Aber damit endete der Wahn noch nicht. In der Apothekenbibliothek lagen einige „Bücher“ aus, die nach sorgfältiger Prüfung in den Katalog des Lesenswerten aufgenommen worden waren. Dabei ging es um die „Horvi-Enzym-Therapie“ oder, gerade frisch eingetroffen, um die anthroposophische Lehre der vier „Wesensglieder“ (die ich auch schon für die Universität hätte lernen sollen, also die Lehre von Äther- und Astralleib, dem physischen und dem Seelenleib, die, je nach Tageszeit und Gesundheitszustand, unterschiedlich miteinander verknüpft werden und übrigens auch durch das Durchleben von Kinderkrankheiten gestärkt werden sollen. Hier beginnt ein gefährlicher Übertritt in die Impfverweigerung, der in dieser Broschüre der Firma „WALA“ begonnen wurde).
Andernorts wurden Homöopathika beworben, die Quecksilber- und Chromverbindungen enthielten (mit dem erheiternden Hinweis, daß man sie nicht konsumieren solle, wenn man gegen einen dieser hochgiftigen Stoffe „empfindlich reagiere“). Bedenklich ist ebenfalls, daß Apotheken, welche solche Verdünnungen selbst herstellen, derlei Venena immer zur Hand haben (müssen). Das birgt ein unnötiges Gefahrenpotential für die Mitarbeiter.
Meine Favoriten aus der Bücherliste habe ich mir einmal ausgeliehen und sie eingescannt. Die „Meridiankomplex-Kombinationen“ bieten unter anderem Rezepturvorschläge für Gemische namens „Chakra 1/2/3…“ an, Indikation: zur Dämpfung des überaktiven 1./2./3. … Chakra und der damit zusammenhängen Organe. Entgiftung mit Katalyse.“ Dabei handelt es sich natürlich um irgendwelche willkürlich zusammengestellen Homöopathika. Im selben Buch werden diese Mittel zur Behandlung von Infektionen mit Polioviren empfohlen.
Das zweite Buch stammt von der DHU und behandelt die Antlitzdiagnostik und deren Therapie mit Schüßlersalzen. Immerhin: jetzt weiß ich, daß meine Augenränder vom Kalium phosphoricum-Mangel kommen und meine Weinerlichkeit von einem Mangel an Kochsalz… ach, Verzeihung. Ich meine natürlich „Natrium Chloratum D12“.
Es bleibt zu folgern, daß viele Pharmazeuten leider genauso anfällig für Esoterik sind wie die Mediziner. Nicht umsonst sieht man in fast jeder Apotheke homöopathische Medikamente in der Sichtwahl und man wird vermutlich keinen Apothekenangestellten finden, welcher einem von derlei Humbug abrät. Merke also: auch Naturwissenschaftsstudium schützt vor Esoterik nicht… und das im 21. Jahrhundert.
Damit beschließe ich den ersten Teil dieser kleinen Serie. Im zweiten wird es um Korrespondenzen mit dem Gesundheitsministerium und anderen Instanzen gehen sowie um meine Recherche zum Thema Lobbytätigkeit und Hersteller homöopathischer Präparate.
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Anmerkung von Cornelius Courts: Wer Fragen hat und/oder mit der Autorin abseits des Kommentarthreads Kontakt aufnehmen möchte, kann eine E-Mail an mich schreiben, die ich dann weiterleiten werde.
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