Das fragten sich japanische Kollegen um K.Koto im Journal of Forensic Science [1] und untersuchten 647 Menschen, die einen Suizidversuch unternommen hatten.
Harakiri oder Seppuku, wie es eigentlich heißt, ist eine aus der japanischen Samuraitradition im 12 Jhdt. stammende rituelle Selbsttötung, die darin besteht, sich eine spezielle Klingenwaffe, ein Wakizashi oder ein Tanto
unterhalb des Bauchnabels in den Bauch zu rammen, dann einen Schnitt nach links und anschließend nach oben zu führen.
Meist wurde dabei die Bauchaorta eröffnet, so daß die dadurch rasch eintretende Bewußtlosigkeit die Sterbenden von ihren grauenhaften Schmerzen erlöste, denn trotz aller Schmerzen durften sie keine Miene verziehen, nicht stöhnen oder schreien, sonst wurde der Tod als nicht ehrenhaft angesehen. Sobald sie durch das Vorneigen des Kopfes ein Zeichen gaben, trennte ein Sekundant durch einen Hieb mit einem Katana den Kopf des Suizidenten fast vollständig ab, um so einen schnellen Tod herbeizuführen.
Harakiri begang ein Samurai, der entehrt worden war, da er auf diese Weise die Ehre seiner Familie wieder herstellen konnte, oder wenn er seinen Herrn verloren hatte und zu einem Ronin geworden war, um ihm auf diese Weise ehrenhaft in den Tod zu folgen.
Diese rituelle Form des Suizids ist also eng mit japanischer Kultur, Tradition und Ehrverständnis verbunden, wird als „typisch japanisch“ angesehen und ist auch popkulturell häufig in Erscheinung getreten (s. z.B. im Film 47 Ronin). Und obwohl Harakiri 1837 offiziell abgeschafft wurde, berührt diese „ehrenhafte“ Art zu Sterben, die auch als Form der Selbstbestimmung aufgefaßt wird, die Japaner bis heute und bis heute begehen Japaner Suizid durch Harakiri.
Von wissenschaftlichem, rechtsmedizinischen Interesse war hier, zu ergründen, ob es Gemeinsamkeiten zwischen Suizidenten gibt, die Harakiri begehen. Japan hat eine außergewöhnlich hohe Suizidrate von 24,4 pro 100.000 Personen und Suizid ist dort die siebthäufigste Todesursache.
Eine frühere Studie hatte bereits gezeigt, daß Personen, die einen Suizidversuch mittels Harakiri unternahmen, häufig männlich und verheiratet waren, an Schizophrenie litten und den Suizidversuch häufig überlebten [2]. In der hier besprochenen Studie wurden erstmals systematisch die klinischen Befunde, die nach einem Harakiri-Versuch feststellbar sind, analysiert.
Die 647 Patienten, die die Autoren dafür retrospektiv untersuchten, hatten zwischen April 2010 und Januar 2012 jeweils einen Suizidversuch überlebt und mußten danach stationär behandelt werden. Die Autoren studierten die medizinischen Aufzeichnungen der Patienten und führten Interviews mit deren Familien.
Der psychiatrische Status der Patienten wurde anhand der vierten Edition des DSM-IV-TR und durch verschiedene Tests, wie das „Mini International Neuropsychiatric Interview“, und Evaluationen wie der Hamilton-Skala (HAMD17)“ erhoben. Aufgrund ihres körperlichen Zustands wurden sie zudem in die Gruppen „ernster Zustand“ und „nicht ernster Zustand“ aufgeteilt und die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus bzw. der Intensivstation wurde erfaßt.
Ergebnisse:
Die festgestellten Suizidmethoden im Patientenkollektiv waren folgende: Medikamentenüberdosis (n=404), Selbstvergiftung durch Einnahme (n=53), Sprung aus der Höhe (n=49), Erhängen (n=38), Kohlenmonoxidvergiftung (n=28), Stich- oder Schnittverletzungen (n=27), Selbstverbrennung (n=15) und Ertrinken (n=4). Insgesamt 25 Patienten (3,9%) hatten Harakiri begangen, davon benutzten 15 (60%) ein Küchenmesser, 8 (32%) ein zweischneidiges Messer und einer (4%) ein Katana (vgl. auch diesen Artikel).
Männer waren in der Harakiri-Gruppe signifikant überrepräsentiert (60% vs. 32 %), allerdings hatten die Patienten dieser Gruppe sich, jeweils signifikant, seltener mit einer psychiatrischen Vorgeschichte vorgestellt, hatten seltener unmittelbar vor dem Suizidversuch psychologische Hilfe gesucht und hatten seltener ein Ereignis erlebt, das als Auslöser des Suizids gelten konnte. Dafür war die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus bzw. auf der Intensivstation sowie der Anteil als „ernst“ beurteilter Zustände in der Harakirigruppe signifikant erhöht.
Affektive Störungen („mood disorders“) waren die einzige Art psychischer Störungen, die in der Harakiri-Gruppe signifikant häufiger festgestellt wurden und der HAMD17 –Wert für Frage 2, der Gefühle von Schuld erfasst, war signifikant höher als in der Vergleichgruppe (z = -2019, p = 0.028).
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