Unter „Wildlife Forensic Science“ (WFS) versteht man die Anwendung forensischer Wissenschaften zur Bekämpfung von „Wildlife Crime“ (ich kenne leider keine gute deutsche Bezeichnung dafür) also v.a. die Nachverfolgung, Aufklärung und Verhinderung illegalen Handels mit geschützten Tieren und Pflanzen, deren Teilen (ganz besonders Elfenbein) und Produkten. In Deutschland spielt Wildlife Crime kaum eine Rolle und vielen ist sein Ausmaß daher nicht bewußt. Dabei wird der Schaden, den dieses Verbrechen, das zu den größten transnationalen organisierten Verbrechen gehört, weltweit anrichtet, auf 10 – 20 Milliarden Dollar pro Jahr beziffert [1] und viele Tier- und Pflanzenarten sind durch Wilderei und illegalen Handel akut vom Aussterben bedroht. Letzten Mai gab UNDOC den ersten “World Wildlife Crime Report” heraus, der auf deprimierende Weise nicht nur den enormen Schaden durch Wildlife Crime belegt, sondern auch, daß es sich dabei um ein wirklich globales Phänomen handelt. Nicht zuletzt daraus wird die Wichtigkeit von WFS ersichtlich; ich selbst habe WFS zwar in meinem Bericht zur ISFG-Jahrestagung in Melbourne zwar schon einmal erwähnt, nehme mir aber vor, beizeiten ausführlicher darüber schreiben.
Heute soll es nur kurz um den häufig nicht besonders beachteten Einfluß traditioneller Medizin (z.B. TCM) als Motiv einerseits für Wildlife Crime und andererseits als Mitursache für die Auslöschung bedrohter und laut CITES geschützter Arten gehen.
Bei einer Untersuchung von 26 OTC TCM-Präparaten wurde kürzlich eine neue Methode angewendet, die verschiedene toxikologische (darunter MS) und genetische (NGS) Analysemethoden kombiniert und herausgefunden, daß 50% der Proben DNA von nicht angegeben Pflanzen- oder Tierarten enthielten, darunter der extrem gefährdete Schneeleopard [2]. (Außerdem stellte sich heraus, daß in 50% der Präparate auch nicht angegebene pharmazeutische Komponenten enthalten waren, darunter Warfarin, Dexamethason, Diclofenac, Cyproheptadin und Paracetamol, sowie Schwermetalle wie Blei, Kadmium und Arsen, eines davon mit einer Arsenmenge, die 10 mal so hoch wie die höchste unbedenkliche Menge war, doch das nur nebenbei und als Denkanstoß für Leute, die TCM für harmlose Kräutermedizin halten.)
Es dürfte sich bei diesem Befund auch wohl kaum um eine Kontamination mit Tier-DNA handeln, wie sie gelegentlich anhand von Hunde-, Kuh-, Ziegen-, Schaf-, Katzen- und Ratten-DNA detektiert wird, da die DNA derart seltener Tiere wie Schneeleoparden oder Waldklapperschlangen und bestimmte Frösche [2,3] wohl kaum zufällig in das Gebräu geraten kann. Wahrscheinlicher ist, daß diese Tierarten als Hauptzutat verwendet wurden, wodurch die Einnahme dieser Substanzen gefährlich sein kann. Oder sogar tödlich, wenn die Substanz zufällig Bufotenin enthält und man sie sich spritzt [4].
Tatsächlich ist TCM und die dadurch verursachten Nachfrage nach und Handel mit darin verwendeten Tierprodukten, was so ziemlich alles sein kann, eine wesentliche Triebfeder im internationalen Wildlife Crime. Nashornhorn etwa, das in der TCM als Heilmittel für Krankheiten von Hirnblutung bis AIDS angepriesen wird, hat einen Schwarzmarktpreis von um die 50.000 $ pro Kilogramm [5]. Schätzungsweise enthalten 13% aller TCM-Produkte illegalerweise Teile von Tieren und Pflanzen, die eigentlich geschützt sind [6].
Andererseits schätzt die WHO, daß 80% der in Entwicklungsländern lebenden Menschen auf Mittel der traditionellen Medizinen zurückgreifen [7], wodurch also ein gewaltiger Bedarf belegbar und ein entsprechend großer Handel motiviert ist. Die traditionellen Medizinen anderer Regionen sind in ihren Ingredienzen dabei keineswegs weniger bizarr als (und ihrer Wirkung ebenso unterwältigend wie) TCM. In Vietnam z.B. verspeist man getrocknete Geckos als Aphrodisiakum (selbst wenn man danach könnte, würde man noch wollen?) und Affenskelette gegen allgemeine Schmerzen. Letzteres hat wahrscheinlich, zusammen mit der Zerstörung seiner natürlichen Habitate, dazu geführt, daß der Weißkopflangur in der Wildnis nahezu ausgestorben ist [8].
Auch ca. 165 Arten von Reptilien (aus 104 Familien) wird in verschiedensten Ländern eine heilende Wirkung nachgesagt [9], darunter 60 Schlangenarten, 51 Echsenarten, 43 Schildkrötenarten und 11 Arten von Krokodilen, von denen 53% zu den gefährdeten Arten gehören und deren therapeutische Wirksamkeit selbstverständlich bis heute nicht bewiesen ist [6].
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