Messenger-RNA

ein Sonett

Sie ist die mit U statt T dotierte,
durch Hut und Schleppe pfauenhaft livrierte
Botin; erst von Poly-II entbunden,
dann aufgetrennt, gespleißt und neu verwunden:

Zum Ribosom trägt sie geschwind
Transkripte aus Desoxy-Folianten,
die unbewegt, gleich sperrigen Giganten,
im Kerne festgehalten sind.

Der Botin ist ihr nied’rer Dienst nicht arg,
ob sie gleich älter ist, als DNA:
Wie eine Zeitung wird sie viel gelesen

und doch, ihr Überbringerlohn ist karg:
denn ist ihr Zweck erfüllt wird sie beinah’
sofort zerlegt in was sie einst gewesen.

flattr this!

Kommentare (10)

  1. #1 Claudia
    26/09/2012

    Waaaah! Das gibt’s doch nicht. Ich will es auch, dieses Gehirn, das innerhalb kürzester Zeit Poesie und auf den ersten Blick ganz und gar Unpoetisches verbindet, um, auf den zweiten, den tief poetischen Kern dessen aufzuzeigen. Immerhin dichtest Du über nichts anderes als die Grundpfeiler des Lebens, und es ist soooo schöööön… 🙂

    Gez.
    Ihr größter Fan

    P.S.: zum Thema Naturwissenschaftslyrik hätte ich hier noch ein albernes Gedicht über das Elektron:

    Wir ehren, was auf wolkenleisen
    Sohlen pilgert…Und obschon
    Es Rast sucht, Ruhe! – muß es reisen.
    Im Orbital. Als Elektron.

    Leichter als seine Leptonengeschwister
    Doch düsterer als seine Freunde, die Quarks
    Rast es und weilt nie und fühlt sich sinister
    Und konstituiert’ dabei Einstein, mich, Marx.

    Elektron, Du wurdest vielfach besungen!
    So dunkel, so unfaßbar, so negativ –
    Noch nie hat ein Lied mir so traurig geklungen
    Wie das, das Du, der mit den Sternen gerungen
    Mir sangst, heut’ nacht noch, als (ruhend) ich schlief.

    (Man möge das von Strophe zu Strophe wechselnde Metrum entschuldigen)

    • #2 Cornelius Courts
      26/09/2012

      Prima, Kompliment 🙂

  2. #3 Bloody Mary
    26/09/2012

    Was für eine Freude, so schön hat mein Tag schon länger nicht mehr angefangen.

    CC, gibt es etwas, das Du nicht so gut kannst?
    Rad schlagen? Orgel spielen? Reifen wechseln?
    Irgend etwas?!

    So viel Brillanz kann auch leicht einschüchernd wirken.

    • #4 Cornelius Courts
      26/09/2012

      Ach, zu viel des Guten 🙂

      “gibt es etwas, das Du nicht so gut kannst?”

      Reichlich! Tanzen z.B. 🙂

  3. #5 Claudia
    26/09/2012

    Jap, gibt es. Er ist zB außerordentlich schlecht darin, sich selbst zu beweihräuchern 🙂

    • #6 Cornelius Courts
      26/09/2012

      Doch! Darin bin ich absolut und uneinholbar phantastisch! 😉

  4. #7 Fliegenschubser
    26/09/2012

    Ich bin ehrlich beeindruckt. Ziemlich geniales Gedicht.

    • #8 Cornelius Courts
      26/09/2012

      Danke Dir.

      Ich bin echt erfreut, daß diese kleine Idee hier bislang nur positiven Anklang findet und
      offenbar einige hier ebenfalls Spaß an Gedichten haben 🙂

  5. #9 Fliegenschubser
    26/09/2012

    Ich hab Spaß an Gedichten und an Molekularbiologie, das passt also super.

    Ansonsten bin ich ein großer Freund der humoristischen Lyrik von Christian Morgenstern, da sind ein paar wunderbare Sachen dabei.

    “Laß die Moleküle rasen,
    was sie auch zusammenknobeln!
    laß das Tüfteln, laß das Hobeln,
    heilig halte die Ekstasen.”

  6. […] gerad’ im rechten Maß entstehen und alljene müssen weichen, wo Dein “seed” ganz auf ihren Boten […]