Untersuchung 2: Hier mußten die Probanden zunächst ihren Glauben an Gott auf einer Skala von 1 bis 100 einordnen. Zuvor jedoch wurden sie visuell „geprimt”, indem ihnen zufällig ausgewählt eines von vier Bildern eines Kunstwerks, das entweder eine Pose oder Geste des Denkens darstellt (26 Teilnehmer, Beispiel in Anhang E, links) oder eine oberflächlich (z.B. farblich) ähnliche, aber nicht mit Denken in Verbindung zu bringende Position darstellt (31 Teilnehmer, Beispiel im Anhang E, rechts). Zuvor hatten die Autoren nachgewiesen, daß die Primingstrategie auch wirklich geeignet ist, analytisches Denken anzuregen.
Das Ergebnis zeigte, daß die vorherige Betrachtung eines „Denker”-Kunstwerkes den religiösen Unglauben förderte: die Probandenkollektive wiesen signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten ihrer Skaleneinschätzungen auf (p = 0,03). Ein Priming, das analytisches Denken fördert, reduziert also auch den Glauben an Gott.
Den Autoren war jedoch bewußt, daß die zuvor gezeigte Denkerpose vielleicht etwas zu viel über das Ziel der Untersuchung preisgab, so daß die Probanden möglicherweise dadurch beeinflusst worden waren. Daher sollten für die folgenden Untersuchungen die Manipulationen noch subtiler werden.
Untersuchungen 3 und 4: Die Probanden mußten wieder ihren Glauben skalieren. Zuvor jedoch mußten sie als Priming eine Art Sprachtest absolvieren, bei dem Reihen von Wörtern neu arrangiert und sinnvoll geordnet werden sollten. Dieses hier nun implizite (also indirekte) Priming bestand darin, daß ein Teil der Teilnehmer Wortgruppen erhielt, die Worte wie „analysieren”, „grübeln”, „denken” etc. umfassten, während der andere Teil der Probanden „Kontrollwörter” wie „Hammer”, „Schuhe”, „springen” etc. erhielt. Auch hier war zuvor nachgewiesen worden, daß die Primingstrategie geeignet ist, analytisches Denken anzuregen.
In Untersuchung 3 wurden 50 Teilnehmer „analytisch” geprimt und 43 Teilnehmer dienten als Kontrollen. Dann wurde allen ein Fragebogen (Anhang D) vorgelegt. Es kam heraus, daß die analytisch geprimte Gruppe eine signifikant niedrigere Gläubigkeit aufwies, als die Kontrollen (p = 0,04). Dabei hatten Wochen vor der eigentlichen Untersuchung bestimmte individuelle Unterschiede im religiösen Glauben keinen Einfluss auf das analytische Priming (p = 0,66).
Untersuchung 4 wiederholte die Prozedur für Untersuchung 3 allerdings mit einem Probandenkollektiv, das landesweit über Onlinebefragungen zusammengestellt worden war und das eine breite Streuung über Alters-, Einkommens- und Bildungsschichten aufwies. Auch hier erhöhte das implizite analytische Priming den religiösen Unglauben (p = 0,03).
Insgesamt wurde festgestellt, daß bereits indirektes Priming für analytisches Denken den religiösen Unglauben befördert.
Um dem möglichen Einwand, daß allein die Tatsache, daß die Probanden vor der Beantwortung der Fragebögen überhaupt etwas tun mussten und dies bereits die Ergebnisse beeinflussen könne, zu begegnen, führten die Autoren noch eine weitere Untersuchung mit noch subtilerem Priming durch:
Untersuchung 5: Als Priming wurde hier “kognitive Disfluenz” eingesetzt, von der bekannt ist, daß sie analytisches Denken fördert [3,4]: dabei wird einfach der zu lesende Text in einer schwer zu lesenden Schrift vorgesetzt. Das genügt bereits, um das Abschneiden bei Aufgaben, die analytisches Denken erfordern, zu verbessern. In der Untersuchung legten die Autoren den in Gruppen geteilten Probanden nun je eine Version der Fragebögen vor: die geprimte Gruppe (91 Teilnehmer) erhielt einen Bogen in schwer lesbarer Schrift, der Bogen der Kontrollgruppe (91 Teilnehmer) war in gut leserlicher Schrift gehalten.
Man sieht also, daß, um diesen sehr subtilen Primingeffekt zu bewirken, die Probanden nun nichts mehr extra tun mußten. Dennoch war es auch hier so, daß das durch das Priming angeregte analytische Denken den religiösen Unglauben signifikant förderte (p = 0,04). Auch hier waren Wochen vor dem Experiment individuelle Unterschiede beim religiösen Glauben gemessen und danach festgestellt worden, daß diese keinen Einfluss auf den Effekt ausübten, den das analytische Denken auf den religiösen Glauben hatte (p = 0,96).
Die Manipulationstechniken, die in den verschiedenen Untersuchungen eingesetzt wurden, rufen natürlich unterschiedliche Effekte hervor und bestimmte Einzelbefunde aus einzelnen der Untersuchungen könnten auch anderweitig erklärbar sein und seien grundsätzlich diskutierbar, aber, so die Autoren, es sei schwierig, über alle fünf Untersuchungen und deren ähnlich ausgerichtete Befunde zusammengenommen zu einer anderen Erklärung dafür zu gelangen, daß das analytische Unterdrücken intuitiver Antworten, visuelles und implizites Priming und Priming durch perzeptionelle Disfluenz alle zur Förderung religiösen Unglaubens zusammenlaufen.
Ihre aufgestellte und zu prüfende Hypothese, derzufolge analytisches Prozessieren (s.o.) religiösen Unglauben fördere, erkläre jedoch alle diese Befunde in einem einzigen argumentativen Rahmen, der noch dazu solide von bereits bekannter Evidenz bzgl. der kognitiven Grundlagen für religiösen Glauben bzw. Unglauben gestützt sei.
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