Warnung: in dieser Reihe stelle ich schräge, drastische, extreme oder auf andere Weise merkwürdige Studien uand Fallberichte vor, die die Forensischen Wissenschaften in ihrer ganzen Breite und Vielseitigkeit portraitieren sollen, die aber in ihrer Thematik und/oder den beigefügten Abbildungen nicht für alle LeserInnen geeignet sind und obgleich ich mich stets bemühen werde, nicht ins Sensationalistische abzugleiten, mag bisweilen die unausgeschmückte/bebilderte Realität bereits mehr sein, als manche(r) erträgt.
Diesmal: eine Arbeit aus Indien über einen Fall von genitaler Selbstverstümmelung bei einem Mann, der unter einer cannabis-induzierten Psychose litt.
„Er schwitzte und zitterte gleichzeitig, sein Blick war unstet und wanderte rastlos zwischen dem Barbiermesser in seiner Hand und der Tür hin und her. Und er hatte Angst. Angst vor dem, was er gleich tun würde. Doch er hatte keine Wahl, er würde sich Gott nicht widersetzen, denn er, der Allmächtige selbst, hatte zu ihm gesprochen. „Schneide ihn ab!“, hatte er geflüstert, ganz deutlich in seinem Kopf, immer wieder „schneide ihn ab, wenn Du Dich retten willst!“. Er mußte es tun, denn er wußte, daß sie ihn sonst finden und umbringen würden! Sie planten das schon lange, wußten alles über ihn, wer er war, was er tat, sogar was er dachte und fühlte. Sie wußten es, weil sein Penis ihnen diese Informationen als elektronische Signale gesendet hatte. Damit würde nun Schluß sein, Gott hatte es ihm befohlen und er würde gehorchen. Er holte tief Luft, sammelte sich einen Augenblick und setzte die scharfe Klinge dann direkt auf dem Bauch und flach am Ansatz an, hielt kurz inne, schloss die Augen und riß das Messer entschlossen nach unten. Das nächste, woran er sich erinnerte, waren unerträgliche Schmerzen und das Gesicht eines besorgten Polizisten, der ihn rüttelte und auf ihn einsprach…“
Vielleicht hat sich die Szene so oder so ähnlich abgespielt. Oder auch ganz anders. Die Details jedoch habe ich, wie noch berichtet werden wird, nicht erfunden. Grundlage dieses Beitrags ist ein Fallbericht aus Indien, erschienen in der Zeitschrift „Journal of Forensic and Legal Medicine“:
Der Fall
Ein 35-jähriger Mann wurde um 14:45 Uhr von der Polizei in die Notaufnahme eines Hospitals im nordinischen Aligarh gebracht. Er blutete im Genitalbereich und der Polizist berichtete, daß er ihn um 10 Uhr morgens allein und in einiger Entfernung von seinem Wohnort aufgefunden habe, er habe heftig geblutet und sei in einem Schockzustand gewesen. Er hatte sich offenbar den eigenen Penis abgeschnitten. In der Notaufnahme wurde er sofort untersucht und behandelt. Die Verletzung war ein glatter, rechtshändig geführter Schnitt von oben nach unten und es gab keine Anzeichen von Probierschnitten. Die Klinge war so dicht am unteren Ende des Penisschafts angesetzt worden, daß nicht einmal ein Stumpf zurückgeblieben und sogar die Harnblase eröffnet worden war. (Die entsprechenden Bilder zeige ich hier nicht). Der Patient wurde stabilisiert und mit einem Foley-Katheter versorgt.
Die Polizei kehrte noch einmal zum Ort des Geschehens zurück, traf dort aber erst um 18 Uhr ein und fand nach einigem Suchen ein blutverschmiertes Barbiermesser und einen amputierten Penis. Erst etwa 12 Stunden nach dem Vorfall traf die Polizei mit dem Amputat wieder am Hospital ein, so daß es für den Versuch einer chirurgischen Rekonstruktion (die durchaus möglich gewesen wäre) viel zu spät war. Eine forensische Untersuchung ergab, daß das Blut auf der Klinge zu dem Patienten gehörte. Die psychiatrische Untersuchung zum Zeitpunkt der Einlieferung hatte Symptome einer akuten Psychose festgestellt.
Im Rahmen einer sich anschließenden Befragung räumte der Patient ein, daß er sich selbst verstümmelt habe, um sich vor der Verschwörung, die um ihn herum vorging, zu schützen. Er sei davon überzeugt, daß seine Nachbarn planten, ihn zu töten und daß sein Penis ihnen seine Gedanken und Gefühle in Form elektronischer Signale übermitteln würde. Außerdem höre er die Stimme Gottes und diese habe ihm befohlen, seinen Penis abzuschneiden. Der Patient erschien verwirrt, konnte keinen Augenkontakt aufrechterhalten und besaß keine Einsicht darin, daß er offenbar unter einer mentalen Störung litt. Es gab weder bei ihm noch in seiner Familie eine psychiatrische Vorgeschichte, aber hinzugezogene Familienmitglieder berichteten, daß er in den letzten Monaten verhaltensauffällig gewesen sei und seinen Verdacht gegen die Nachbarn bereits geäußert habe. Daraufhin habe man ihn zu einem Geistheiler gebracht, jedoch keinen Psychiater konsultiert. Zudem habe er in den letzten Jahren regelmäßig Cannabis konsumiert und er glaubte, daß dies bei der Kontrolle seiner Krankheit und auch für Meditationszwecke hilfreich sei.
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