Übermorgen stirbt das Jahr 2014 aber heute vor 88 Jahren starb Rainer Maria Rilke.
Für mich der größte deutsche Lyriker.

 

Todeserfahrung

Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,
Bewunderung und Liebe oder Hass
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund

tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.

Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.

Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber dein von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann

uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so dass wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.

R.M. Rilke

 

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Kommentare (5)

  1. #1 Withold Ch.
    30/12/2014

    Nach jedem Gedicht Rilkes brauche ich eine Weile der Erholung, diese wundersame Sprache, diese reichen Assoziationen können einen taumeln lassen, oder eine fast wohlige Betroffenheit zurücklassen.

  2. #2 noch'n Flo
    Schoggiland
    06/01/2015

    Wobei ich mich ja schon seit meiner Schulzeit frage, wie er das mit der “fremden stillen Stelle, die nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen” eigentlich gemeint hat… 😉

  3. #3 Cornelius Courts
    06/01/2015

    🙂

  4. #4 Cornelius Courts
    06/01/2015

    🙂

  5. #5 Withold Ch.
    06/01/2015

    Wobei, spontan hätte ich angenommen, dass Benn näher liegen würde, seine Morgue-Gedichte etwa.
    Seine Gedichte finde ich ebenso grossartig.