Vorbermerkung: Als AIDS-Leugnung wird im Allgemeinen die Auffassung bezeichnet, derzufolge das HI-Virus nicht der Auslöser der erworbenen Immunschwäche AIDS ist. Der Begriff ist korrekt gewählt, denn er deutet bereits an, daß es zu dieser Frage keine echte wissenschaftliche Kontroverse gibt, sondern daß die Leugnung gegen Unmengen virologischer, pharmakologischer und epidemiologischer Belege behauptet wird.
Am 29.5. erhielt ich eine englischsprachige E-mail (im Anhang ein pdf-Dokument), die ich hier in Übersetzung wiedergeben möchte:
„An die die Universität Bonn, Uniklinikum*.
Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen HIV und AIDS.
Ich bitte Sie höflich, im angehängten Dokument über signifikante ätiologische Belege zu HIV/AIDS zu lesen. Sie werden erwähnt im Diskussion-Abschnitt des Artikels „Grundlegende Prinzipien der menschlischen Physiologie“, Seite 6. Dort findet sich auch eine neue Methode zur Herz-Lungen-Wiederbelebung.
Ich sende meinen Artikel gerade an die medizinischen Fakultäten aller Universitäten der Welt. Ich habe ihn bereits an alle Gesellschaften für Physiologie und Kardiologie geschickt. […]
Mit freundlichen Grüßen
Pavel. D.[…]
P.S.: Ich bin ein rumänischer Forscher aus Rumänien, Europäische Union“
*Anmerkung CC: an den Adressen der Empfänger (ca. 20) habe ich gesehen, daß er sich wild durch das Adressverzeichnis der med. Fakultät der Uni Bonn geklickt haben muß, daß es sich aber nicht um einen Spambot o.ä. gehandelt haben kann.
Es ist ja noch gar nicht so lange her, daß ich der Leugnung der Existenz eines anderen gefährlichen Virus’ entgegentrat und erklärte, wie man Viren, darunter das HIV, nachweisen kann. Deshalb nahm ich mir den Anhang, ein 7-seitiges Machwerk, mit einer Mischung aus vorauseilendem Facepalm, Genervtheit und Ärger vor und „bizarr“ ist wohl das Wort, das meinen ersten Gesamteindruck am prägnantesten beschreibt.
Der Aufbau des Artikels ist grob an das übliche Schema der Aufsätze aus wissenschaftlichen Fachjournalen angelehnt (auch wenn auf den ersten Blick ersichtlich ist, daß das Teil im „Selbstverlag“ erschienen ist): Titel, Autor, Abstract, Keywords, Introduction, Discussion. Der Kenner vermisst hier bereits die Abschnitte Material&Methoden und Ergebnisse, den diese fehlen in jenem wunderlichen Schriftstück.
Der Abstract ist acht Zeilen kurz, enthält siebenmal die Begriffe „variable“ bzw. „variation“ aber dafür wenig Sinn und erst recht keine Angaben dazu, was der Autor eigentlich sagen will. Die Einleitung (Introduction) ist dann eine ganz nervenzehrend krude Melange aus einfachster Schulbiologie, sich darstellend z.B. an der einzigen Abbildung des Artikels,
mäandernden Exzerpten aus Physiologie-Lehrbüchern, Wortsalat, Jargon und Geschwafel und es war mir nicht möglich, dem ganzen mehr als einen Absatz lang zu folgen. Ein Beispiel?
At the microcirculation level, the functional intensity of venous capillaries of the tissues and organs stimulated by the exogenous factors determines the functional intensity of arterial capillaries of the tissues and organs endogenously stimulated and the pulsatile and nonpulsatile blood flows stimulate the physiological activities in the tissues and organs endogenously stimulated in direct variation relationship to the physiological activities in the tissues and organs exogenously stimulated.
Und so immer weiter und das ohne Gliederung und über vier DinA4-Seiten. Und dann, völlig ohne (von mir) ersichtlichen Zusammenhang, folgt ein Absatz mit der Zwischenüberschrift: „A new method of cardiopulmonary resuscitation“ (Ü: Eine neue Methode für die Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW)) in welchem der Autor erklärt, daß die derzeit üblichen Praktiken bei der HLW (Defibrilliation und Herzmassage) wissenschaftlich nicht haltbar und zudem unwirksam und durch die von ihm vorgeschlagene Methode (Bauchlage, intravenöse Gabe von Serum, zusätzlich Trendelenburg-Lagerung) zu ersetzen seien. Wie er sich die weltweite und hundertausendfache Bewährung der von ihm geschmähten Methoden erklärt, läßt zu erläutern er sich leider nicht herbei.
Danach folgt die „Diskussion“, worin er keineswegs auf praktischerweise ohnehin nicht präsentierte Ergebnisse eingeht und diese vor dem Hintergrund des bereits Bekannten bespricht und einordnet (was normalerweise Zweck der Diskussion ist), sondern konfabulierend und phantasierend sich in mehreren kurzen Absätzen einmal quer durch die Medizin leugnet: so seien alle “Erkrankungen parenchymaler Organe“, wie, so der Autor, “Krebs, HIV/AIDS, Diabetes und Tuberkulose”, auf Herzinsuffizienz zurückzuführen.
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