Überlieferungen zu Paganinis Krankheiten
Viel ist über Paganinis Krankheiten und verschiedene Leiden geschrieben, berichtet und leider auch erdichtet worden und es gibt zahlreiche Quellen dazu. Besonders oft ist dabei die Rede von Tuberkulose und Syphilis.
Nicht wenige Paganini-Biographen waren der Überzeugung, daß Paganini an Tuberkulose (Tbc) erkrankt gewesen und letztlich auch daran gestorben sei. Alle Symptome der Tbc, darunter Aphonie und Schluckbeschwerden, können auch durch Syphilis und/oder eine Quecksilbervergiftung (wie nach einer Quecksilbertherapie nicht unüblich) erklärt werden und die Darmbeschwerden, die Paganini wohl hatte, sind wahrscheinlich auf einen gut dokumentierten jahrelangen Mißbrauch pflanzlicher Abführmittel zurückzuführen. Gegen eine Tbc spricht insbesondere, daß Paganinis Sohn Achille, der jahrelang auf engem Raum mit ihm zusammenlebte und also reichlich Gelegenheit hatte, sich anzustecken, nie an Tbc erkrankte.
Obwohl man eine Tbc nicht sicher ausschließen kann, ist angesichts der Befunde und der damaligen Häufigkeit der Syphilis sowie der sexuellen Umtriebigkeit Paganinis, gegen deren übertriebene Darstellung er sich zwar verwahrte, die er aber in Briefen und Gesprächen mit Freunden in gewissem Umfang doch auch einräumte, eine Infektion mit Syphilis relativ plausibel.
Dazu passt auch, daß er zwischen 1822 bis 1824 von seinem Arzt mit Quecksilber behandelt worden sein soll, eine radikale Therapie, die wohl nur bei dieser Diagnose versucht worden wäre. Außerdem soll Paganini an einer Gelbsucht gelitten haben, die, wie auch die kachektische Abmagerung und Blässe Paganinis, durch einen Organbefall durch Syphilis-Erreger zu erklären ist. 1829 suchte Paganini wegen eines zunehmenden einseitigen Verlustes seiner Sehkraft einen Arzt auf. Auch dies passt zu einer Syphilis-Erkrankung, die zu einseitigen Uveitiden, Chorioretinitiden und Rückbildungen des Sehnervs führen kann. Auch der Haarausfall, den Paganini an sich bemerkt haben soll, kann auf Syphilis zurückzuführen sein. Es gibt darüber hinaus noch weitere anekdotische Anhaltspunkte zu Symptomen – Lähmunserscheinungen, Erektionsstörungen – die Paganini aufgewiesen habe, die ebenfalls von der Syphilis bzw. ihrer fortgeschrittenen Form, der das Nervensystem angreifenden Neurosyphilis, verursacht werden können.
Aus den historischen Quellen lassen sich Hinweise entnehmen, daß Paganini neben der möglichen Quecksilbertherapie einer Syphiliserkrankung auch noch und zusätzlich zu den pflanzlichen Mitteln, das quecksilberhaltige Abführmittel “Kalomel” eingenommen habe. Dies könnte sein Darmleiden noch deutlich verschlimmert und letztlich auch das todesursächliche Nierenversagen verursacht haben.
Um zu klären, welche Rolle eine mögliche Vergiftung durch eine Quecksilbertherapie gespielt haben konnte, untersuchten die Autoren die Haare Paganinis entsprechend dieser Hypothese.
Vergiftung mit Quecksilber?
Da die festgestellten endogenen Schäden (s.o.) grundsätzlich damit vereinbar waren, durch eine Quecksilbervergiftung verursacht worden zu sein, konzentrierten sich die Autoren nun auf den Nachweis des giftigen Metalls.
Die Quecksilbermenge in den Haaren wurde mit zwei verschiedenen Methoden bestimmt: die ICP-MS-Messung ergab 15,4 µg Quecksilber und 185,4 µg Zinn jeweils pro Gramm Haargewicht.
Bei der Messung mit TXRF resultierten für ein Haar ein Mittelwert von 30 µg Quecksilber (mit einem Streubereich von 20µg) pro Gramm Haargewicht und für ein zweites Haar ein Mittelwert von 10 µg Quecksilber (mit einem Streubereich von 3 µg) pro Gramm Haargewicht.
Zunächst war festzustellen, daß alle Messwerte klar oberhalb der in der Literatur angegebenen Referenzwerte lagen. Die TXRF-Messwerte stimmten in der Größenordnung und wenn man die Streuung berücksichtigt, mit den ICP-MS-Ergebnissen überein, dennoch wiesen die TXRF-Werte für die beiden untersuchten Haare eine sehr hohe und, wie Wiederholungsmessungen belegten, nicht methodisch begründete Streuung auf.In mikroskopischer Auf- bzw. Durchsicht konnten die Autoren silbrige bzw. schwarze Partikel auf den Haaren beobachten. Zur Erklärung der breiten Streuung stellten sie daher die Vermutung an, daß sich im Haarwurzelbereich Quecksilberdepots gebildet hatten, so daß während der Haarbildung Quecksilberpartikel mit Druck in die Cuticula eingepresst wurden. Daß die Strukturstörung der Cuticula eher gering ausgeprägt war, speche, so die Autoren, für ein eine endogene Herkunft des Quecksilbers, wie sie durch eine Vergiftung, so wie in Paganinis letzter Lebensphase vermutet, erklärlich wäre.
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