Ein guter Assassine muß präzise arbeiten. Er soll nur heimlich sein Ziel eliminieren, ohne daß dabei jemand anderes verletzt wird oder ein Kollateralschaden entsteht. Wenn man Assassine durch „Krebsmedikament“ ersetzt, ergibt sich aus dem obigen Satz genau die Herausforderung der medikamentösen Krebstherapie.
Ein ideales Krebsmedikament eliminiert Krebszellen, aber eben keine gesunden, normalen Körperzellen. Dabei sollte es möglichst keine Nebenwirkungen haben. Leider gibt es so etwas noch nicht und deshalb ist die Chemotherapie von Krebserkrankungen eine für viele Patienten nur schwer erträgliche Belastung.
Doch es gibt Hoffnung: die Gruppe um C.H. June kann T-Zellen zu perfekten Assassinen „ausbilden“. Sie entnehmen einem Organismus T-Zellen, das sind Immunzellen, die in der Lage sind, andere Zellen zu töten, und bringen diesen bei, ganz gezielt Krebszellen zu erkennen.
Das gelingt, indem sie die T-Zellen mit „gezähmten“ HI-Viren infizieren. Diese Viren wurden zuvor entschärft. Man hat ihnen die Gene für die gefährlichen Genprodukte, durch die normalerweise die HI-Viren die Zelle „kapern“ können, entnommen und stattdessen Sequenzen eingesetzt, die für einen tumorspezifischen Antigenrezeptor kodieren. Das ist ein Protein, das an der Zelloberfläche befestigt wird und mit Proteinen, die ausschließlich auf bestimmten Krebszellen vorhanden sind, interagiert und so der T-Zelle, die den Rezeptor trägt, anzeigt, daß diese Zelle zerstört werden soll. HI-Viren, die Auslöser von AIDS, sind übrigens deshalb so gut geeignet für diese Aufgabe, weil sie „von Natur aus“ perfekt daran angepasst sind, T-Zellen zu infizieren. Nachdem die gezähmten Viren die T-Zellen infiziert haben, werden die Sequenzen für den tumorspezifischen Antigenrezeptor in das Genom der T-Zellen eingebaut, so, als würde man in ein Kochbuch eine zusätzliche Seite mit einem fremden Rezept mit Tesafilm hineinkleben. Dadurch ist die T-Zelle in der Lage, den Rezeptor herzustellen und ihn an ihrer Oberfläche zu präsentieren; der „T-Zell-Assassine“ hat also „gelernt“ eine perfekte Waffe gegen einen speziellen Tumor herzustellen. T-Zellen, bei denen dieses „Training“ erfolgreich war, werden anschließend vermehrt und können dann dem Organismus zurückgegeben werden. Dort können sie mit ihrem neuen Rezeptor ganz gezielt die Tumorzellen finden und zerstören und entfalten, im Gegensatz zu den meisten Chemotherapeutika, keine starken Nebenwirkungen. Natürlich ist das Prinzip auch gegen andere Ziele einsetzbar, man kann z.B. T-Zellen trainieren, die gezielt HI-Viren angreifen, was ein entscheidender Schritt bei einer Therapie gegen HIV und AIDS sein könnte.
Kürzlich wurde auch noch gezeigt, daß diese T-Zell-Assassinen nicht nur funktionieren, sondern auch sicher sind und jahrelang in einem Organismus überdauern können. Leider ist das ganze noch extrem teuer. Die Behandlung eines einzigen Patienten würde derzeit etwa 100.000$ verschlingen.
Die grundsätzliche Herausforderung beim Einsatz modifizierter T-Zellen besteht darin, die richtigen Ziele für diese Assassinen zu finden. Keinesfalls dürfen die T-Zellen neben ihren eigentlichen Zielen versehentlich auch körpereigene Strukturen, im schlimmsten Fall in lebenswichtigen Organen angreifen. Aber obwohl noch viel Forschungsbedarf und eine zurecht hohe Anforderung an die Sicherheit T-Zell-basierter Therapieansätze bestehen, dürfen begründete Hoffnungen in das Verfahren gesetzt werden, das möglicherweise die Behandlung zuvor unheilbarer Krankheiten erlauben wird.
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Referenzen:
Scholler J, Brady TL, Binder-Scholl G, Hwang WT, Plesa G, Hege KM, Vogel AN, Kalos M, Riley JL, Deeks SG, Mitsuyasu RT, Bernstein WB, Aronson NE, Levine BL, Bushman FD, June CH. Decade-long safety and function of retroviral-modified chimeric antigen receptor T cells.Sci Transl Med. 2012 May 2;4(132):132ra53.
Colovos C, Villena-Vargas J, Adusumilli PS. Safety and stability of retrovirally transduced chimeric antigen receptor T cells. Immunotherapy. 2012 Sep;4(9):899-902.
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