Und wenn nicht?
Keinesfalls sollten die Teezutaten direkt aus China über das Internet bezogen werden! Und wenn die Lage in der TCM so bleibt, so sollte man den aktuellen Bestrebungen, TCM-Arzneimittel in Deutschland allesamt zuzulassen, entschieden entgegentreten. Die Qualitätsprobleme, die damit verbundene Gefährdung von Patienten, und der schlechte Forschungsstand zu Wechselwirkungen sind nicht hinnehmbar. Auch die Tendenz, die Medizin in Deutschland und Europa durch Esoterik zu verseuchen halte ich für inakzeptabel. TCM beruht, wie Homöopathie, Schüßler-Salze oder Bachblütentherapie auf dem Placebo-Effekt: auf einer aktiven Vortäuschung eines physiologischen Geschehnisses, auf welches der Patient vertraut. Wenn man als Heiler oder Apotheker selbst an derlei glaubt, weicht man von der evidenzbasierten Methode ab und gefährdet den Patienten. Wenn man derlei nicht glaubt und dem Patienten dennoch dazu rät, entmündigt man ihn und verwirft so das in den letzten Jahrhunderten so schwer erkämpfte Konzept des informed consent, des von Aufklärung getragenen Einverständnisses des Patienten. Das steht uns, die wir im Dienste der Gesundheit unserer Patienten und Kunden handeln sollten, nicht zu.
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Quellen und Nachweise:
- Körfers, Sun: Traditionelle Chinesische Medizin, 2009
- Unschuld: Traditionelle Chinesische Medizin, 2013
- Dawkins: The Enemies of Reason, 2007
- Schäfer: Handhabung von TCM-Drogen in der Apotheke, PZ 2005
- ARD Weltspiegel: Das grausame Geschäft mit der Bärengalle, 2012
- Singh, Ernst: Trick or Treatment, 2008
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Wie immer vielen Dank der Autorin für den Gastbeitrag und wer nun mit Claudia Graneis in Kontakt treten möchte, kann den Kommentarbereich nutzen oder mir eine E-mail schreiben, die ich ihr dann weiterleiten werde. Und wer die Gastautorin auch einmal sehen und hören möchte, kann sich diesen Vortrag zum Gastbeitrag im Rahmen einer Veranstaltung der Rhein-Ruhr-Skeptiker ansehen, der auch nebenan schon erwähnt wurde:
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Update am 07.12.2017:
Diese Woche gab es einen Artikel in Nature anläßlich einer geplanten Gesetzesänderung in China, die, analog zur hirnrissigen Situation in den USA, die Pflicht zur Durchführung klinischer Studien, die normalerweise die Sicherheit und Wirksamkeit neuer Medikamente nachweisen müssen, beseitigen würde, solange die Medikamente nur nach “traditionellen Rezepten” hergestellt würden. Das ist in etwa so clever, wie einem Schamanen zu erlauben, eine Blinddarm-OP an Patienten durchzuführen, solange er es nur auf die traditionelle Weise (die die Anrufung der Ahnengeister vorsieht) durchführt.
Passend dazu wurde gerade erst gezeigt, daß eine wichtige und oft verwendete Substanz aus der TCM krebserregend ist [1].
Daß das ganze nichts mit Wissenschaft und Evidenz und alles mit politischer Strategie und Profitmaximierung zu tun hat, dürfte auf der Hand liegen. Und daß der chinesische Präsident Xi Jinping sich offiziell hinter die TCM stellt, macht das Problem im gleichen Maße schlimmer, wie ich keine Sekunde glaube, daß er selbst im Krankheitsfall das Sauzeug einnehmen würde. Aber gut, Heuchelei in diesen Kreisen ist ja not exactly breaking news. vielleicht findet er ja auch bloß, daß es zuviele Chinesen gibt…
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[1] Ng, A. W., Poon, S. L., Huang, M. N., Lim, J. Q., Boot, A., Yu, W., … & Pang, S. T. (2017). Aristolochic acids and their derivatives are widely implicated in liver cancers in Taiwan and throughout Asia. Science Translational Medicine, 9(412), eaan6446.
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