„Jungfrauentests“ sind gynäkologische Untersuchungen, die aus Aussehen und Zustand des Hymens einer Frau eine Aussage über zuvor (oder nicht) ausgeübten Geschlechtsverkehr ermöglichen sollen. Der Test beruht auf einer visuellen Inspektion der hymenalen Region und wird häufig um den sog. „Zwei-Finger-Test“ erweitert, bei dem ein oder mehr Finger in die Vagina eingeführt werden, um so die Größe der Vaginalöffnung und das Ausmaß der Penetrierbarkeit zu prüfen. Die zweifelhafte „Legitimation“ dieser Tests gründet auf einer angenommenen Korrelation zwischen der (weiblichen) Ausübung von Geschlechtsverkehr und allgemein unmoralischem Lebenswandel und Geisteshaltung und/oder krimineller Veranlagung. Da sie nur (esoterische Ausnahmen beiseite) an Frauen durchgeführt werden können, sind sie naturgemäß diskriminierend. Wenn dann im juristischen Kontext Jungfräulichkeit mit „Reinheit“ assoziiert wird, werden zwar Sexualdelikte gegen Jungfrauen als besonders schwerwiegend eingeordnet, zugleich jedoch fatalerweise die sexuelle Gewalt gegen Frauen, die zuvor bereits Geschlechtsverkehr hatten, als weniger schlimm aufgefasst.
Eigentlich sollte man über diese barbarische, abartige Praxis kein Wort mehr verlieren müssen. Sie ist in den meisten zivilisierten Ländern verboten und wurde längst von verschiedenen auch internationalen Vereinigungen und Gerichten geächtet: Die WHO, die UN Sonderberichterstatter über Folter und Gewalt gegen Frauen verurteilen sie als Form sexueller Gewalt [1-3], der EGMR hat die Durchführung solcher Tests in der Türkei verurteilt [4] (die UN-Komitees zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen und gegen Folter beklagen, daß in der Türkei solche Untersuchungen gegen den Willen einer Frau durchgeführt werden können [5,6]) und auch die „Grundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung weiblicher Gefangener und für nicht freiheitsentziehende Maßnahmen für weibliche Straffällige“ ( sog. „Bangkok-Regeln“ [7]) legen fest, daß Frauen das Recht haben, nicht solchen Untersuchungen unterzogen zu werden.
Also eigentlich eine klare Sache. Warum schreibe ich dennoch darüber? Unter anderem, weil man im islamischen Schwellenland Indonesien darüber nachdenkt, Schülerinnen den Abschluss zu verweigern, wenn sie so einen Test „nicht bestehen“, noch immer solche Tests den Anwärterinnen für den Polizeidienst aufgezwungen werden und – ganz aktuell – auch der Militärdienst nur Frauen offensteht, die noch Jungfrau = nicht „unartig“ („naughty“) sind. Daß diese Obsession mit Jungfräulichkeit und Keuschheit eine Folge des Islams und seines verheerenden Frauenbilds ist, scheint plausibel, da eine große Zahl der auch heute noch selbst Mädchen aus vermeintlich „sicheren“ Industrienationen angetanen weiblichen Genitalverstümmelungen aus ähnlichen Motiven islamisch legitimiert werden.
Jedenfalls hat sich nun auch die „Independent Forensic Expert Group“ (IFEG, Gruppe unabhängiger forensischer Experten) vom IRCT („International Rehabilitation Council for Torture Victims“) mit Sitz in Kopenhagen sehr deutlich zur Praxis der Jungfrauentests geäußert [8] und ihr Fazit, dem ich mich vollumfänglich anschließe, lautet:
„Jungfrauentests sind medizinisch unzuverlässig, inhärent diskriminierend und verursachen, wenn unter Zwang durchgeführt, in fast allen Fällen erhebliches körperliches und seelisches Leid und Schmerz. Wir vertreten die Auffassung, daß gewaltsam durchgeführte Jungfrauentests keinerlei medizinischen oder wissenschaftlichen Wert haben und eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung und abhängig von den individuellen Umständen eine Folter darstellen.
Wenn Jungfrauentests gewaltsam durchgeführt werden und eine vaginale Penetration umfassen, sollte die Praxis zudem als Erscheinungsform sexueller Gewalt und Vergewaltigung aufgefasst werden. Die Mitwirkung von Ärzten bei diesen Untersuchungen stellt einen Verstoß gegen die grundlegenden Prinzipien und ethischen Standards des Berufsstandes dar.“ (Übersetzung CC)
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Dieser ganze Jungfrauen-Quatsch und der zugrunde liegende Reinheits- und Keuschheitswahn ist natürlich wieder ‘mal ein Ergebnis via Sexualität geltend gemachten Anspruchs religiöser Eiferer, gleich ob konservativer Moslems, orthodoxer Juden oder evangelikaler Christen, auf Macht und Kontrolle über Frauen. Im Christentum wird Maria als ewig-reine Jungfrau und parthenogenetische Mutter Jesu verehrt (dabei ikonisiert und letztlich versächlicht), im Islam ist die Jungfernschaft für eine Braut, je nach Strenge der Auslegung, zwingend erforderlich und wird Märtyrern das Zerfetztwerden für Allah mit den nach dem Ableben im Paradies vermeintlich für sie vorgehaltenen “72 Jungfrauen” (je nach Übersetzung vielleicht auch nur Trauben) schmackhaft gemacht. (Ironischerweise steht gerade bei islamischen Frauen die Hymenalrekonstruktion hoch im Kurs, wodurch sie sich nach gehabtem Vergnügen wieder in einen vom Patriarchat gebilligten Zustand zurückversetzen lassen wollen.) Die Kontrolle der Jungfernschaft erfolgt in menschenrechtsfernen Ländern dann eben ganz pragmatisch (und handgreiflich) durch “Nachsehen und -fühlen” (s.o.) oder in Ländern wie den USA (aber auch hier) durch die zivilisatorisch sublimierten “modernen” (und offenbar wirkungslosen) Enthaltsamkeitsprogramme mit Gelübden, Purity-Ringen, Purity-Bällen etc.
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