…westliche Islam-Freunde, die […] sogar politische Karnevalsmotive aus dem Verkehr ziehen, tun Muslimen keinen Gefallen.
H. Abdel-Samad [1]
Heute wurde meine Heimatstadt wie jedes Jahr wieder von Bier, Harn und den diese Flüssigkeiten Ein- und Auslaufen-Lassenden durchspült und als sollte mir bewiesen werden, daß meine bereits jetzt für dieses „Fest“ empfundene Verachtung tatsächlich noch steigerbar ist, erfuhr ich unlängst, daß man den zuvor geplanten und sogar eigens von Tausenden per Online-Abstimmung ausgewählten und völlig harmlosen Charlie-Hebdo-Wagen nun doch nicht im Kölner Rosenmontagszug mitfahren lassen wolle, weil es „Rückmeldungen besorgter Büger“ gegeben habe und im Karneval doch bitte jeder fröhlich und ohne Sorgen feiern können solle. Satire also, die über Frau Merkel als Ferkel (Sie verstehen?) hinausgeht, hat wohl einfach keinen Platz im windelweichen Wohlfühlambiente eines modernen, glattpolierten Wellness-Karnevals.
Erbärmlich. Und Anlass, ein paar Worte zu Meinungs- und Gedankenfreiheit und die Begriffe der „Blasphemie“ bzw. der „Gotteslästerung“ zu sagen.
„Blasphemie“: gibt es in meinen Augen gar nicht. Als Blasphemie werden lediglich Meinungen, Äußerungen und (Kunst-)Werke, also die Inanspruchnahme von Meinungs- und Kunstfreiheit bezichtigt, um diesen eine ideologisch, politisch oder anderweitig gewollte Straffälligkeit und/oder Verwerflichkeit anzuhängen. Leider leistet diesem Bestreben in vielen beklagenswerten Ländern sogar der Gesetzgeber Vorschub.
„Gotteslästerung“: setzt erstens voraus, daß es einen Gott gibt (wofür die Beweislage ja notorisch fadenscheinig ist) und zweitens, daß dieser im Falle seiner Existenz durch Menschen tatsächlich gelästert werden kann. Beide Prämissen erscheinen mir höchst absurd.
Mein Motto schien: “Ich bin Moslem, also bin ich beleidigt.”
H. Abdel-Samad [1]
Oft ist im Zusammenhang mit Blasphemie auch die Rede von irgendwelchen ominösen „religiösen Gefühlen“. Ich frage mich dann immer, was das sein soll und wieso diese einen besonderen Schutz genießen sollten. Es ist dabei zunächst festzustellen, daß die Verletzung religiöser Gefühle nichts mit Religionsfreiheit zu tun hat. (Zur Erinnerung: Religionsfreiheit ist nicht die Freiheit, seine Religion anderen aufzuzwingen, sondern vor allem die Freiheit von Religion.) Es müssen auch keineswegs Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit gegeneinander abgewogen werden, denn eine Kollision zwischen Meinungsäußerungen und der Religionsfreiheit ist gar nicht möglich: Nichts, was ich sagen, schreiben oder zeichnen kann, beeinträchtigt einen anderen Menschen in seiner Freiheit und seinem Recht, seine Religion auszuüben. Es gibt allerdings nicht und kann nicht geben ein Recht darauf, sich nicht beleidigt zu fühlen! Mit anderen Worten: mein privater Wunsch, daß ich mit etwas, das ich persönlich und aus welchen Gründen auch immer als beleidigend empfinde, nicht konfrontiert werde, kann und darf keinen und schon gar nicht justiziablen Anspruch darauf begründen, daß solches nicht geäußert oder hervorgebracht werden darf. Kurz: wenn der Beleidigte bestimmen darf, was eine strafrechtlich relevante Beleidigung ist, dann bedeutet das den Tod der Meinungsfreiheit!
Pat Condell* hat diese Tatsache durch eine überaus treffende Analogie illustriert, die die Absurdheit dieses Anspruchs demonstriert, indem er den Wert seiner Gefühle als überzeugter Tierfreund und Vegetarier mit dem Wert religiöser Gefühle gleichsetzt und feststellt, daß erstere im Alltagsleben in einem Lande, in dem Anblick, Geruch und Verzehr von Fleisch allgegenwärtig sind, keinerlei Schonung genießen und er sich damit abzufinden hat statt zu fordern, daß aus Rücksicht auf seine Gefühle niemand mehr Tiere schlachten und ihr Fleisch essen dürfe. Wieso sollte mit religiösen Gefühlen anders verfahren werden?
Religiöse Gefühle sind etwas zutiefst intimes und privates, das niemanden außer ihren Inhaber selbst etwas angeht. In dem Moment aber, da ein Religiöser meint, aufgrund dieser auf irrationalen Vorstellungen beruhenden Gefühle einen Anspruch auf irgendetwas anderes in der Welt, z.B. auf Sonderrechte oder die Einschränkung der Freiheiten anderer Menschen, zu haben, muß unsere Toleranz enden. Der Wert und die Bedeutung, die religiöse Gefühle für deren Inhaber haben mögen, verpflichtet keinen anderen Menschen, sie für ebenso bedeutend zu halten und entgegen der Auffassung vieler Religiöser verdient auch die bloße Tatsache, daß sie religiös sind, keinerlei Respekt.
Erst die Freiheit macht es möglich, dass man seinen Glauben behält und trotzdem gewisse Distanz zu diesem Glauben wahrt, die Selbstkritik und Satire zulässt. Und genau da liegt das Problem vieler Muslime.
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