Ich weiß, ist schon ein Weilchen her, daß ich einen Vortrag zum Thema Streiten und Argumentieren im Rahmen der Kölner “Skeptics in the Pub”-Reihe gehalten habe. Da das Thema aber eigentlich immer aktuell ist, hatte ich mir nach dem Vortrag die Mühe gemacht, das ganze auch noch einmal zu verschriftlichen, den Text dann aber irgendwie aus den Augen verloren. Vor kurzem bin ich dann wieder darüber gestolpert als ich etwas ganz anderes suchte und da ergriff ich die Gelegenheit und nun gibt es ihn (leicht modifiziert) hier:
Streiten Sie noch, oder argumentieren Sie schon?
Es ist immer eine Herausforderung, öffentlich über ein Thema zu sprechen oder zu schreiben, über das die ZuhörerInnen oder LeserInnen schon sehr viel wissen. So auch hier: Sie alle und besonders, falls Sie SkeptikerInnen sind, haben sicher schon (viel) gestritten und argumentiert. Vielleicht haben Sie aber bisher noch nicht so richtig hinter die Kulissen geblickt, sozusagen auf die „Theatermechanik“, die hinter einer Argumentation stecken kann. Deshalb würde ich gerne hier mit Ihnen ’backstage’ gehen und untersuchen, wie Streiten und Argumentieren eigentlich funktioniert. Dabei stelle ich lediglich meine Sicht der Dinge dar, indem ich mich hier nicht als Experte aufspielen, sondern mich als jemand, der als aktiver und disputfreudiger Blogger inzwischen einige Erfahrung beim Streiten und Argumentieren hat, an Sie wenden möchte.
Skeptizismus ist ja gut und schön, taugt jedoch kaum zum Selbstzweck und sollte erst recht nichts elitäres sein. Diese Vorstellung, daß der Skeptizismus am ehesten ein exklusiver Herrenclub sei und vielleicht sogar sein sollte, hält sich, davon bin ich überzeugt, mehr oder weniger sublimiert noch immer in nicht so wenigen skeptischen Köpfen und ist inzwischen zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung geworden, dergestalt, daß tatsächlich die meisten deutschen Skeptiker weiße Männer jenseits der 40 sind und auf den deutschen Skeptikerkonferenzen kaum Sprecherinnen auftreten. Daß dieser Mißstand, wie ein blinder Fleck, von der skeptischen Selbstbetrachtung ausgespart wird, zeigten einige Reaktionen auf einen kritischen Blogartikel, der genau dieses Problem anspricht, welche überaus bezeichnend, wenn nicht entlarvend waren.
Ich finde das schade, denn Skeptizismus bzw. das Mem des skeptischen Denkens ist zu wertvoll und wichtig für unsere Gesellschaft, um es nicht weiterer Verbreitung teilhaftig werden zu lassen. Und genau darum geht es: Verbreitung skeptischen Denkens durch Dialog, durch Argumentation und ab und zu auch ‘mal durch einen anständigen Streit. Skeptiker sollten auch andere zum skeptischen Denken verlocken und sei es am Anfang nur, indem diese Anderen, wenn sie uns als Gesprächspartnern oder –gegnern gegenüberstehen, damit beginnen, Schwachstellen in unseren Argumenten zu suchen.
Der Unterschied zwischen dem Gespräch und der geschriebenen Argumentation entspricht dabei vielleicht in etwa dem zwischen Fechten und Schach: Das Ziel, den Gegner zu besiegen, ist beiden gemeinsam, doch unterscheiden sie sich erheblich in Regeln, Tempo und Timing, sowie der Zeit, die zum Nachdenken und Reagieren zur Verfügung steht. Und während man kaum zum Schachduell gezwungen werden kann, kann es durchaus passieren, wenn ich Ihnen die Metapher noch einen Augenblick zumuten darf, daß jemand plötzlich mit gezücktem Florett auf einen eindrängt und man sich zur Wehr setzen muß. Man kann also und zwar Texte schreiben, um seine Position klar zu machen und auch versuchen, darin mögliche Gegenargumente antizipativ zu parieren, doch muß diese Texte ja niemand lesen. Um wirklich und in „Echtzeit“ auf einen Menschen und seine persönlichen Ansichten eingehen zu können, bleibt nur das Gespräch oder besser: die Diskussion.
Als Autor eines Blogs, in dem es regelmäßig um kontroverse Themen wie Kritik an Religion, Pseudowissenschaften, Esoterik und ähnlich Ungustiösem geht, habe ich reichlich Gelegenheit, mit den KommentatorInnen zu diskutieren und je nachdem, mit wem man es zu tun hat, werden einem Argumente oder besser „Argumente“ von durchaus variabler Qualität vorgetragen, zum Beispiel:
Kommentare (19)