*2 Ein infiniter Regress liegt immer dann vor, wenn die Bedingung von etwas, das zur Begründung angeführt wird, selbst wiederum ein Bedingtes ist und dies sich unbegrenzt fortsetzt. Eine ‚petitio principii’ ist ein Zirkelschluss, bei dem die zu beweisende Behauptung durch Aussagen begründet werden soll, welche die zu beweisende Behauptung schon als wahr voraussetzen [1].]
Die oben schon angekündigte Bedingung oder Grundvoraussetzung dafür, überhaupt ernsthaft an einer Argumentation teilnehmen zu können, besteht in der Bereitschaft, die eigene Position aufzugeben, wenn überzeugende Argumente und Belege vorgetragen werden! Das ist eine enorm hohe und nicht zu unterschätzende Hürde, die viele, die vorgeben, ernsthaft argumentieren zu wollen, insgeheim gar nicht überspringen und es verdient in meinen Augen höchsten und sogar deutlich mehr Respekt, als dem eigentlichen Sieger gebührt, nach einer Diskussion zuzugeben, daß man (ggf. jahrelang) falsch lag und die Überlegenheit der Argumente der Gegenseite anzuerkennen, insbesondere dann, wenn die aufgegebene Position nichts lapidares und vielleicht sogar nichts geringeres als das eigene Weltbild war.
Wenn sie sich diesen Anforderungen an eine ehrliche Diskussionsteilnahme und/oder an die Qualität der eigenen Argumente nicht gewachsen sehen, greifen manche Menschen allerdings zu Tricks und unlauteren Mitteln, um doch noch, wenn auch nur scheinbar, als Sieger aus der Diskussion hervorzugehen. Insbesondere bei Diskussionen vor Publikum gelingt ihnen dies überraschend häufig, selbst wenn sie argumentativ klar unterlegen und vor allem dann, wenn sie charismatisch und rhetorisch versiert sind. Denn oftmals, man muß es leider sagen, obsiegt in Gunst und Augen des Publikums der gute Vortrag über das gute Argument. Aus diesem Grund sollte ein guter Argumentierer auch die schon im Trivium (s.o.) geforderte Disziplin der Rhetorik nicht vernachlässigen, um nicht nur den eigenen Vortrag zu stärken, sondern auch, um einen rabulistisch vorgehenden Gegner erkennen und ihm besser begegnen zu können: in der Disziplin der Rabulistik wurde das vielen Menschen neigungsgemäße Rechthaben nämlich geradezu erhoben zur „Kunst“, unabhängig von der Richtigkeit der eigenen Position und daher nahezu um jeden Preis recht zu behalten (z.B. bei Schopenhauer [2]). Es gibt verschiedene Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, darunter die o.g. Sophismen, also Scheinargumente und Fehlschlüsse sowie verschiedene rhetorische Tricks und Mittel, wie Ironie und Sarkasmus, wodurch die Übergänge zu Täuschung, Irreführung und Lüge bisweilen verwischt werden.
Greift der Gegner zur Rabulistik, ist dies zwar ein gutes Zeichen dafür, daß er über keine echten und gültigen Argumente (mehr) verfügt und man die Diskussion auf der Sachebene gewonnen hat. Ob ein Publikum das auch so sieht, ist allerdings eine andere Sache.
Zum Abschluß möchte ich noch ein paar (nicht nur in meiner Erfahrung) besonders häufig angetroffene Fehlschlüsse bzw. Scheinargumente und ihre Struktur skizzieren, um einerseits vorzuführen, wie sie funktionieren und andererseits vorzuschlagen, wie man ihnen begegnen kann. Zum Weiterlesen gibt es im Internet inzwischen gute Sammlungen von Fehlschlüssen und ihren Erklärungen [3].
Das Autoritätsargument (argumentum ad verecundiam)
Struktur
Person A (ist eine Autorität, Fachperson, Koryphäe, berühmt, beliebt etc.) sagt oder hat mal gesagt: X!
Person B (vertritt X oder etwas, für das X die Voraussetzung ist): X ist richtig, denn Person A hat es ja auch gesagt.
Kritik
Hier wird die Autorität einer Person als Begründung oder Garantie für die Richtigkeit einer Aussage herangezogen. Daraus, daß eine Person über akademische Titel, Auszeichnungen, Ämter oder sonstige Autoritätsmerkmale verfügt, folgt jedoch nicht, daß ihre Äußerungen zu ihrem Fachgebiet oder irgendeinem anderen Thema korrekt sind. Das gilt übrigens auch umgekehrt: Daraus, daß jemand, der sich in einem Bereich nicht auskennt bzw. keine Titel trägt, die das belegen sollen, folgt nicht, daß er richtige und schlüssige Dinge dazu zu äußern außerstande ist.
Eine subversive Parade eines solchen Arguments kann darin bestehen, eine offensichtlich falsche/dumme Aussage derselben Person zu nennen, falls man eine solche kennt.
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