Ich berichte vom ersten Tag der internationalen atheistischen Tagung in Köln.
Das ganze fand im Kölner Comedia Theater in der Südstadt statt und trotz eines, äh, nicht gänzlich unvermeidbaren navigatorischen Lapsus’ meinerseits kamen wir pünktlich dort an
und traten durch eine Pforte, deren Wächter
zu sagen schien: Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate! Es wurde aber doch noch sehr erbaulich und man darf hoffen, daß dieser Tagung, die erst die zweite atheistische Tagung in Deutschland nach ca. 20 Jahren war, die nächste in kürzerem Abstand folgen wird.
Das Motto der Tagung war “Die Atheistische Perspektive”, etwa 300 Menschen aus In- und Ausland waren nach Köln gekommen und insgesamt 17 Referenten aus der ganzen Welt kamen zu Wort und stellten ihre Perspektiven, Erlebnisse und Probleme als Atheisten aber auch ihre Gedanken zum humanistischen Atheismus und ihre Wünsche und Vorstellungen für eine säkulare, menschlichere Welt vor.
Hier die noch leere Bühne und das Tagungsmotto.
Nach den Grußworten von René Hartmann, dem ersten Vorsitzenden der IKBA und von Tanya Smith, der Präsidentin von Atheist Alliance International, machte P.Z. Myers den Anfang mit seinem Vortrag “Warum sprechen wir über Wissenschaft auf atheistischen Konferenzen?”.
Es ist ja wahr, kaum ein atheistischer Kongress kommt ohne Diskussion über wissenschaftliche Aspekte aus. Der Grund dafür sei, so PZ, daß eine atheistische sehr häufig mit einer wissenschaftlichen Weltsicht zusammenfalle. “Wissenschaft hilft uns, zu erkennen, was wahr ist”, sagte er, “und Wissenschaft ist eine Methode um Wahrheitsbehauptungen zu prüfen”.
Als schlechtes bzw. Gegenbeispiel für eine unwissenschaftliche und daher um einen Abgleich mit der Wirklichkeit nicht bemühte Geisteshaltung nannte er die Website “Raptureready“, auf der sich religiöse Fanatiker ernsthaft (!) Gedanken darüber machen, was angesichts des ihrer Auffassung nach kurz bevorstehenden Tags des jüngsten Gerichts (einschl. Jesus-Rückkehr) zu tun bzw. wie dieser zu überleben sei.
Um Behauptungen zu prüfen, beruhe die wissenschaftliche Methode auf Beobachtung, Logik und Wiederholung und sei so imstande, falsche Annahmen/Behauptungen herauszufiltern und “nützliche Wahrheiten” (etwas das “funktioniert”) zu finden.
Wenn man statt dieser Methode eine ideologische Zielrichtung einsetze, um zu Einschätzungen über die Welt zu kommen, dann treffe man die Wahrheit nicht, so PZ. Als Beispiel nannte er den Klimawandel, ein Phänomen, für dessen anthropogene Herkunft inzwischen tonnenweise wissenschaftliche Daten aus den verschiedensten Disziplinen vorliege und woran kein ernstzunehmender Wissenschaftler zweifeln könne.
Viele US-amerikanische Politiker, für die die Herausstellung ihrer Religiosität zum Wahlkampf gehört, argumentieren jeodch, daß es keinen Klimawandel und auch seine schlimmsten Folgen (massive Überflutungen) geben könne, weil in der Bibel stehe, daß Gott verpsprochen habe, es bei der einen Sintflut bewenden zu lassen.
Von der Industrie, die, so PZ, die Interessen des Kapitalismus widerspiegele, wird ebenfalls der Klimawandel geleugnet, denn dieser hätte ja einen negativen Einfluss auf den Profit und das könne/dürfe nicht sein.
PZ erinnerte daran, daß alle “Bewegungen” von sich behaupten, realitätsbasiert zu sein, d.h., auch die religiösen Fanatiker denken, daß alles wahr ist, woran sie glauben. Doch wo die wissenschaftliche Methode Beobachtung und Empirie erfordert, setzen jene stattdessen die Interpretation eines “heiligen Textes”, Berufung auf Tradition und die Perpetuierung mytischer Vorstellungen ein und versuchen allenfalls noch eine systeminterne Konsistenz (= Widerspruchsfreiheit) zu erreichen, insgesamt also “sehr fehlerhafte Methoden zur Bestimmung der Wahrheit”.
Wissenschaft sei hingegen die “Waffe des Atheismus”, das großartigste Werkzeug, das die Menschheit geschaffen habe und durch das sie ihre größten Errungenschaften erreichen konnte. Die Wissenschaft habe das Gefühl der Identität transformiert, indem sie die Gesellschaft ermächtigt habe, die Welt zu studieren und als einzige Informationsquelle dafür die echte, physische Welt anzunehmen.
Dennoch, so PZ, sei Wissenschaft an sich kein Selbstzweck und nicht allein ausreichend für eine wünschenswerte Welt und Gesellschaft, da Wissenschaft wertneutral sei und mißbraucht werden könne, indem ihre Errungenschaften und der durch sie erlangte Fortschritt zu unmenschlichen Zwecken eingesetzt werden könne. Erstrebenswert sei daher statt Szientismus ein Humanismus, der zugleich informiert durch Wissenschaft und unbefleckt durch Aberglaube sein müsse.
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