Wenn es zu einem gerade aufgesetzten Biß in den Thorax kommt, können mehrere Durchstöße mit beigeordneten Kompressionsfrakturen entstehen, wie hier an der 7. Rippe. Ob es zu solchen Brüchen kommt, hängt, wie hier, davon ab, an welcher Stelle und in welchem Winkel die Rippe getroffen wird.
Solche Artefakte entstehen, wenn ein Haizahn in sehr flachem Winkel eindringt, wodurch sich der gezackte Rand des Zahns in den Knochen fräst. Abschabungen entstehen, wenn der Zahn sich an einem Knochenvorsprung verfängt und dann vom Knochen abgleitet.
Wenn ein Hai zugebissen hat, bewegt er seinen Oberkiefer sägeartig hin und her. Überlappende Riefenmuster entstehen dann, wenn die gezackten Ränder zweier benachbarter Zähne in flachem Winkel auf den Knochen treffen.
Diese Art von Artfakt entsteht ebenfalls durch die das Fleisch vom Knochen reißende Sägebewegung des Haikiefers. Bei einer Reihe aufeinandergefolgter Bisse zeigt das tiefere Ende der Einkerbung an, wo der Biß angesetzt hat. Nach diesem Ansatzkontakt fräst sich der Zahn dann entlang dessen Kontur durch den Knochen bis er abgleitet. Mehrere Kerben, die in die gleiche Richtung verlaufen sind ein charakteristisches Zeichen dafür, daß mehrere Zähne den Knochen in derselben Bißepisode getroffen haben.
Kerben, die wie im Bild oben in unterschiedliche Richtungen verlaufen, weisen hingegen auf mehrere verschiedene Bißepisoden hin.
Eindringstelle und –winkel eines Haibisses, ob als Räuber oder Aasfresser, hängen von mehreren Variablen ab: wenn ein Hai angreift, wird Wasser vor ihm verdrängt und eilt ihm als eine Welle voraus. Diese Welle, deren Eigenschaften von Art und Größe des Hais abhängt, kann bewirken, daß das Opfer in Richtung der Welle bewegt wird. Eine weitere Variable ist die natürliche Bewegung des Ozeans in Gestalt von Strömungen, Tide und großen Wellen, die sowohl Angreifer als auch Opfer beeinflussen. Hinzu kommen noch Geschwindigkeit und Anschwimmwinkel des Hais sowie die Bewegungen des Opfers. Zu nennen ist auch die Tatsache, daß das Haiauge unmittelbar vor dem Biß zum Schutz von einer Nickhaut überzogen wird, so daß der Hai letztlich blind zubeißt. Im vorliegenden Fall war hinsichtlich des Spurenmusters der wahrscheinlichste Kandidat für den Angriff ein Bullenhai. Das ist eine relative große Spezies mit maximal um die 3,80 m Länge und etwa 250 kg Gewicht, die auch im Golf von Mexico verbreitet ist. Der Bullenhai ist ein aggressiver Räuber, der regelmäßig große Beute wie Meeresschildkröten, marine Säuger und andere Haie angreift und auch für Angriffe auf Menschen bekannt ist.
Seine Zahnausstattung ist hervorragend zum Festhalten solcher Beute geeignet: mit seinen spitzen, fein gezahnten unteren Zähnen wird die Beute aufgespießt und fixiert
und mit den gröber gezackten, dreieckigen oberen Zähnen durchdringt er sehr leicht Fleisch und Knochen
Im vorliegenden Fall konnte durch Kooperation von Rechtsmedizinern, forensischen Anthropologen und einem Experten für Haiattacken zwar ein Angriff durch einen (vermutlich Bullen-)Hai erkannt und nachvollzogen werden, es war jedoch nicht möglich, letztgültig zu entscheiden, ob die Bißverletzungen todesursächlich waren oder als Folgen von Aasfraß entstanden sind, zumal nach 10-jähriger Lagerzeit das Weichgewebe kaum noch beurteilbar war und es weder Photographien von der Fundstelle noch Zeugenaussagen gab.
Aber auch generell sind solche oder ähnliche Fälle für forensische Anthropologen keine Routine, da unprovozierte Haiangriffe selten und tödlich verlaufene Haiangriffe noch seltener sind. Man kann unprovozierte Haiangriffe in drei grobe Kategorien aufteilen: 1. „Hit and run“, wobei der Hai einmal kurz zubeißt (seine einzige Möglichkeit, eine potentielle Beute „zu untersuchen“), merkt, daß es sich beim gebissenen Objekt nicht um die angestrebte Beute handelt und sofort wieder verschwindet. Angriffe dieser Kategorie treten vor allem in Erholungsbereichen auf und treffen meist Surfer und Schwimmer. 2. „Bumb and bite“, hier umkreist der Hai sein Opfer, stößt es dann mit dem Kopf oder Körper an und beißt danach erst zu. Hier kommt es dann auch zu mehreren und länger andauernden Bissen. 3. Bei „sneak attacks“ (in etwa: angeschlichener Angriff), erfolgt der erste Biß ohne „Warnung“ oder vorherige Kontaktaufnahme und sehr häufig folgen danach ebenfalls weitere und länger andauernde Bisse. Man vermutet, daß Angriffe der Kategorien 2 und 3 von bestimmten größeren Haiarten ausgeübt werden, die das Angriffsziel aktiv als Beute ansehen und diese Angriffe erzielen auch gewöhnlich hohe Werte auf der „Shark-Induced Trauma Scale“ (eine Skala für von Haien verursachte Traumata) aus [2], wie Abtrennung von Gliedmaßen, hämorrhagischer Schock oder größere Gewebeverluste.
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