Wie im Bericht zur GWUP-Tagung angekündigt, erscheint hier nun zeitgleich mit der neuen Ausgabe des Skeptiker der Artikel zum gleichnamigen Vortrag von Claudia Graneis.
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Homöopathie ist auf dem Vormarsch. Obwohl ein sinnvoller Wirkungsnachweis bislang unterblieben ist, hält sich die Irrlehre Samuel Hahnemanns nicht nur seit über 200 Jahren – Ihre Vertreter werden in zunehmendem Maße auch von Politik und Gesundheitswesen hofiert. Die Auswirkungen sind vor allem in den Apotheken zu spüren: hier werden Kunden oft Globuli empfohlen, ohne dass sie danach gefragt hätten; mitunter für Konditionen, die einen Arztbesuch dringend erfordern. Wieso scheinen Pharmazeuten für die Lehre von den Zuckerkügelchen so anfällig zu sein? Inwiefern ist die pharmazeutische Ausbildung betroffen? Welche Rolle spielen Lobbyarbeit und politische Einflussnahm und welche Gefahren birgt der gegenwärtige Zustand?
Bei einer Internet-Recherche stieß ich kürzlich auf „Lichtglobuli“, ein Präparat, das verdünntes und potenziertes Licht enthalten und so die „Lebensenergie“ sowie die „Zellspannung“ erhalten soll. Zudem beheben diese Lichtkügelchen Dysregulationen im Ätherleib, wie auf der Seite des Vertreibers zu lesen ist. Vielleicht weiß der geneigte Leser nicht, was genau dieser Ätherleib sein soll, doch hier kann schnell Abhilfe geschaffen werden: Ihr Apotheker sollte Ihnen diese Frage beantworten können – weil er es an der Universität lernen musste. Ich selbst hatte, als Pharmaziestudentin im ersten Semester, die Aufgabe, die vier Entwicklungsstadien des Menschen in der Anthroposophie (Geistleib, Physischer Leib, Astralleib, Ätherleib) auswendig zu lernen für die Klausur am Semesterende. Leider ist das kein Einzelfall: jede deutsche Universität muss ihre Pharmaziestudenten in Sachen Homöopathie unterrichten – so legt es der Gegenstandskatalog in der Approbationsordnung für Apotheker fest. [1]
Junge Pharmazeuten schon im Grundstudium über Homöopathie zu unterrichten ist ein effektives Mittel und nur das erste Glied einer Kette, die am Ende dazu führt, dass Apotheker anfällig sind für „Zauberzucker“ und Co. Es gibt praktisch keine Stelle, an der die Homöopathie-Lobby nicht interveniert: vom Grundstudium über Seminare für Pharmazeuten und Referentenbesuche bis hin zur Ausbildung zum Fachapotheker für Homöopathie reicht ihr Einfluss. Und das bleibt nicht ohne Folgen – in den Apotheken ist die Nachfrage nach Globuli äußerst hoch und die Apotheker verkaufen sie gern. Woran das liegen kann, möchte ich im Folgenden erörtern.
Esoterik an den Universitäten
Der erste und bereits genannte Schritt ist es, Studenten der Pharmazie dazu zu zwingen, sich mit der Irrlehre Hahnemanns zu beschäftigen. Hierbei ist der oder die Studierende auf die Wissenschaftlichkeit des Dozenten angewiesen: letzterem steht es frei, ob er das Thema auf eine kritische Art präsentiert oder nicht. In meinem Fall wurde zwar leise und subtil Kritik geübt, doch auf die Frage, wieso das denn nun zu lernen sei, reagierte man nur mit einem Achselzucken. Kurze Zeit später musste sich dann mit den Inhalten der Anthroposophie und Spagyrik auseinandergesetzt werden, allerdings ohne ein kritisches Wort.
Weiterhin angesprochen wurde das Homöopathische Arzneibuch, eine Loseblattsammlung mit Regelungen, welche Qualität, Prüfung, Lagerung und Benennung von homöopathischen Arzneien betreffen. Dieses muss jede Apotheke in Deutschland führen.
In meiner Verwunderung schrieb ich damals dem Bundesgesundheitsministerium, um mich zu erkundigen, was es damit auf sich habe. Ich erhielt folgende Antwort:
Sehr geehrte Frau Graneis,
Vielen Dank für Ihre Email vom 2. Oktober 2012.
Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass es sich bei der Homöopathie um eine in Deutschland seit 1978 anerkannte Besondere Therapieform im Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) handelt.
Der dem Apotheker vom Gesetzgeber erteilte Auftrag ist die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln (§1 Bundes-Apothekerordnung). Dieser Auftrag bedeutet u. a. die verantwortungsvolle Information und Beratung des Patienten/der Patientin über jedes von ihm abgegebene Arzneimittel und gehört zum Berufsbild des Apothekers.
Der Begriff Arzneimittel umfasst auch die im Register für homöopathische Arzneimittel des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte [BfArM, Anm. d. Autorin] verzeichneten zugelassenen/registrierten homöopathischen Arzneimittel. Homöopathika sind ferner –worauf Sie ja auch hinweisen- im Homöopathischen Arzneibuch verzeichnet, das Teil des Arzneibuchs nach §55 Arzneimittelgesetz ist.
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