand setzt sich an einem schönen Sommerabend zu einem an den Tisch im Biergarten und sprüht einem immer wieder einige Wolken Insektensprays ins Gesicht. Wie würde man reagieren? Ich bin relativ sicher, daß so etwas eine Straftat ist und man so jemanden wegen (gefährlicher) Körperverletzung belangen und sich sogar straffrei körperlich gegen sein Verhalten wehren könnte.
Ersetzt man im obigen Satz jedoch “Insektenspray” durch “Tabakrauch”, der deutlich mehr giftige und dazu noch hochgradig karzinogene Stoffe enthält, so wird aus einer Straftat eine scheinbar ganz “normale” Handlung, wie sie täglich hunderttausendfach vorkommt.
Wie ist das möglich?!
Anlass dafür, daß ich mir Gedanken über die “Normalität” des Rauchens machte und damit für diesen Beitrag ist eine isländische Debatte darüber, den Zugang zu Zigaretten bis zur Rezeptpflichtigkeit zu reduzieren und Raucher sozialmedizinisch als Suchtkranke aufzufassen, also zu “entnormalisieren”.
Das Für und Wider einer Rauch-Prohibition, also eines Komplettverbots, will ich hier gar nicht abwägen, ich glaube sogar, daß ein totales Verbot wie zu Zeiten der Alkoholprohibition in den USA insgesamt eher schaden als nützen würde, aber der Perspektivwechsel, der mit einer Entnormalisierung des Rauchens erfolgen würde, erscheint mir als durchaus erstrebenswert.
Daß Rauchen krebserregend ist, ist seit mehr als 50 Jahren bekannt und in der Tat ist der Tabakindustrie und ihrer Lobby weltweit aber vor allem in Deutschland, wo die Politik zweifellos und traditionell in für das Land verheerendem Ausmaß Kettenhund der mächtigen Lobbies (insb. der Pharma-, Auto- und Stromlobbies) ist, das zynische Kunststück der Normalisierung des Rauchens gelungen. Selbst unsere Sprache ist von den dahingehenden Bemühungen infiltriert und kennt den Ausdruck “Nichtraucher”, eine Verneinung, die immerhin die Mehrheit der Bevölkerung bezeichnet und genausoviel Sinn ergibt, wie jemanden, der kein Heroin nimmt, als Nicht-Junkie oder jemanden, die ordnungsgemäß ihr Fahrzeug parkt, als Nichtfalschparkerin zu bezeichnen.
Inzwischen gibt es sogar ein Nichtraucherschutzgesetz, das wie eine besorgte, gnädige Geste zum Schutz einer bedrohten Minderheit anmutet, erwartungsgemäß hasenfüßig und wirkungsarm durchgesetzt wird und doch noch nicht einmal die Kinder von Rauchern vor der andauernden Exposition mit dem giftigen Qualm schützt.
Ich habe jahrelang an einem neuropathologischen Institut an Krebs geforscht. Dort habe ich mit eigenen Augen gesehen, was Rauchen anrichtet: bei der routinemäßigen Begutachtung von Tumor-Biopsaten, die Patienten aus dem Hirn entnommen worden waren, wurde sehr häufig festgestellt, daß es sich dabei um einen sekundären Tumor, eine Metastase handelte, die sich vom Primärtumor aus der Lunge abgesetzt und schließlich im Hirn eingesiedelt hatte. Der Patient hatte also einen metastasierenden Lungenkrebs, der erst durch eine Metastase im Hirn und die damit verbundenen Symptome, derentwegen er überhaupt einen Arzt aufgesucht hatte, aufgefallen war. Fast immer bedeutet eine solche Diagnose das Todesurteil und fast immer sind/waren solche Patienten Raucher.
Und noch schlimmer, als daß sich diese Menschen durch das Rauchen selbst einen schlimmen, qualvollen Tod beibringen, ist, daß sie jedes Jahr allein in Deutschland mehrere Tausend andere nicht rauchende Menschen mit in den Tod reissen.
Hinzu kommt noch der oft diskutierte volkwirtschaftliche Schaden (laut einer Studie von 2002-2004 sind es EU-weit 100 Mrd. € pro Jahr), den das Rauchen verursacht und die nicht unfragwürdige Regelung, daß die erheblichen und zu 100% vermeidbaren gesundheitlichen Folgeschäden des Rauchens durch die Krankenkassen und damit von allen Bürgern getragen werden müssen (bei einer Haftpflichtversicherung gilt es hingegen als Betrug, wenn man einen Schaden deklariert, den man mutwillig, ohne Not und wider besseres Wissen selbst herbeigeführt hat).
Das alles gilt offenbar als normal. Doch von außen betrachtet mutet es eigentlich wie ziemlicher Irrsinn an und die feiste Selbstzufriedenheit gepaart mit der aus der egoistischen Beschränkungsangst des Abhängigen geborenen Aggressivität vieler Raucher, mit der sie wie selbstverständlich das Grundrecht anderer auf körperliche Unversehrtheit ihrer Sucht (,deren Ausübung sie großzügig unter den Schutzmantel des Rechts auf freie Persönlichkeitsentfaltung stellen,) unterordnen, wirken irgendwie so gar nicht normal.
Festzustellen ist, daß bislang keine gesundheitspolitische Maßnahme zu einer echten und nachhaltigen Reduktion des Rauchens geführt hat, weder zur Abschreckung gedachte Textversatzstücke oder Abbildungen dieser Art
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