Heute werde ich mich mit einer (nicht mehr ganz so) neuen aber immer noch revolutionären molekularbiologischen Technik zur Editierung also Veränderung und Anpassung von Genen befassen. Im Jargon wird sie kurz als CRISPR (ausgesprochen „krisper“) bezeichnet, was im Englischen zugleich ein Wortspiel ist, wo „crisper“ so viel wie „knackiger“ bedeutet und wie schon über NGS sagen manche Forscher über CRISPR bereits jetzt, daß seine Bedeutung für molekulare Biologie und Genetik derjenigen der PCR gleichkommen wird, z.B. Rudolf Jaenisch, der sie als „game changer“ sieht. In der Tat: CRISPR ist dabei, die Gentechnik zu revolutionieren und vor allem zu demokratisieren, da die Geneditierung mit CRISPR so leicht, schnell und preisgünstig ist, daß nun auch kleine und „unerfahrene“ Labore damit arbeiten können.

Einige Sciencebloggerkollegen haben sich  auch schon mit CRISPR befasst, mein eigenes Interesse für CRISPR rührt allerdings nicht nur daher, daß es derzeit so einen Hype darum gibt und es in der Tat eine unglaublich spannende, coole und flexible Technik ist, sondern ist insofern auch biographisch geprägt, als ich in meiner Diplomarbeit selber und mühselig die Genome von Adenoviren editiert und ein Gen des Malariaerregers P. falciparum darin eingebaut habe, um mit diesen nicht mehr pathogenen, „transgenen“ Viren dann Mäuse zu infizieren, woraufhin diese eine Immunantwort gegen Malaria ausprägten (ich wollte dadurch mithelfen, einen Malaria-Impfstoff herzustellen). Hätte ich damals schon CRISPR gehabt, hätte ich ein paar Nachtschichten weniger schieben müssen 🙂

Was ist CRISPR?

CRISPR ist eigentlich ein Akronym das für „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“ steht und kurze, palindromische DNA-Sequenzwiederholungen bezeichnet, die sich im Genom vieler Bakterien und Archaeen befinden und durch kurze Abstandshalter (“spacer”) voneinander getrennt sind.

Entdeckt hat man diese Sequenzen schon im Dezember 1987 in E. Coli-Bakterien aber genau wie bei der mirco-RNA, die man 1993 im Fadenwurm C.elegans entdeckte, verstand man damals nicht, was man da vor sich hatte, hielt es für unbedeutend und kümmerte sich nicht weiter darum. Erst als im Juli 1995 klar wurde, daß es CRISPR-Sequenzen auch in vielen anderen Mikroorganismen gibt, wurde man aufmerksam. Und doch dauerte es bis 2007, bis man erkannte, daß diese Sequenzen offenbar Teil einer Art bakteriellen Immunsystems sind.

Ja, ganz recht, ein bakterielles Immunsystem! In der Lebensmittelindustrie werden für bestimmte Verarbeitungsprozesse von Milchzucker Streptococcus thermophilus (S. thermophilus) Bakterien verwendet. Diese können jedoch von bakterienfressenden Viren, sogenannten Bakteriophagen, befallen und getötet werden und eine solche sich rasch ausbreitende Infektion kann ganze Produktionschargen verderben.

phagen

Bakteriophagen (grün) docken an einem Bakterium (braun-gelb) an und injizieren ihre DNA

In einer dänischen Firma für Nahrungsmittelzusätze fand man heraus, daß man S. thermophilus gegen Bakteriophagen immunisieren, sozusagen impfen kann, indem man die Bakterien vor der Prodution dem Phagen aussetzte. Diese Behandlung schützte die Bakterien danach wirkungsvoll vor den Viren [1].
Aber wie machen die Bakterien das? Wie können prokaryotische Einzeller eine adaptive Immunantwort zustandebringen, wofür unsereins einen hochkomplexen und zahlreiche Zelltypen umfassenden Mechanismus benötigt? Ganz grob gesagt: das Bakterium speichert einen kurzen Ausschnitt aus der Phagen-DNA in seinem eigenen Genom, nämlich als die oben erwähnten “Spacer” zwischen den palidromischen Sequenzen (also dem CRISPR-Bereich) und wenn das Bakterium später erneut von einem solchen Phagen infiziert wird, wird dessen DNA anhand der im CRISPR-Bereich gespeicherten Sequenzen und mithilfe eines speziellen Enzyms, genannt Cas, gezielt zerlegt und der Phage somit unschädlich gemacht.
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Referenz:

[1 ] Barrangou, R., Fremaux, C., Deveau, H., Richards, M., Boyaval, P., Moineau, S., … & Horvath, P. (2007). CRISPR provides acquired resistance against viruses in prokaryotes. Science, 315(5819), 1709-1712.

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Nachtrag am 07.10.2020: Völlig verdient erhalten dieses Jahr Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna den Nobelpreis in Chemie für ihre Entdeckung!

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Kommentare (15)

  1. #1 Adent
    18/07/2015

    @CC

    Hätte ich damals schon CRISPR gehabt, hätte ich ein paar Nachtschichten weniger schieben müssen

    Wem sagst du das 😉 Wenn ich sehe wie flott das jetzt mit CRISPR geht, was ich damals in monatelanger Kleinarbeit hergestellt und kloniert habe …
    Ich würde mal sagen du hättest 90% weniger Nachtschichten gebraucht (oder, wahrscheinlicher, für andere Arbeiten genauos gemacht :-)).

  2. #2 Cornelius Courts
    18/07/2015

    @Adent: “(oder, wahrscheinlicher, für andere Arbeiten genauos gemacht :-)”

    da magst Du recht haben. War ja auch immer ganz nett, den Laden (fast) für sich alleine zu haben 🙂

  3. #3 HF(de)
    14/09/2016

    Meinetwegen könnte es jetzt gerne weitergehen mit der CRISPR-Serie. CRISPR ist eine sehr interessante Entdeckung, möchte ich mehr drüber erfahren 🙂

  4. […] eingeplant werden. Diese erfolgt nämlich nicht durch moderne, gentechnische Methoden alá CRISPR/Cas9, sondern durch klassische „mendelsche“ Kreuzungsversuche. Und das kann „noch Dekaden […]

  5. #5 Konrad
    Hamburg
    03/02/2017

    Würde mich über deine Fortsetzung der Serie freuen!

  6. […] wer­den. Die­se erfolgt näm­li­ch nicht durch moder­ne, gen­tech­ni­sche Metho­den alá CRISPR/Cas9, son­dern durch klas­si­sche „men­del­sche“ Kreu­zungs­ver­su­che. Und das kann […]

  7. #7 Uli Schoppe
    26/07/2018

    Gerne hier weiter Cornelius Ich werde mir den link gleich mal zu Gemüte führen.
    Ich hatte mir gedacht frag mal jemanden von dem du weißt das er sich mit der Methode auskennt wie hoch er die Wahrscheinlichkeit einschätzt das sich jemand mit einem CRISPR Kit fürs Wohnzimmer etwas richtig fieses zusammenbastelt.
    Die Thematik ist doch imho deutlich komplexer als bei einem Virenbastelkit im IT Bereich.
    Was ist eigentlich (ja ich weiß das ist etwas anderes als Strangbrüche herbeizuführen) aus dieser englischen Studie geworden die bei Gentherapien mit dieser Methode ein erhöhtes Krebsrisiko voraus gesagt hatte? Darauf kann der Poster ja eigentlich nicht angespielt haben oder? Einmal ist es viel zu aufwändig eine große Anzahl Menschen mit CRISPR zu behandeln für solche Zwecke und auf den Erfolg muss man arg lange warten…

  8. #8 Uli Schoppe
    26/07/2018

    Abo, sorry.

  9. #9 Adent
    26/07/2018

    @Uli
    Die Studie hat gezeigt, dass in einer Kultur von Zellen bevorzugt die den Doppelstrangbruch, der durch CRISPR/Cas in der DNA gemacht wird, fehlerhaft reparieren, die eh schon einen Defekt in der DNA-Reparatur haben. Es werden also solche Zellen aus der Kultur selektiert, die schon fehlerhaft sind. Ist ein Problem, da die ex situ Gentherapie auf solchen ausserhalb des Körpers behandelten Zelllinien beruht.
    Aber die (Presse)-Aussage Gentherapie mit CRISPR macht Krebs war etwas übers Ziel hinausgeschossen 🙂

  10. #10 Cornelius Courts
    26/07/2018

    @Uli Schoppe: “Was ist eigentlich (ja ich weiß das ist etwas anderes als Strangbrüche herbeizuführen) aus dieser englischen Studie geworden die bei Gentherapien mit dieser Methode ein erhöhtes Krebsrisiko voraus gesagt hatte?”

    Kann ich nicht sagen, da ich in der CRISPR-Thematik nicht so tief drin stecke, daß ich die Publikationen alle präsent habe. Klar ist, daß das nicht flächendeckend zur Therapie eingestezt werden sollte, solange das Problem mit den off-target-Effekten nicht vollständig beherrscht wird. Aber Fakt ist auch, daß andauernd neue Studien erscheinen, die immer genauere, bessere CRISPR-Varianten, die immer weniger off-target gehen, präsentieren.
    Und klar ist auch, daß die Chinesen längst Fakten geschaffen haben:
    – sie setzen es zur Therapie ein (https://www.npr.org/sections/health-shots/2018/02/21/585336506/doctors-in-china-lead-race-to-treat-cancer-by-editing-genes?t=1532608359393)
    – sie machen klinische Studien (https://clinicaltrials.gov/ct2/results?cond=cancer+&term=crispr&cntry=CN&state=&city=&dist=)
    – sie haben erfolgreich Embryonen “repariert”, die auch lebensfähig waren (https://www.nature.com/news/crispr-fixes-disease-gene-in-viable-human-embryos-1.22382)

  11. #11 noch'n Flo
    Schoggiland
    26/11/2018
  12. #12 PDP10
    26/11/2018

    Es gibt schon berechtigte Zweifel, ob das überhaupt stimmt:

    https://www.spektrum.de/news/verwirrung-um-genetisch-veraenderte-babys/1610194

  13. #13 Ursula
    25/06/2019

    HÄ?
    Eben auf standard.at folgenden Artikel gelesen.

    https://derstandard.at/2000104340409/CRISPR-Sets-fuer-zuhauseWie-Biohacker-ihre-DNA-veraendern-wollen

    Biohacker Szene? WTF?
    Wobei CRISPR nur eine Spielart von Biohacking darstellt.
    Dass es da eine “Szene” gibt war mir nicht bekannt. Oder ist das eh ein alter Hut?

    Aus dem Artikel:
    “Per Crowdfunding finanzierte Zayner das Unternehmen, das Do-it-yourself-CRISPR-Kits, quasi die Genschere für zu Hause, verkauft. Nun ist die Fachwelt nicht erst seit der Geburt der ersten CRISPR-Babys im vergangenen Jahr höchst besorgt über den missbräuchlichen und unethischen Einsatz der revolutionären Technologie. Schon zuvor äußerten zahlreiche internationale Ärzte eine Vielzahl an Bedenken.

    oder

    “Es wäre wohl eine Untertreibung zu behaupten, dass die berühmtesten Akteurinnen und Akteure der Biohacker-Szene umstrittene Persönlichkeiten sind. Manche sehen in ihnen gar moderne Freaks. Skurrile Kleidung, Frisuren oder Piercings tragen zu diesem Eindruck bei. Wer wie der von Geburt an farbenblinde Neil Harbisson mit einer implantierten Antenne im Schädel herumläuft, um mittels Farbsensor, Kopfhörer und Mikrochip Farbfrequenzen in hörbare Frequenzen umzuwandeln, darf sich darüber vielleicht nicht wundern. Harbisson wird von den britischen Behörden seit 2010 offiziell als erster Cyborg der Welt anerkannt.

  14. #14 Cornelius Courts
    07/10/2020

    Völlig verdient erhalten dieses Jahr Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna den Nobelpreis in Chemie für ihre Entdeckung! Glückwunsch!

  15. #15 RPGNo1
    07/10/2020

    Auch von meiner Seite die allerherzlichsten Glückwünsche an die beiden Gewinnerinnen des Chemie-Nobelpreises 2020, Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna.