Leider kann ich Dir nicht erklären, warum es den Frauen so lange so schlecht gehen mußte. Ich verstehe es wirklich nicht. Wie hat man(n) das rechtfertigt? Kann es wirklich sein, daß allein die durchschnittlich höhere Körperkraft der Männer als Argument dafür herangezogen wurde, die Frauen auch in jeder anderen Hinsicht als “schwächer” und unterlegen zu brandmarken? Wieso hatte es damit nicht ein Ende, sobald Gesellschaften entstanden waren, die sich selbst Gesetze gaben, die dafür sorgten, daß Körperkraft allein zur Legitimation und Durchsetzung des Willens nicht mehr geduldet wurde, die also das Recht des Stärkeren abschafften? Vielleicht kannst Du es mir eines Tages erklären, falls Du Soziologin oder Historikerin wirst. Oder Psychologin – denn es könnte doch auch sein, daß der Grund mit einem tief empfundenen Mißtrauen oder auch Neid auf die Fähigkeit der Frauen, Kinder zu gebären, zu tun hat und der Mann die Notwendigkeit empfunden hat, diese sicher lange als mystisch empfundene “Gabe”, die er selbst nie erlangen kann, zu kontrollieren, indem er die Frau kontrolliert, was bedeutet: unterwirft.
Was immer der Grund war oder ist, er war nie und ist heute erst recht nicht zu rechtfertigen und zu akzeptieren und nichts anderes wirst Du von mir erfahren.
Die Religion hat übrigens auch keine gute Rolle für Euch Frauen gespielt. Das ist ein wichtiger von allerdings zahlreichen Gründen, warum Du ohne Religion aufwachsen wirst. Alle großen Weltreligionen verachten und unterdrücken die Frauen, die Hälfte aller Menschen. Sie schreiben ihnen die schlimmsten und niedrigsten Eigenschaften zu, versächlichen sie und ordnen sie dem Manne unter. Sie gehen davon aus, daß dies im Sinne ihrer jeweiligen Gottheiten sei und belegen es mit ihren jeweiligen, von Männern also Menschen verfassten “heiligen” Schriften. Ich halte Dich davon fern. Kein geiler “gesalbter” Greis wird Dir zu nahe kommen und Du wirst vor keinem niederträchtigen Götzen das Knie beugen und Dich gleichsam immer wieder und ohne Hoffnung auf Vergebung für Dein Geschlecht entschuldigen oder schämen. Falls Du Dich aber doch eines Tages, wenn Du erwachsen sein wirst, entscheidest, einer Religion anzugehören, wirst Du dies aus freien Stücken tun können und dann obwohl Du weißt und verstehst, wie diese Religion die Frauen betrachtet und behandelt.
Was mir Mut macht und Dir hoffentlich auch, ist, daß Du es weniger schwer haben wirst, als andere Frauen vor Dir, daß Du davon profitieren kannst, daß es unnachgiebigen Frauen gelungen ist, all die selbstverständlichen Dinge und Rechte für Euch zu erstreiten. Dahinter wird es, solange es freiheitliche und säkulare (!) Demokratien gibt, auch glücklicherweise kein Zurück mehr geben. Es wird ohnehin immer schwerer, auf Frauen und ihre Leistungsfähigkeit in allen Bereichen zu verzichten und Du wirst Dir, so hoffe ich, aussuchen können, welchen Beruf Du ausüben wirst. Dennoch wirst Du in den Köpfen und im Verhalten der Menschen (meist Männer, manchesmal auch Frauen) bisweilen auf Reste der alten Vorstellungen treffen. Wenn das passiert und man Dir dadurch etwas verbauen, vorenthalten oder vorschreiben will, so wehre Dich! Es ist Dein Recht gegenüber den Männern und Deine Pflicht gegenüber den Frauen.
Ach ja, ich wollte Dir ja noch erzählen, was ich über Frauen weiß. Ich will ehrlich sein, mich an Sokrates halten und sagen: ich weiß, daß ich nichts weiß. Nichts, was irgendjemand über Frauen zu wissen behauptet, gilt für alle Frauen. Klischees gibt es in rauhen Mengen und sie sind fast alle blöd und langweilig. Selbst, wenn ich behaupten würde, daß ich Frauen toll finde, wäre das irgendwie nicht richtig. Ich finde nicht alle Frauen toll und ich sollte auch niemanden nur deshalb mögen, weil sie eine Frau ist. Allerdings glaube ich auch nicht, etwas über jemanden zu wissen, nur weil sie eine Frau ist. Ich gehe aber dennoch grundsätzlich davon aus, daß Frauen Respekt schätzen und zwar, weil Menschen Respekt schätzen. Mann kann also wohl nichts falsch damit machen, erst einmal Respekt für eine Frau aufzubringen – das gilt übrigens auch für Frauen selbst, wenn sie anderen Frauen begegnen, denk’ bitte daran! Wenn man das aber tut, verbietet sich im gleichen Zuge natürlich ein Verhalten, ja sogar ein Denken, das auf den alten Klischees beruht, selbst dann, wenn man herausfindet, daß die Frau, der man gegenübersteht, ihnen noch anhängt.
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