Übermorgen stirbt das Jahr 2015 aber heute vor 89 Jahren starb Rainer Maria Rilke.
Für mich der größte deutsche Lyriker.

 

Auch du wirst groß sein

Auch du wirst groß sein. Größer noch als einer,
der jetzt schon leben muss, dich sagen kann.
Viel ungewöhnlicher und ungemeiner
und noch viel älter als ein alter Mann.

Man wird dich fühlen: daß ein Duften ginge
aus eines Gartens naher Gegenwart;
und wie ein Kranker seine liebsten Dinge
wird man dich lieben ahnungsvoll und zart.

Es wird kein Beten geben, das die Leute
zusammenschart. Du bist nicht im Verein;
und wer dich fühlte und sich an dir freute,
wird wie der Einzige auf Erden sein:

Ein Ausgestoßener und ein Vereinter,
gesammelt und vergeudet doch zugleich;
ein Lächelnder und doch ein Halbverweinter,
klein wie ein Haus und mächtig wie ein Reich.

R.M. Rilke

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und damit wünsche ich allen LeserInnen einen sanften und freudvollen Übergang ins neue Jahr, welches glücklicher sein möge, als das vergangene.

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Kommentare (18)

  1. #1 Beobachter
    29/12/2015

    Rilke und Sonntagsklassik in allen Ehren –
    ebenso wie Brecht und Blues –
    oder wie die persönlichen Vorlieben sonst sein mögen.
    Ich bin auch nicht der Meinung, dass “es barbarisch sei, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben”.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Nach_Auschwitz_ein_Gedicht_zu_schreiben,_ist_barbarisch

    Wenn ich aber Wünsche zu “einem sanften und freudvollen Übergang ins neue Jahr” lese und zeitgleich Meldungen wie nachfolgende (siehe unten) – man beachte die dortige “Argumentation” – dann bleibt einem nur noch Zynismus; in mehrfacher Hinsicht.
    Vor allem dann, wenn der Rilke-Fan eine bestimmte “Kategorie” Menschen vom Mensch-Sein ausschließt und sie als bloße “Organismen” bezeichnet:
    https://scienceblogs.de/bloodnacid/2015/11/24/schlafwandeln-gen-armageddon/

    https://www.infranken.de/regional/nuernberg/Ruecksicht-auf-traumatisierte-Fluechtlinge-Debatte-um-boellerfreie-Zonen;art88523,1486094

    Zitat, Auszug:

    ” … Die Flüchtlingsproblematik und Silvester hält der Stadtrat generell für ein heikles Thema, das seitens der Politik viel Diplomatie erfordere. Zu der Angst um die seelischen Folgen der Silvesterknallerei käme die Furcht vor “rechten Übergriffen”. Schrollinger befürchtet, dass Menschen “mutwillig Flüchtlingsunterkünfte aufsuchen könnten”. Deshalb müsse man mit der Information, wo Flüchtlinge untergebracht sind, in der Öffentlichkeit vorsichtig umgehen. … “

  2. #2 Name auf Verlangen entfernt
    Nürnberg
    29/12/2015

    @ Beobachter: “Organismen” kann man angesichts des frischen Schocks als durchaus harmlose Beschreibung stehen lassen. Und: Rilke hat vor Ausschwitz geschrieben …

    In der gegenwärtigen Lage ist Dein Zynismus wenig hilfreich; – unsere wahre Kultur – für die Rilke durchaus steht – hervorzuheben – wie das der Inhaltemeister tut, hingegen schon.

    Deshalb vielen Dank für die Inspiration. Ebenfalls aus Rilkes Stundenbuch ist dieses Gedicht:

    Ich möchte viele Pilger sein

    Du Gott, ich möchte viele Pilger sein,
    um so, ein langer Zug, zu dir zu gehn,
    und um ein großes Stück von dir zu sein:
    du Garten mit den lebenden Alleen.
    Wenn ich so gehe wie ich bin, allein, –
    wer merkt es denn? Wer sieht mich zu dir gehn?
    Wen reißt es hin? Wen regt es auf, und wen
    bekehrt es dir?
    Als wäre nichts geschehn,
    – lachen sie weiter. Und da bin ich froh,
    dass ich so gehe wie ich bin; denn so
    kann keiner von den Lachenden mich sehn.

    Bemerkenswert genug bleibt, wie ein Atheist Rilke mögen kann: – dann ist noch nicht alle Hoffnung verloren.

  3. #3 Beobachter
    29/12/2015

    Also Beifall von genau der “richtigen Seite”, der Astrologie-Branche, im Namen “unserer wahren Kultur”, “hilfreich in der gegenwärtigen Lage”.
    Vielleicht erstellt uns Herr Termin zum Silvester-Sonderpreis ein Jahreshoroskop für 2016 und kann vorhersagen, wann, wo und welche Flüchtlingsunterkünfte von welchen “Organismen” angezündet werden; wo, welche und wie viele “Organismen” umkommen werden, die vor anderen “Organismen” geflohen sind.
    Und wann, wo und in welchem staatlichen Auftrag sich “Organismen” gegenseitig abschlachten werden.

    Gut, dass Rilke nicht mehr miterleben muss, von wem er bzw. seine Kunst heutzutage zu welchen Zwecken zitiert wird.
    Man muss Rilke, (irgendeinen) Gott, alle “spirituellen, intuitiven” “Dinge zwischen Himmel und Erde” inkl. einer “anything goes”-Philosophie, “unsere wahre Kultur” “mögen” – und Vernunft, Verstand und Menschenrechte/Menschenwürde nach dem Verklingen des letzten Silvesterböllers vor der eigenen Haustüre möglichst tief vergraben/beerdigen.
    Dann wird es für Viele ein vermeintlich “sicheres”, bequemes und für Wenige auch ein lukratives “Gutes Neues Jahr” …

    Anmerkungen/Hinweise:

    “Name auf Verlangen entfernts Astrologisches Stundenbuch” (!) :
    https://markustermin.com/
    Geschäftsmodell:
    https://markustermin.com/about/
    “Mein Angebot:
    Astrologisches Coaching, Partnerberatung, Klärung der Berufung, Selbsterkenntnis
    Erfahrung von über 10.000-Horoskoplesungen …
    Was es kostet?
    60,- Euro für 60 Minuten Beratungszeit (als halbe Stunde buchbar)”

    https://www.psiram.com/ge/index.php/Markus_Termin

  4. #4 Schmidts Katze
    29/12/2015

    Vor allem dann, wenn der Rilke-Fan eine bestimmte “Kategorie” Menschen vom Mensch-Sein ausschließt und sie als bloße “Organismen” bezeichnet

    Die Haltung, Beobachter, die hinter dieser Wortwahl steht, hat noch nie vom Konsum von Feingeistigem abgehalten.

  5. #5 Beobachter
    29/12/2015

    @ Schmidts Katze:

    Ja, das ist richtig – danke für den Hinweis.
    Das eine (die menschenverachtende “Haltung”) schließt das andere (“Konsum von Feingeistigem”) nie aus.
    Das ist “unsere wahre (deutsche) Kultur” …

    Anmerkungen:
    https://www.lexikon-drittes-reich.de/Richard_Wagner
    https://de.wikipedia.org/wiki/Reichskulturkammer

  6. #6 Name auf Verlangen entfernt
    29/12/2015

    @ Beobachter: jetzt komm mal runter und bleib topic. Ob Dir – was ich mache – passt, und was Du darüber denkst, ist hier einfach nicht Thema. Und wenn Du ein Bedürfnis danach hast, und Du glaubst, es sei topic, spricht von Deinem “Geschäftsmodell”, und warum es Anonymität erfordert?

  7. #7 Doc Ralf
    30/12/2015

    Es war mir ein großes Vergnügen, in Ihrem auch ansonsten von mir sehr geschätzen Blog unverhofft auf meinen Lieblingsdichter zu stoßen.
    Rilke zu lesen ist immer wieder, wie in Platons Höhle den Blick zum Ausgang werfen und die Wahren Dinge sehen, nicht nur ihre Schatten.

    Auch Ihnen ein glückliches neues Jahr.

  8. #8 Cornelius Courts
    30/12/2015

    @Doc Ralf: danke für die Rückmeldung, schön, daß wir die Liebe zu Rilke teilen und gut, zu sehen, daß es doch auch noch jemanden vernünftiges hergeführt hat 🙂

  9. #9 Cornelius Courts
    30/12/2015

    @Beobachter: “Vor allem dann, wenn der Rilke-Fan eine bestimmte “Kategorie” Menschen vom Mensch-Sein ausschließt und sie als bloße “Organismen” bezeichnet:”

    Wenn Du Dir vor lauter wohlfeilem, bräsigem Bedenkenträger- und Einsamem-Mahntertum die Mühhe gemacht hättest, die differenzierte Unterhaltung zwischen Joseph und mir genau darüber (ab hier: https://scienceblogs.de/bloodnacid/2015/11/24/schlafwandeln-gen-armageddon/#comment-36948) zu verfolgen, wäre allen geholfen gewesen. Überdies erschließt sich mir der angebliche Zusammenhang zwischen Rilkes Todestag und Flüchtlings-Problemen nicht so ganz….

  10. #10 Beobachter
    30/12/2015

    @ Doc Ralf:

    ” … die Wahren Dinge sehen, nicht nur ihre Schatten. … ”
    Zu dieser Sichtweise fällt mir immer ein Gedicht Erich Kästners (aus dem Jahre 1930 !) ein, in dem es heißt:

    ” … wo bleibt das Positive?«
    Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.
    … ”

    https://www.deutschelyrik.de/index.php/und-wo-bleibt-das-positive-herr-kaestner.html

    @ C. C.:

    Danke für die NICHT-Rückmeldung.
    Gut, (wieder mal) zu sehen, dass Sie sich mit vernünftiger Kritik nicht auseinandersetzen wollen und unbequeme Kommentare einfach aussitzen.

  11. #11 Beobachter
    30/12/2015

    @ C.C., # 9:

    Ich habe deinen Kommentar (# 9) erst nach dem Abschicken meines letzten Kommentars (# 10) gesehen.

    “Die differenzierte Unterhaltung zwischen Josef und mir (dir) genau darüber” habe ich aufmerksam verfolgt bzw. sogar erst ins Rollen gebracht (nähere Auskünfte hierzu erteilt dir bei Nachfrage Herr Kuhn sicherlich selbst) –
    es ändert für mich nicht das Geringste an deiner unsäglichen Wortwahl im Speziellen und deiner dahinterstehenden fragwürdigen Haltung im Allgemeineren im diesbezüglichen Beitrag/Thread.
    Meine Sichtweise zum dortigen Thema habe ich in meinen Kommentaren dort schon kundgetan.

  12. #12 Cornelius Courts
    30/12/2015

    @Beobachter: “es ändert für mich nicht das Geringste ”

    das wiederum bestätigt mich in meiner Einschätzung von Ihnen als eines nutzlosen, bornierten Querulanten, der gerne ungefragt sein unausgegorenes und reichlich bizarres Blabla an völlig unpassender Stelle absondert, um seine bigotte und undifferenzierte Konventionalmeinung zu prostituieren. Danke, wir ham’s verstanden, reicht dann jetzt. Ab hier nur noch über Rilke, sonst Müll.

  13. #13 Name auf Verlangen entfernt
    30/12/2015

    “Es wechseln immer drei Generationen. Eine findet Gott, die zweite wölbt den engen Tempel über ihn und die dritte verarmt und holt Stein und Stein aus dem Gottesbau, um damit notdürftig kärgliche Hütten zu bauen. Und dann kommt eine, die Gott wieder suchen muss.” Rainer Maria Rilke, source:

    https://www.deutschlandfunk.de/rainer-maria-rilke-das-musst-du-wissen-dass-dich-gott.886.de.html?dram:article_id=320773

  14. #14 Hans Gensch
    31/12/2015

    Ein schöner Artikel Herr Courts, danke dafür. Ich wünsche Ihnen ebenso einen guten Rutsch in ein frohes, neues Jahr (und weniger Kommentare die nichts mit dem Thema zu tun haben wie den von “Beobachter” ;-)!

    • #15 Cornelius Courts
      31/12/2015

      Danke auch Ihnen und kommen Sie gut ins neue Jahr 🙂

  15. #16 Claudia
    03/01/2016

    Von jemandem, der den Autoren ein kleines bißchen kennt – wer nun ausgerechnet ihm eine undifferenzierte, unüberlegte, menschenfeindliche und zynische Haltung unterstellt, hat entweder den Schuß nicht gehört, oder die Socken kilometerweit offen, oder wurde mit dem drahtbürstigen Klammerbeutel gepudert, oder hat einen Ratsch im Kappes nebst lückenhaftem Lattenzaun, oder hat einen ausgewachsenen Haschmich, Piepmatz, Schatten, Sockenschuß, Triller unterm Pony UND weichen Keks. Also. Wenn es nach mir ginge, würde ich anregen, die Herrentier-Theaterdarstellung hiernach zu beenden.

  16. #17 Withold Ch.
    18/01/2016

    Schön, so was hier zu lesen.

    Den Gedichten von Rilke bin ich früher eher ein wenig ausgewichen, fand seine Sprache gekünstelt, geschwollen. Benn mit seiner “coolen” Ausdrucksweise, seinen Abgründen, faszinierte mich mehr, erst noch in den Aufnahmen, auf denen er selber spricht.

    Von Rilke gibt es leider keine Tonaufnahmen, obwohl er ein “ausgezeichneter Interpret seiner Werke gewesen” sein soll.

    Unterdessen bin ich wohl etwas geduldiger geworden, lese seine Gedichte behutsamer und staune immer wieder über den Reichtum und den Duft seiner Sprachbilder. Riecht gut.

    Übrigens:
    Das Gedicht hat nur drei Strophen, die ersten zwei zu je vier Zeilen, die dritte Strophe zu acht Zeilen.

    … und eine ausführliche Quellenangabe wäre hilfreich:
    Das Stundenbuch, 1905
    2. Teil: Das Buch der Pilgerschaft
    26. Gedicht, 1901

  17. #18 Erick
    13/03/2017

    R+V:

    yahoo.com