Poliomyelitis, auch bekannt als Kinderlähmung, ist eine schlimme, durch Viren ausgelöste Krankheit, die v.a. unter schlechten hygienischen Bedingungen durch fäkal-orale Schmierinfektionen übertragen wird. In Deutschland kommt sie seit 1992 praktisch überhaupt nicht mehr vor, dafür aber in anderen Weltregionen, z.B. einigen afrikanischen Ländern, Indien, Pakistan und Afghanistan, obwohl das vermeidbar wäre und trotz der enormen internationalen Anstrengungen von WHO und GPEI, sie auszurotten. Wie so oft bei Infektionskrankheiten stellt auch bei Polio die Impfung den wirksamsten Schutz sowie die beste Chance dar, die Krankheit endgültig zu besiegen (ich erinnere mich noch, wie ich selbst als Kind mein Zuckerwürfelchen bekommen habe). Ebenso oft wurden diese Bemühungen in Gestalt groß aufgezogener Impfkampagnen in Entwicklungsländern, die besonders stark von Polio betroffen sind, konterkariert durch ideologisch begründete, menschenverachtende Verbote, ja sogar Morde an den Impfaktivisten, wodurch diese Regionen als Seuchenherde bestehen blieben und eine endgültige Ausrottung bisher nicht gelungen ist. Aber auch in vereinzelten Industrienationen kehrte die Polio zurück, was der zunehmenden Impfskepsis und -verweigerung zuzuschreiben und übrigens eine erbärmliche Schande ist.
Jetzt aber gibt es eine gute Nachricht: anscheinend ist es gelungen, einen weiteren (Typ 3) von drei gegenwärtig präsenten Stämmen von Polioviren komplett zu vernichten [1]. Nach der Ausrottung der Pocken und des ersten Poliovirenstammes (Typ2, 1999) wäre das ein grandioser Erfolg, der einen großen Schritt in Richtung vollständige Ausrottung der Polio bedeuten würde. Die Vernichtung des Stammes kann noch nicht als gesichert gelten, die bisherigen epidemiologischen und populationsgenetischen Belege sehen allerdings überaus vielversprechend aus. Typ 3 ist eine besonders heimtückische Variante des Virus, da es nur in ca. 1 von 1000 Infizierten Lähmungserscheinungen hervorruft und sich so leicht unbemerkt verbreiten kann.
Der Polioimpfstoff (OPV) schützt zwar aber nicht gleich gut gegen alle drei Typen. So verschwand weltweit zuerst der empfindlichste Stamm (Typ 2) und in allen inzwischen polifreien Ländern verschwand immer erst Typ 3 und zuletzt Typ 1. Typ 3 wurde in den letzten Jahren kein einziges Mal mehr in Infizierten und nicht einmal ein getesteten Abwässern nachgewiesen. Um wirklich sicher von einer Ausrottung sprechen zu können, sollte aber noch ein weiteres Jahr gründlichster Überwachung ohne ein Wiederauftauchen des Stammes vergehen.
Und während Polio in Afrika immer weiter zurückgedrängt wird, bleibt Pakistan der Hauptseuchenherd. Nicht nur treten dort 85% aller weltweiten Polio-Fälle auf, von dort aus verbreitet sich das Virus auch beständig weiter nach Afghanistan, das ansonsten zum jetzigen Zeitpunkt (fast) poliofrei sein könnte. Die WHO hat reagiert, indem sie seit Mai Polio-Impfschutz für Reisende in die betreffenden Gebiete verlangt und von den Regierungen dieser Länder fordert, die Polioepidemie zum nationalen Gesundheitsnotstand zu erklären. Obwohl sich die Lage in Pakistan inzwischen etwas verbessert hat, liegt sein Impfprogramm Jahre hinter anderen von Polio betroffenen Länderen zurück und Pakistan wird daher aller Voraussicht nach das letzte Land der Welt mit endemischer Polio sein und noch immer scheitert eine wirksame Bekämpfung an politischen und ideologischen Gründen. Polioviren hingegen scheren sich nicht um Politik und Relgion: wenn nicht auch die letzte Quelle der Erreger trocken gelegt wird, kann der Kampf gegen Polio nicht gewonnen werden und das wäre eine Schande, jetzt, wo wir so nahe dran sind…
Referenz:
[1] Cases, W. P. V. (2014). Possible Eradication of Wild Poliovirus Type 3—Worldwide, 2012. Great American Smokeout—November 20, 2014, 1031.
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