Die Wunde wurde chirurgisch versorgt und der Patient wurde auf Risperidon (wird zur Behandlung von Schizophrenie eingesetzt) eingestellt, woraufhin sich innerhalb von 2 Wochen, in denen er auch kein Cannabis konsumierte, sein Zustand erheblich besserte und die Wahnvorstellungen und Halluzinationen verschwanden. Einen weiteren Monat später stellte er sich erneut vor. Er habe die Tabletten nur sehr unregelmäßig eingenommen, aber auch kein Cannabis konsumiert. Die Familienangehörigen berichteten jedoch, daß er sich völlig normal verhalten und keine Anzeichen von Wahn oder Halluzinationen gezeigt habe.
Angesichts der Remission der psychiatrischen Symptome innerhalb von Wochen und einem ausbleibenden Rückfall trotz schlechter Compliance bei der antipsychotischen Medikation kommen die Autoren kommen daher zu dem Schluß, daß die Psychose primär durch Cannabis ausgelöst worden war.
Zum Hintergrund
Selbstverletzendes Verhalten (SSV), z.B. Selbstverstümmelung, tritt häufig bei Personen mit bestimmten psychischen Störungen auf und ist bedeutsam für die forensisch-medizinische Praxis, da die dadurch hervorgerufenen Verletzungen nicht selten von fremdbeigebrachten und damit eine Straftat implizierenden Verletzungen abgegrenzt werden müssen. Die Verstümmelung der eigenen Genitalien ist in der Rechtsmedizin bekannt und kommt praktisch nur bei Männern vor (während SSV allgemein häufiger bei Frauen ist), die unter paranoider Schizophrenie leiden, und steht hinsichtlich der behaupteten Motivation sehr häufig in einem religiösen Zusammenhang.Es besteht zudem ein enger Zusammenhang zwischen dem Neurotransmitter Dopamin und Selbstverstümmelung, z.B. können hohe Dosen von Dopaminagonisten wie Amphetamin SSV hervorrufen. Von Kokain aber auch Cannabis ist bekannt, daß sie die synaptische Signalübermittlung beeinflussen, indem sie mit Dopamintransportermolekülen interagieren und daß sie eine dopaminerge Wirkung entfalten können. Die Rolle des dopaminergen Systems für selbstverstümmelndes Verhalten bei Ratten wurde bereits von Gorea und Lombard (s.u.) demonstriert. In Tieren verstärkt Delta-9-THC (der Wirkstoff aus Cannabis) die dopaminerge Signalübertragung in Hirnregionen, die mit psychotischem Verhalten bzw. Psychose assoziiert sind. Aber auch im Menschen sind genetische Varianten bekannt, die das Risiko, nach Cannabis-Konsum kognitive Verluste sowie eine Psychose zu erleiden, erhöhen. Linszen et al. zeigten, daß Delta-9-THC an der Induzierung psychoseartiger Zustände und Erinnerungsverlusten bei gesunden Erwachsenen beteiligt sein kann.
Die Autoren vermuten endlich, daß die mit Drogenkonsum einhergehende Dysfunktionalität hemmender neuronaler Verschaltungen erklärt, warum dieser Patient die Kontrolle verlor und sich nach Cannabiskonsum dann selbst verstümmelte.
Ich möchte noch hinzufügen, daß der für den Betroffenen sicher beklagenswerte Verlauf des ganzen Geschehens wohl hätte verhindert werden können, wenn seine Familie ihn statt zu einem Wunderheiler gleich zu einem Psychiater gebracht hätte. Und auch seine permanente Verstümmelung hätte verhindert werden können, wenn, wie man es heute in jedem Erste-Hilfe-Kurs lernt, das Amputat gleich zusammen mit dem Patienten geborgen worden und gekühlt mit ins Krankenhaus gebracht worden wäre. Eine Rekonstruktion wäre unter diesen Umständen durchaus möglich gewesen.
Ob man sich diesen Fall nun aber als Warnung vor dem Konsum von Cannabis gereichen lassen muß/sollte, mag jede(r) selbst entscheiden…
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Literatur:
Khan MK, Usmani MA, & Hanif SA (2012). A case of self amputation of penis by cannabis induced psychosis. Journal of forensic and legal medicine, 19 (6), 355-7 PMID: 22847056
Gorea E, Lombard MC. The possible participation of a dopaminergic system in mutilating behavior in rats with forelimb deafferentation. Neurosci Lett1984;48(1):75e80.
Linszen D, van Amelsvoort T. Cannabis and psychosis: an update on course and biological plausible mechanisms. Curr Opin Psychiatry 2007;20(2):116e20.
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