Die Überschrift ist keine Übertreibung. Das Next Generation Sequencing (NGS), also die nächste Generation der DNA-Sequenzierungstechnologie wird die Genetik, die Evolutionsbiologie und zumindest einen Teil der Medizin revolutionieren. Manche sagen, NGS wird genauso groß wie die PCR und ich halte das nicht für unrealistisch.
Ich behaupte: NGS wird ermöglichen, daß in spätestens 10 Jahren jede/r einen Datensatz seines/ihres kompletten Genoms auf einem USB-Stick oder gar dem Chip seiner/ihrer Krankenkassenkarte immer dabei haben kann.
(Bevor es losgeht: ich empfehle sehr, sich zur Vorbereitung die Basic-Artikel zu DNA und PCR zu Gemüte zu führen)
Um NGS einordnen zu können, muß man zunächst einen Begriff von der DNA-Sequenzierung bekommen:
DNA-Sequenzierung ist die Bestimmung der Nukleotid-Abfolge in einem DNA-Molekül. Die DNA-Sequenzierung hat die biologischen Wissenschaften revolutioniert und die Ära der Genomik eingeleitet. Seit 1995 konnte durch DNA-Sequenzierung das Genom von über 1000 (Stand: 2010) verschiedenen Organismen analysiert werden […]. Zusammen mit anderen DNA-analytischen Verfahren wird die DNA-Sequenzierung u. a. auch zur Untersuchung genetisch bedingter Erkrankungen herangezogen. Darüber hinaus ist die DNA-Sequenzierung als analytische Schlüsselmethode, insbesondere im Rahmen von DNA-Klonierungen (engl. molecular cloning), aus einem molekularbiologischen bzw. gentechnischen Laborbetrieb, heute nicht mehr wegzudenken.
aus Wikipedia
Die Sequenzierung von DNA ist also das Auslesen der „Buchstaben” der DNA und damit eine notwendige aber nicht ausreichende Voraussetzung, die Funktion, Regulation und Zusammenwirkung von Genen, den „heiligen Gral” der Genetik, zu verstehen. Um z.B. ein englisches Buch verstehen zu können, muß man lesen und Englisch können. Sequenzieren entspräche dabei dem Lesenkönnen und der Unterschied zwischen klassischem „Old-School”-Sequenzieren und NGS wäre in etwa der zwischen einem Erstklässler, der eine halbe Minute für „Fu ruft tut” braucht und einem Stadion voll Anne Jones’ (die mit 4700 Wörtern pro Minute den Rekord im Speedreading hält).
Die „alte” Sequenzierung wurde 1977 von F. Sanger vorgestellt (und 1980 verdientermaßen mit dem Nobel prämiert).
Ihre Technik ist die „Kettenabbruchmethode”: wie bei der PCR wird ein DNA-Strang von einer Polymerase abgelesen und eine komplementäre Kopie davon angefertigt. Auch hier wird zur „Einweisung” der Polymerase ein Primer benötigt. Zu den normalen Bausteinen, die die Polymerase zusammensetzt, den Desoxyribonukleotiden (dNTP), wird dem Reaktionsgemisch aber noch eine bestimmte Menge sogenannter Didesoxyribonukleotide (ddNTP) zugegeben. Diese unterscheiden sich von den normalen Nukleotiden dadurch, daß sie auch am 3′-C-Atom kein Sauerstoffatom tragen und dort also kein weiteres Nukleotid angefügt werden kann.
Wenn die Polymerase dann zufällig ein solches ddNTP (s. Bild links) einbaut, so bricht danach die Synthese einfach ab, daher der Name. Bei den modernen Ansätzen der Sanger-Sequenzierung tragen die ddNTPs für die vier Basen der DNA (A, G, C und T) jeweils einen verschiedenen Farbstoff, so daß man sie voneinander unterscheiden kann (zum Beispiel T: rot, G: orange, A: grün, C: blau). Alle vier Arten von ddNTPs werden dann einer Sequenzierungsreaktion beigemischt und zwar genau in einer solchen Menge, daß nicht immer, aber immer mal wieder ein ddNTP statt eines dNTPs eingebaut wird. Das führt dazu, daß nach einer bestimmten Zeit statistisch gesehen an jeder Position eines neu synthetisierten DNA-Stranges mal ein ddNTP eingebaut und dadurch die Kettenverlängerung abgebrochen wird. Kompliziert? Ein Beispiel: Angenommen, wir wollen folgendes unbekanntes DNA-Stück sequenzieren:
XXXXXXXX (jedes X steht für eine noch unbekannte Base, A, G, C oder T)
Wir stellen also einen Sequenzierreaktionsmix her (mit Polymerase, Primer, dNTPs und ddNTPs), geben das unbekannte DNA-Stück dazu und lassen die Reaktion laufen.
Wenn man, wie beschrieben, lange genug wartet, entsteht in unserem Beispiel bei zufälligem Einbau von ddNTPs (dargestellt durch Kleinbuchstaben) an allen möglichen Positionen mit der Zeit eine Mischung folgender Fragmente:
t
Tc
TCg
TCGa
TCGAa
TCGAAt
TCGAATg
TCGAATGc
TCGAATGC (das wäre die vollständige komplementäre Sequenz, die nur dann entsteht, wenn zufällig kein ddNTP eingebaut wird)
Kommentare (29)