Es erreichen mich immer wieder Fragen von LeserInnen und KommentatorInnen, was von diesen kommerziellen Gentests zu halten sei, wie sie etwa von der Firma 23andme angeboten werden und wie sie im Zuge der “Quantified Self“-Bewegung mit ihren Fitness- und Ernährungs- und Schlafüberwachungs-Apps, Tracking-Armbändern etc. immer beliebter werden. Im Rahmen solcher Tests nimmt man sich selbst mithilfe von der Firma zur Verfügung gestellter Materialien eine Speichelprobe ab, schickt sie der betreffenden Firma zurück und erhält einige Zeit später eine Auswertung. Diese Auswertung gibt dann Auskunft über bestimmte, vorher festgelegte genetische Prädispositionen.
Vor einigen Jahren gab es in den USA eine Kontroverse um die Tests der Firma 23andme, da die FDA der Meinung war, daß der Test der Firma gefährlich sei, indem er die Kunden mit dem Ergebnis alleine lasse und schlimmstenfalls zu unnötigen medizinischen Eingriffen bewege bzw. zum eigenmächtigen Eingriff in laufende Behandlungen verleite. Ich war zwiegespalten hinsichtlich solcher Tests und habe das auch denen, die mich um Rat oder meine Meinung baten so gesagt: grundsätzlich finde ich es interessant, sich mit seiner eigenen genetischen Ausstattung zu befassen und durch einen Test besser einschätzen zu können, welche genetischen “Voreinstellungen” man besitzt. Dies kann ermächtigend sein und Risiken zu Bewußtsein bringen, die einem vorher nicht bekannt waren, denen aber mit entsprechender Verhaltensänderung und Vorsorge sehr gut begegnet werden kann. Andererseits fand ich die Art und Weise, wie bei manchen Firmen die Untersuchungsergebnisse mitgeteilt und (nicht) erklärt wurden, schlicht unverantwortlich. Genetische Laien können mit Begriffen wie “genetisches Risiko”, “Penetranz”, “Epistase” etc. oft wenig anfangen und hinzukommt, daß die meisten Menschen bei der Wahrnehmung und Einschätzung von Risiken sehr subjektiv und in Rückschau nicht immer in ihrem Interesse urteilen.
Wenn also einem Kunden seine genetische Komponente des Risikos, eine bestimmte Krankheit zu bekommen, mitgeteilt wird, ist es entscheidend, zu erklären, daß neben dem Einfluss genetischer Faktoren auch andere, äußere etwa das Verhalten und die Umwelt betreffende Faktoren eine ebenso große oder noch größere Rolle dabei spielen können, ob man die Krankheit tatsächlich entwickelt oder nicht. Wenn ich mal wieder eine Autoanalogie bemühen darf: ein Auto mit beschädigten Bremsen hat im Durchschnitt natürlich eine höhere Unfallwahrscheinlichkeit. Wenn man aber sehr vorsichtig damit fährt, hat man vielleicht dennoch nie einen Unfall. Wenn man nun sogar vor dem Einsteigen erfährt, daß die Bremsen beschädigt sind, ist es wichtig, zu wissen, daß man nicht deshalb sowieso einen Unfall haben wird und entweder sofort die ganze Bremsanlage ‘rausreißen und ersetzten lassen sollte oder, weil ja vermeintlich eh alles verloren ist, ruhig wie ein Irrer rasen kann, sondern daß man mit einer bewußten, umsichtigen, vorausplanenden Fahrweise die defekte Bremse vielleicht sogar komplett ausgleichen kann. Kurz gessagt: wenn die Ergebnisse eines kommerziellen Gentests ausführlich, verständlich und verantwortungsbewußt erklärt werden und den Kunden, deren genetisches Risiko für bestimmte Krankheiten erhöht ist, nahegelegt wird, ihre Lebensweise anzupassen, also gesünder zu leben und im Zweifel immer den Rat eines Arztes einzuholen, dann kann ich daran nichts schlechtes finden.
Es gibt übrigens genetische Prädispositionen, z.B. für die gräßliche Krankheit Chorea Huntington, die tatsächlich eine sichere und unabwendbare Erkrankung vorhersagen lassen. Auch wenn es technisch leicht möglich wäre, sie in solche kommerziellen Tests einzubeziehen, bin ich dagegen, daß solche Ergebnisse, die ggf. großes Leid und den sicheren Tod vorhersagen, Kunden/Patienten ohne ärztliche Moderation und unmittelbare Verfügbarkeit von Ansprache und Unterstützung mitgeteilt werden.
Soviel zur Vorrede, denn kürzlich wurde ich von der Fa. “futuragenetics” kontaktiert, die mich fragten, ob ich deren Gentest ausprobieren und darüber berichten möchte. Auf der Homepage wird folgendermaßen geworben:
Wenn Sie Ihr eigenes genetisches Risiko kennen, können Sie einen Lebensstil wählen, der besser auf Ihre Gesundheit abgestimmt ist. Der Futura Genetics Test ist ein nicht-invasiver DNA-Test, der entwickelt wurde, um Ihr Risiko zur Entwicklung der 28 weltweit am häufigsten auftretenen Krankheiten zu beurteilen.
Die Liste dieser Krankheiten enthält alles mögliche, von Haarausfall über Fettleibigkeit bis hin zu Brustkrebs. Nach einiger Bedenkzeit habe ich zugestimmt, um meine Erfahrungen aus erster Hand mit den LeserInnen und an einem solchen Test Interessierten teilen zu können.
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