Darüber, was wirklich die Ursache für die katastrophalen Umstände in den USA ist, wird bis heute gestritten aber in in einem Editorial im New England Journal of Medicine [3] schrieben die Autoren dazu:
„Etwas in der psychologischen oder soziologischen Grundverfassung der Vereinigten Staaten hat uns in diese scheinbar ausweglose Situation gebracht, die jetzt schon so lange besteht. Befürworter strengerer Waffenkontrollgesetze geben zwar der NRA die Schuld aber vielleicht ist die NRA weniger wie ein fremdes Pathogen, das in unseren politischen Körper eingedrungen ist und wogegen wir eine Immunität heranbilden könnten, als wie ein Krebs, der aus körpereigenen, mutierten Zellen erwächst. Und diese gefährlichen Mutationen erscheinen nun wie eine bedauernswerte Verzerrung des amerikanischen Prinzips des Individualismus, welcher das Recht des Einzelnen, ohne Einmischung des Staats so zu leben, wie er/sie will, nunmehr dem Recht anderer Menschen, überhaupt zu leben, überordnet.“ (Übersetzung CC)
Während die allmähliche Anpassung sozialer Normen, derer es für eine echte und dauerhafte Verbesserung der Lage bedarf und die tiefe kulturelle Veränderungen erfordert, aus der Bevölkerung selbst kommen muß und die Arbeit von Generationen sein wird, ist es die Aufgabe der Politik, die Waffengesetze zu verschärfen, für besseren Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung zu sorgen (was allerdings nur einen kleinen Teil des Problems lösen würde [4]) und den undemokratischen Einfluß der Waffenlobby auf Gesetzgebung und Justiz zu begrenzen. Es ist Aufgabe von Epidemiologen, Soziologen und Psychologen die Folgen von und Ursachen für derart massenhaften Schußwaffengebrauch, auch und gerade bei Amokläufen, zu untersuchen und der Politik Anhaltspunkte für Verbesserungen zu geben, aber es ist unsere Aufgabe als forensische Wissenschaftler, dazu beizutragen, daß Schußwaffendelikte, wenn sie nun einmal geschehen sind und solange sie auftreten, besser aufgeklärt und objektiver beurteilt werden können.
Und deshalb forschen wir daran.
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Nachtrag am 13.01.2017: Gerade eben erfahre ich, daß in Deutschland die Anzahl beantragter “kleiner Waffenscheine” enorm angestiegen ist und sich viele BürgerInnen offenbar mit Schreckschußwaffen auszurüsten beginnen (in der trügerischen Hoffnung, damit besser gegen etwaige Angreifer geschützt zu sein). Das ist bedenklich und auch für die Forensik relevant, da auch Schüße mit Schreckschuß- bzw. Gaswaffen durch den Gasdruck allein bereits tödlich sein können [5,6] (zur Verwundungskapazität von Mündungsgasen s. [7]).
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Referenzen:
[1] A.L. Kellermann, F.P. Rivara, N.B. Rushforth, J.G. Banton, D.T. Reay, J.T. Francisco, A.B. Locci, J. Prodzinski, B.B. Hackman, G. Somes, Gun ownership as a risk factor for homicide in the home, N.Engl.J Med 329 (15) (1993) 1084–1091.
[2] A.L. Kellermann, F.P. Rivara, G. Somes, D.T. Reay, J. Francisco, J.G. Banton, J. Prodzinski, C. Fligner, B.B. Hackman, Suicide in the home in relation to gun ownership, N.Engl.J Med 327 (7) (1992) 467–472.
[3] Malina, D., Morrissey, S., Campion, E. W., Hamel, M. B., & Drazen, J. M. (2016). Rooting out gun violence. New England journal of medicine, 374(2), 175-176.
[4] Friedman, R. A. (2006). Violence and mental illness—How strong is the link?. New England Journal of Medicine, 355(20), 2064-2066.
[5] Demirci, S., Dogan, K. H., & Koc, S. (2011). Fatal injury by an unmodified blank pistol: A case report and review of the literature. Journal of forensic and legal medicine, 18(6), 237-241.
[6] Perdekamp, M. G., Glardon, M., Kneubuehl, B. P., Bielefeld, L., Nadjem, H., Pollak, S., & Pircher, R. (2015). Fatal contact shot to the chest caused by the gas jet from a muzzle-loading pistol discharging only black powder and no bullet: case study and experimental simulation of the wounding effect. International journal of legal medicine, 129(1), 125-131.
[7] Schyma, C. (2012). Wounding capacity of muzzle-gas pressure. International journal of legal medicine, 126(3), 371-376.
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