Ich hatte es im letzten Basics-Artikel, dessen Lektüre ich auch zur Vorbereitung auf den folgenden Artikel empfehle, ja angekündigt: ich möchte endlich ‘mal von meinem aktuellen Forschungsthema berichten, das, ich darf das hier mit etwas Stolz verkünden, seit Februar 2012 von der DFG gefördert wird!
Wie schon im Artikel zur Spurenkunde erwähnt, ist es bei der Aufklärung von Straftaten häufig von entscheidender Wichtigkeit, nicht nur einen, den oder die Täter zu finden und zu identifizieren (dafür benutzen wir die DNA), sondern auch den Tathergang zu rekonstruieren. Also die Fragen wie: wo, wie, wann, warum und unter welchen Umständen ist „es” passiert zu beantworten.
Ein Beispiel: auf einer Leiche findet sich ein menschliches Haar. Eine DNA-Analyse ergibt, daß es sich nicht um ein Haar des Opfers handelt. Um nun den Beweiswert des Haars einordnen zu können, muß man herausfinden, wie es auf die Leiche gekommen ist und sein kann. Keinesfalls ist es zulässig, eine Person, zu deren DNA-Profil das des Haars passt, deshalb automatisch als Täter anzusehen. Wenn sich z.B. nachweisen läßt, daß das Haar erst lange nachdem das Opfer getötet wurde, auf die Leiche gelangt ist, wäre das ein Hinweis, daß es nicht vom Täter stammt.
Ein anderes Beispiel: eine Frau meldet sich als Opfer eines Sexualdelikts, in dessen Verlauf es sogar zu Blutungen gekommen sei. Blutspuren werden daraufhin gesichert. Ein Tatverdächtiger wird festgenommen und läßt sich vor Gericht ein, indem er behauptet, er habe nur einvernehmlich mit dem Opfer verkehrt und die angebliche Blutung, die ja auf Gewaltanwendung schließen ließe, sei in Wirklichkeit Menstruationsblut gewesen. Was tun? Theoretisch möglich wäre es ja. Um das Geschehen objektiv rekonstruieren zu können, muß man also herausfinden, ob das gesicherte Blut venöses Blut aus einer Wunde oder tatsächlich Menstruationsblut ist.
Dabei sind gerade die Spuren, die häufig bei Sexualdelikten gesichert werden, eine Herausforderung, da sie aus einer Kombination von vielen verschiedenen Spurenarten (Blut, Speichel, Epithelzellen, Sperma, Menstrualblut) bestehen können und die Kenntnis der genauen Zusammensetzung entscheidend für das Verständnis des Tathergangs sein kann. Herkömmliche Methoden wie die chemischen oder immunologischen Tests, die ich im Artikel zur Spurenkunde vorgestellt habe, sind bei solchen Mischspuren überfordert. Besser eignet sich die im selben Artikel vorgestellte, RNA-basierte Methode.
Das Prinzip, um es kurz zu wiederholen, beruht darauf, daß die Zusammensetzung der Gesamtheit aller RNAs (Transkriptom) und auch miRNAs (miRNom) in einer Zelle komplexe Rückschlüsse auf z.B. Art, Zustand, Erkrankung oder Herkunft dieser Zelle bzw. des Gewebes, dessen Teil sie ist, zulässt. Grund dafür ist die differentielle Genexpression in den Zellen. Es ist dadurch möglich, aus der aus vielen Tausend (mRNA) bzw. über Tausend (miRNA) möglichen verschiedenen Molekülen sich zusammensetzenden Gesamtpopulation einige wenige „Kandidaten” herauszufiltern. Eine solche Kandidatengruppe bezeichnet man auch als “Signatur”. Aufgrund des Vorhandenseins bzw. der Menge der Kandidaten einer Signatur kann man dann eine Aussage über die Art der Körperflüssigkeit (z.B. Blut, Speichel oder Sperma), aus der die untersuchten Zellen stammen, treffen.
Für „normale” RNA (mRNA) gibt es dazu schon viele Studien und sogar die ersten Ringversuche (s. Litertaur) werden durchgeführt, um diese Technik der Spurenartanalyse zu etablieren, validieren und zu verbreiten. Nur gibt es ein Problem mit der mRNA: diese Moleküle sind oft sehr lang (viele Tausend Basenpaare) und sehr empfindlich und das ist für die forensische Nutzbarkeit eine ziemliche Einschränkung, weil z.B. umweltausgesetzte Tatortspuren und die darin enthaltenen Biomoleküle starken Belastungen ausgesetzt sind. Einem Vergleich mit der robusten Schwester DNA nicht standhaltend, werden die einzelsträngigen mRNAs durch Umwelteinflüsse aber auch von den überall vorkommenden RNAsen (RNA-spaltende Enzyme) sehr rasch zerlegt und so der Nachweisbarkeit entzogen. Das Problem ist so gravierend, daß eine auf RNA-Analytik spezialisierte Biotech-Firma nur halb im Scherz den RNAsen regelrecht den Krieg erklärt hat. Eine weitere Quelle forensischer Spuren, nämlich formalin-fixiertes, paraffin-eingebettetes Archivmaterial, das normalerweise für klinische Zwecke hergestellt und aufbewahrt aber durchaus für wichtige retrospektive forensische Untersuchungen herangezogen werden kann, ist ebenfalls keine gute Umgebung für mRNAs, die die harsche, chemische Behandlung der Haltbarmachung nur schlecht überstehen. Und hier kommen die miRNAs auf den Plan: sie „können” alles, was mRNAs auch können, sind aber für forensische Zwecke wegen ihrer geringen Größe und der damit verbundenen Robustheit viel besser geeignet. Außerdem gibt es bereits Anhaltspunkte aus der Krebsforschung, daß sie Art und Zustand einer Zelle besser und biologisch gehaltvoller abbilden, als die mRNA.
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