Unklar ist auch, warum eigentlich und unter welchen Umständen das HI-Virus im latenten Zustand inaktiv ist. Vermutungen zufolge infiziert das Virus entweder T-Zellen, die sich gerade im Übergang zu einem ruhenden Stadium befinden oder ist das Virus selbst defekt. Eine andere Gruppe um Ya-Chi Ho hat sich vor kurzem damit befasst, genauer herauszufinden, wie groß eigentlich das Reservoir latenter Proviren in einem infizierten Organismus ist [2]. Um das herauszufinden, konnte man bisher zwei Methoden einsetzen: entweder man versuchte, alle ruhenden T-Zellen zu aktivieren und dann die Viren zu detektieren, die dadurch ebenfalls aktiviert wurden (Nachteil: nicht alle Proviren werden durch die Maßnahme aktiviert, man unterschätzt also die Größe des Reservoirs) oder man suchte direkt nach eingebauten Proviren (Nachteil: man detektierte auch defekte Proviren, die nicht mehr hätten aktiviert werden können und überschätzte so die Größe des Reservoirs). Hos Gruppe gelang es nun, in den T-Zellen antiretroviral behandelter Patienten die Anzahl trotz Aktivierung in der Kulturschale inaktiv gebliebener Viren zu bestimmen. Dabei fanden sie heraus, daß ca. 12% dieser inaktiven Viren ein intaktes Genom hatten und konnten zeigen, nachdem sie die Sequenz solcher inaktiven Viren nachgebaut, T-Zellen in Kultur damit infiziert und das Wachstum dieser Viren mit solchen, die bei der T-Zellaktivierung von vorneherein mitaktiviert worden waren, verglichen hatten, daß jene ganz normale Wachstumsraten aufwiesen, also tatsächlich nicht defekt waren.
Sie konnten außerdem nachweisen, daß die nicht-aktivierten Proviren weder epigenetische Markierungen aufwiesen, die ihre Transkription (=Aktivierung) verhindert hätten, noch, daß sie an Stellen des Wirtsgenoms eingebaut waren, an denen ohnehin keine Transkription stattfindet. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, daß solche nicht-aktivierten Proviren im Wirtsorganismus nicht irgendwann doch aktiv werden, woraus der beunruhigende Schluß zu ziehen ist, daß die latenten HIV-Reservoirs um die 60 mal größer sind, als bisher angenommen. Damit rückt ein potentielles Medikament, das eine völlige und auch die Reservoirs betreffende Eradizierung des HI-Virus und damit eine Heilung ermöglicht, leider wieder in weitere Ferne.
Referenzen:
[1] Lusic M, Marini B, Ali H, Lucic B, Luzzati R, & Giacca M (2013). Proximity to PML nuclear bodies regulates HIV-1 latency in CD4+ T cells. Cell host & microbe, 13 (6), 665-77 PMID: 23768491
[2]Ho YC, Shan L, Hosmane NN, Wang J, Laskey SB, Rosenbloom DI, Lai J, Blankson JN, Siliciano JD, & Siliciano RF (2013). Replication-Competent Noninduced Proviruses in the Latent Reservoir Increase Barrier to HIV-1 Cure. Cell, 155 (3), 540-51 PMID: 24243014
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