Wie in einer Trance wankten sie mit schleppenden, eckigen, mechanisch wirkenden Bewegungen über die Myrtle Avenue. Sie stöhnten unartikulierte Laute und ihre Augen erschienen leblos… Zombies in Brooklyn?
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So wurden die 33 Opfer einer Überdosis von AMB-FUBINACA von Passanten, die letzten Juli in Brooklyn, New York einen Notruf absetzten, tatsächlich bezeichnet und kürzlich berichtete sogar das New England Journal of Medicine über den „Zombie-Ausbruch“ und die drastischen Auswirkungen dieser Substanz, die der Gruppe der synthetischen Cannabinoide zugerechnet wird, obwohl sie eine völlig andere chemische Struktur als THC hat [1, 2].
Von acht der 18 Opfer, die stationär aufgenommen werden mußten, wurden Serum-, Vollblut- und Urinproben genommen und parallel zu einer Probe der „Kräutermischung“, die als „AK 47 24 Karat Gold“ bezeichnet wird und sich noch im Besitz einiger der Opfer befand, toxikologisch mittels HPLC/TOF-MS untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß die Kräutermischung AMB-FUBINACA in einer Konzentration von 16,0 +/- 3,9 mg/g enthielt und sich ein Abbauprodukt der Substanz in Serum und/oder Vollblut aller getesteten Opfer in Mengen von 77 – 636 ng/ml nachweisen ließ.
Die Konzentration dieser ultrapotenten Substanz in den untersuchten Proben erklärt die stark zentralnervös dämpfenden Effekte, die das zombieartige Verhalten der Opfer dieser Massenvergiftung hervorgerufen haben und nur der guten Zusammenarbeit von Ärzten, Rettungskräften, toxikologischen Labors und Ermittlungsbehörden ist es zu verdanken, daß die Substanz schnell identifiziert und die nötigen Schritte eingeleitet werden konnten.
Im Zuge des „Kriegs gegen die Drogen“ gibt es zwischen Drogenfahndern und –regulierungsbehörden einerseits und Drogenhändlern und -nutzern andererseits ein stetiges Wettrüsten, denn für jedes neue Verbot einer Substanz kommt mindestens eine neue Substanz auf den Markt. Diese neuen Drogen werden oftmals in chinesischen Labors synthetisiert, basierend auf Forschungsergebnissen aus den Uni-Laboren westlicher Industrieländer. Wenn sie auf den Markt kommen, gibt es noch keine Regulierung für sie, wodurch sie besonders schwer zu detektieren sind. Das wiederum macht sie speziell attraktiv für Nutzer, die sich regelmäßig Drogentests unterziehen müssen, da sie dabei nicht entdeckt wird.
Daß das nicht ungefährlich ist, sieht man an den immer potenteren Designerdrogen wie AMB-FUBINACA, das übrigens ursprünglich vom Pharmakonzern Pfizer entwickelt, dann aber nicht weiter verfolgt und auch nie am Menschen getestet wurde. Die Bezeichnung als „synthetisches Marijuana“ ist nicht nur, wie oben erwähnt, chemisch ungenau, sondern auch irreführend, weil es so gut wie unmöglich ist, sich eine THC-Überdosis zu versetzen. Die Droge aber, die ihre Nutzer als Zombies durch Brooklyn torkeln ließ, war 85 mal potenter als THC!
Die Geschichte der synthetischen Cannabinoide läßt sich bis zum Forscher John Huffmann von der Clemson Universität zurückverfolgen, der versuchte, eine Substanz zu gewinnen, die das gleiche medizinische Potential von THC, nicht aber dessen psychotrope Wirkung aufweist. Es kam, wie es kommen mußte, 2008 tauchte die erste synthetische Droge auf der Straße auf, die in Europa als „Spice“ bekannt wurde und deren Hauptwirkungskomponente ironischerweise JWH-18, nach Huffmann, bezeichnet wird: den Abusus seiner neuen Substanzen hat Huffmann nie gewollt.
Seither ist die Zahl verfügbarer synthetischer Drogen stetig gestiegen und das Patent für AMB-FUBINACA, das 50 mal potenter ist als Spice, ist sogar öffentlich zugänglich. Chinesische Drogenlabore durchsuchen solche öffentlich verfügbaren Quellen, um Ideen für die Grundzüge neuer Substanzen zu sammeln. Diese gehen dann direkt vom Labor auf die Straße und die ersten Nutzer sind die Versuchskaninchen.
Das wird besonders dann gefährlich, wenn die Substanzen so potent sind, wie AMB-FUBINACA, denn hier können schon kleine Fehler bei der Zusammenstellung der verkaufsfertigen Mischung drastische Auswirkungen haben, so es wohl im Fall der Massenvergiftung von Brooklyn gewesen ist. Dieser Fall illustriert wieder einmal, welchen Schaden der „Krieg gegen die Drogen“ anrichtet. Wäre etwa THC frei verkäuflich, bestünde nicht der Bedarf nach immer neuen und mitunter gefährlichen, ungetesteten Substanzen, um Entdeckung und Verboten zu entgehen. Ein weiterer Effekt von Prohibitionen dieser Art ist, daß es stets einen Trend zu immer stärkeren Mitteln gibt, um den Gewinn der Händler zu maximieren: auf gleichem Raum läßt sich – bei gleichem Risiko, entdeckt zu werden – mehr „Rauschpotential“ und damit verkaufbare Drogeneinheiten transportieren, je „konzentrierter“ eine Substanz ist.
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